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6 Erkenntnisse aus dem Transfer-Zirkus, die uns traurig und wütend gleichzeitig machen

Xherdan Shaqiri macht schon lange mehr Transfer- als Spielschlagzeilen.
Xherdan Shaqiri macht schon lange mehr Transfer- als Spielschlagzeilen.Bild: keystone/watson

6 Erkenntnisse aus dem Transfer-Zirkus, die uns traurig und wütend gleichzeitig machen

Noch befindet sich der Transferwahnsinn erst in der Aufwärmphase. Die kommenden Wochen werden weitere spektakuläre Mega-Deals und freudestrahlende Berater bringen. Sechs bittere Erkenntnisse haben wir trotzdem bereits gewonnen.
13.07.2015, 13:5614.07.2015, 07:05
Alex Dutler
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1. Die Premier League hat jeden Bezug zur Realität verloren

Der 16-fache englische Nationalspieler Raheem Sterling ist jung und talentiert. Doch gerade beweist der 20-Jährige wieder einmal, dass er ein kolossaler Stinkstiefel ist: Weil das Wunderkind irgendwie keinen Bock mehr hat, seinen bis 2017 laufenden Vertrag bei Liverpool zu erfüllen, täuscht es seit Tagen eine Krankheit vor, schwänzt das Training und macht mit gezielten Indiskretionen Stimmung gegen Trainer Brendan Rodgers.

Raheem Sterling tanzt Liverpool auf der Nase herum.
Raheem Sterling tanzt Liverpool auf der Nase herum.Bild: PETER POWELL/EPA/KEYSTONE

Früher wäre ein solches Bürschchen ein halbes Jahr in den «Reserves» versenkt und nach seiner Rückkehr in die Premier League einige Male gepflegt umgehobelt worden. 

Heute rollt man ihm den goldenen Teppich aus. Manchester City wird umgerechnet 71 Millionen Franken für den Angreifer zahlen, der letzte Saison sagenhafte 7 Tore in 35 Liga-Partien erzielt hat. Mit diesem Geld liesse sich der FC Basel und der FC Zürich fast im Doppelpack kaufen.

Und das ist nicht der einzige Exzess, den sich die Dagoberts aus England in der laufenden Transferperiode leisten. Roberto Firminho ist ein guter Offensiv-Mann, doch er ist nie im Leben die 43 Millionen Franken wert, welche Liverpool für ihn an Hoffenheim überwiesen hat. Auch im unteren Preissegment wird gnadenlos übertrieben: Joselu war bei Hannover ein solider Bundesliga-Mitläufer: Jetzt hat Stoke City ihn für über 8 Millionen Franken gekauft. Die Liste liesse sich beliebig fortsetzen. 

8 Saisontore, 8 Millionen Ablöse. Ex-Hannover-Stürmer Joselu.
8 Saisontore, 8 Millionen Ablöse. Ex-Hannover-Stürmer Joselu.Bild: FABIAN BIMMER/REUTERS

Das alles ist nur möglich, weil die englischen Klubs im Fernsehgeld baden. Bereits in der letzten Saison kassierte der Tabellenletzte Queens Park Rangers fast 90 Millionen Franken aus dem TV-Vertrag. Ab 2016 wird sich die Gesamtsumme für die 20 Premier-League-Klubs auf 3,3 Milliarden pro Saison erhöhen – durchschnittlich 165 Millionen pro Klub. Zum Vergleich: Der FC Basel kassiert derzeit jährlich ungefähr 2 Millionen.

2. Die Schweizer Nati wird endgültig zum Wanderzirkus

Vor einigen Jahrhunderten waren Schweizer Söldner dank ihrer bedingungslosen Treue als Krieger in ganz Europa geachtet. Ihre fussballerischen Nachkommen nehmen es damit nicht mehr so genau. 

Für die Zeitungsproduktion der Transfermeldungen um Xherdan Shaqiri musste in den vergangenen drei Jahren wohl ein mittelgrosser Wald dran glauben. Derzeit soll sein Bruder und Berater Erdin Schalke 04 als Favorit für die nächste (Kurz-)Reisedestination erkoren haben. Dort packen die Fans ihre Stars bei Misserfolg noch weniger sanft als in Mailand an. Ist das nächste Desaster für den 23-jährigen Ausnahmekönner schon vorprogrammiert?

Auch Valon Behrami hat seine Treue zum HSV nach einer Saison voller Eklats bereits wieder aufgekündigt. Bleibt zu hoffen, dass er bei Premier-League-Aufsteiger Watford wieder zu alter Form findet. In der Nati gibt es zu seinem bedingungslosen Kampfgeist derzeit keine Alternativen.

Und schliesslich bleibt zu hinterfragen, weshalb Josip Drmic im vergangenen Jahr bei Bayer Leverkusen eigentlich einen Fünfjahresvertrag unterschrieben hat. Es war abzusehen, dass er gegen Kiessling, Calhanoglu, Bellarabi und Son einen schweren Stand haben würde. Das er nun bereits wieder die Fliege in Richtung Gladbach macht, zeugt nicht unbedingt von Durchhaltevermögen. Immerhin bekommt der 22-Jährige mit Lucien Favre nun einen Coach, der ihn wieder aufpäppeln kann.

