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Italien

Genua: Die Brücke war von Rost befallen – Experten wussten davon

Die Morandi-Brücke war von Rost befallen – Experten wussten davon

20.08.2018, 07:5620.08.2018, 08:41
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Die Spannseile der Ponte Morandi waren anscheinend stark von Rost befallen. Dies berichtet das italienische Magazin «L'Espresso». So zeigte eine Untersuchung, dass die Seile im Querschnitt zu 10-20 Prozent verrostet waren.

Dies wurde bereits in einem Prüfbericht am 1. Februar von sieben Ingenieuren einer technischen Kommission diskutiert, fünf davon vertraten den italienischen Staat, zwei weitere den Autobahnbetreiber Autostrade per l'Italia. 

A view of the Morandi highway bridge that collapsed in Genoa, northern Italy, Wednesday, Aug. 15, 2018. A large section of the bridge collapsed over an industrial area in the Italian city of Genova du ...
Die Brücke brach auf einer Länge von 100 bis 200 Metern ein.Bild: AP/AP

Nach der Untersuchung wurde allerdings nichts unternommen. Die Brücke wurde weder gesperrt noch entlastet. Es wurde schlicht eine Empfehlung abgegeben, die Spannseile zu gegebenem Zeitpunkt im Rahmen einer geplanten Sanierung zu verstärken. 

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Wie die Ingenieure den Gesamtzustand der Brücke beurteilten, wird aus dem Bericht nicht deutlich. Es gibt keinen Vermerk dazu, dass Alarm geschlagen wurde oder ein baldiger Einsturz der Brücke zu befürchtet sei. Zwei der Ingenieure gehören nun zur Untersuchungskommission, die sich seit Freitag mit dem Brückeneinsturz befasst. Kontrollieren sich die Kontrollierten nun also selbst?

Es ist nicht das erste Mal, dass die Brücke bemängelt wurde. Bereits 1979 hatte Riccardo Morandi, der Ingenieur der Brücke, vor Korrosionsgefahr gewarnt. Er hatte damals erklärt, dass die Meeresluft und Abgase von einem Stahlwerk in der Nähe bereits zu einem «bekannten Verlust der chemischen Oberflächenresistenz des Betons» geführt hätten.

Dennoch sei die Konstruktionsweise der Brücke zuverlässig. «Früher oder später, vielleicht in ein paar Jahren, wird es nötig sein, eine Behandlung anzuwenden, die aus der Entfernung von allen Rostspuren besteht», zitiert ihn die «Zeit».

Das rund 50 Meter hohe Polcevera-Viadukt, auch Ponte Morandi genannt, ist am Dienstag vergangener Woche zusammengebrochen. Der Streckenabschnitt gehörte zur Hauptverkehrsader, die an die Riviera und nach Südfrankreich führt. Mindestens 38 Personen sind bei dem Unglück ums Leben gekommen. (doz)

Das Video vom massiven Brückeneinsturz in Genua

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27 Kommentare
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Scaros_2
20.08.2018 09:10registriert Juni 2015
Perfektes Beispiel für Italien. Man sieht den Bedarf zu arbeiten aber man kann es ja auch morgen noch tun.
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FrancoL
20.08.2018 09:27registriert November 2015
"Es ist nicht das erste Mal, dass die Brücke bemängelt wurde. Bereits 1979 hatte Riccardo Morandi, der Ingenieur der Brücke, vor Korrosionsgefahr gewarnt."

Ein Dutzend Jahre nach der Erstellung wurden diese Mängel bereits erkannt. über 30 Jahre hat man nichts unternommen, da werden sich doch einige rechtfertigen müssen.

Mich wundert es auch nicht dass die Expertengruppe nicht neutral ohne jegliches Mittun von früheren Experten bestellt wurde. Leider sind da jetzt schon Verwässerungen der Tatsachen vorprogrammiert.
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nödganz.klar #161
20.08.2018 10:33registriert Februar 2018
Laut einer Quelle waren die Zugseile der Brücke von Beton ummantelt. Ich habe ja kein ETH-Ingenieurstudium, aber arbeite in der Metallbaubranche und habe etwas Ahnung von Bauphysik: wie kommt man auf die Idee, ein Zugseil einer Brücke mit einem halbporösen, dampfdurchlässigen Stoff wie Beton zu ummanteln, um es so vor Korrosion zu schützen? Da müssten ja auch Dampfsperren bzw -bremsen vorhanden sein, oder sehe ich das falsch?
Klar, ich kenne die genaue Konstruktion nicht, aber so etwas macht mich etwas stutzig. Gerne lasse ich mich von nem Bauphysiker oder Ingenieur belehren. 😊
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