Die Spannseile der Ponte Morandi waren anscheinend stark von Rost befallen. Dies berichtet das italienische Magazin «L'Espresso». So zeigte eine Untersuchung, dass die Seile im Querschnitt zu 10-20 Prozent verrostet waren.
Dies wurde bereits in einem Prüfbericht am 1. Februar von sieben Ingenieuren einer technischen Kommission diskutiert, fünf davon vertraten den italienischen Staat, zwei weitere den Autobahnbetreiber Autostrade per l'Italia.
Nach der Untersuchung wurde allerdings nichts unternommen. Die Brücke wurde weder gesperrt noch entlastet. Es wurde schlicht eine Empfehlung abgegeben, die Spannseile zu gegebenem Zeitpunkt im Rahmen einer geplanten Sanierung zu verstärken.
Wie die Ingenieure den Gesamtzustand der Brücke beurteilten, wird aus dem Bericht nicht deutlich. Es gibt keinen Vermerk dazu, dass Alarm geschlagen wurde oder ein baldiger Einsturz der Brücke zu befürchtet sei. Zwei der Ingenieure gehören nun zur Untersuchungskommission, die sich seit Freitag mit dem Brückeneinsturz befasst. Kontrollieren sich die Kontrollierten nun also selbst?
Es ist nicht das erste Mal, dass die Brücke bemängelt wurde. Bereits 1979 hatte Riccardo Morandi, der Ingenieur der Brücke, vor Korrosionsgefahr gewarnt. Er hatte damals erklärt, dass die Meeresluft und Abgase von einem Stahlwerk in der Nähe bereits zu einem «bekannten Verlust der chemischen Oberflächenresistenz des Betons» geführt hätten.
Dennoch sei die Konstruktionsweise der Brücke zuverlässig. «Früher oder später, vielleicht in ein paar Jahren, wird es nötig sein, eine Behandlung anzuwenden, die aus der Entfernung von allen Rostspuren besteht», zitiert ihn die «Zeit».
Das rund 50 Meter hohe Polcevera-Viadukt, auch Ponte Morandi genannt, ist am Dienstag vergangener Woche zusammengebrochen. Der Streckenabschnitt gehörte zur Hauptverkehrsader, die an die Riviera und nach Südfrankreich führt. Mindestens 38 Personen sind bei dem Unglück ums Leben gekommen. (doz)