Mehr Verständnis sollte man für Roman Bürki und Admir Mehmedi haben. Zwar wurde ihnen die Fahnenflucht nach dem Abstieg in Freiburg übel genommen, doch wer als Sportler Weltspitze sein will, kann seine kurze Karriere einfach nicht in der Zweitklassigkeit vertrödeln. 

3. Treue Seelen sterben aus

Und wenn wir schon beim Thema sind: Beim Gedanken daran, dass mit Bastian Schweinsteiger, Peter Cech, Iker Casillas, Xavi und Steven Gerrad gerade 104 Jahre Vereinstreue den Bach ab sind, schnürt es uns den Hals so richtig zu.

Ende Legende: Iker Casillas wird nach 26 Jahren bei Real Madrid vom Hof gejagt und verabschiedet sich unter Tränen.YouTube/Football TV

4. Junge Schweizer düsen ab

Mit Nico Elvedi (18 Jahre, zu Gladbach), Djibril Sow (18 Jahre, zu Gladbach), Dimitri Oberlin (17 Jahre, zu Red Bull Salzburg) sind dem FC Zürich gleich drei vielversprechende Talente davongelaufen. Und das, bevor sie sich in der Super League richtig durchgesetzt haben. Auch der 19-jährige Aussenverteidiger und Nachwuchs-Internationale Ulisses Garçia hat nach 93 Spielminuten als Profi bereits keinen Bock mehr auf GC und unterschreibt bei Werder Bremen.

GC-Hoffnung Ulisses Garçia versucht sein Glück bei Werder Bremen.
GC-Hoffnung Ulisses Garçia versucht sein Glück bei Werder Bremen.Bild: Expa/freshfocus

Wir wünschen den Youngsters von Herzen Glück, rechnen aber fest damit, mindestens zwei von ihnen in einigen Jahren in der Challenge League wiederzusehen.

5. Barcelona macht, was es will

Weil der FC Barcelona zwischen 2009 und 2013 mehrfach gegen die Statuten der FIFA verstossen und minderjährige Spieler verpflichtet hat, gilt seit April 2014 eine einjährige, von der FIFA verordnete Transfersperre. Trotzdem ist der Champions-League-Sieger im Shoppingfieber und schnappt dem Konkurrenten Atletico Madrid mal eben für knapp 36 Millionen Franken den Weltklasse-Mann Arda Turan weg. Für 20 Millionen Franken posten die Katalanen zudem Aleix Vidal vom FC Sevilla.

Wie das geht, wird hier detailliert erklärt.

Wie sich das für die FIFA anfühlt, wird hier detailliert erklärt:

Animiertes GIFGIF abspielen
Der FC Barcelona zeigt der FIFA, was es von seiner Transfersperre hält. Lionel Messi beobachtet die Szene aus dem Hintergrund.gif: youtube/bigjoe7669
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6. Geld regiert die Welt

Wir sind bekanntlich unterbezahlte Schreibtischtäter und haben technisch nicht viel mehr drauf, als den lieben langen Tag mit unseren schmierigen Wurstfingern auf der Tastatur herumzuhacken – trotzdem werden wir nie verstehen, wie ein perfekt gesunder Fussballgott wie Robin van Persie sich mit 31 Jahren im Goldrausch vom europäischen Spitzenfussball verabschieden und zu Fenerbahce wechseln kann. 

Dieser Bub auch nicht.

Die wichtigsten Transfers im Sommer 2015

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26 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Gast
13.07.2015 15:17registriert Februar 2014
Bei dieser tendenziösen Berichterstattung muss ich wirklich mal eine Lanze brechen für Shaqiri. Er selbst hat nie die Absicht geäussert, den Klub zu verlassen. Vielmehr hat der Klub kommuniziert, dass Shaq keinen Platz mehr im Kader hat, was bei den meisten Inter Fans auf Unverständnis stiess. Schon die geringe Einsatzzeit gegen Ende der Saison war gemessen an seiner Leistung unerklärlich. Unter dem Strich ging dieses dem Verein und Spieler unwürdige Kapitel also von Inter aus und nicht von Shaq.
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StrangerBeast
13.07.2015 14:10registriert November 2014
Die englischen Spieler in der PL liegen echt auf der faulen Haut. Kein Wunder gibt es kaum englischen Export. Sie verbleiben lieber zuhause, weil das Geld auch stimmt. Das ganze Hin und Her mit Sterling machte ihn auch nicht gleich symphatisch... verständlich, wenn er nicht mehr bei Liverpool sein möchte (die jetzt mit Rodgers echt langsam zur sinkenden Titanic werden), aber die absurden Geldsummen...
& die ganze Geschichte rund um Casillas bricht mir das Herz. Er war nicht mehr der Beste, aber die treuste Seele die RM jemals hatte. They did him dirty. :'(
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Linus Luchs
13.07.2015 14:43registriert Juli 2014
"Vor einigen Jahrhunderten waren Schweizer Söldner dank ihrer bedingungslosen Treue als Krieger in ganz Europa geachtet", schreibt Alex Dutler. Das hat jetzt nichts mit Fussball zu tun, aber ich muss da einwenden: Diese Glorifizierung ist daneben. Die Schweizer Söldner waren für ihre Rohheit und unglaubliche Grausamkeit bekannt und berüchtigt und damit alles andere als ruhmreich und vorbildlich. Für die, die es konkreter wissen wollen:
http://www.zeit.de/2011/35/CH-Soeldnertum
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