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Bauskandal um Lötschbergtunnel weitet sich aus – es wird 52 Millionen teurer

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Ein Mitarbeiter überprüft die Schienen im Lötschbergtunnel.Bild: KEYSTONE

Bauskandal um Lötschbergtunnel weitet sich aus – es wird 52 Millionen teurer

15.10.2020, 01:0515.10.2020, 10:42
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Wie viel teurer wird's?

Die Sanierung des Lötschberg-Scheiteltunnels zwischen Kandersteg BE und Goppenstein VS dürfte länger dauern und teurer werden als bisher angenommen. Statt im Jahr 2022 gehen die Bauarbeiten, welche 2018 begannen, voraussichtlich im Jahr 2023 zu Ende.

Bisher wurden die Kosten mit rund 105 Millionen Franken angegeben. Doch stellt die Arbeitsgemeinschaft der Unternehmen, welche den Tunnel sanieren, Nachforderungen an die BLS. Würde die BLS diese Forderungen erfüllen, beliefen sich die Kosten auf 157 Millionen Franken. Das teilte die BLS-Medienstelle am Mittwoch auf Anfrage mit.

Diese 157 Millionen Franken seien aber eine Maximalforderung und würden vom Berner Transportunternehmen nicht akzeptiert. «Wir werden alles daran setzen, die Mehrkosten so gering wie möglich zu halten», schreibt die BLS-Medienstelle. Verhandlungen seien im Gang.

Die BLS-Medienstelle bestätigte mit diesen Aussagen eine Meldung der Sendung «Rundschau» des Schweizer Fernsehens vom Mittwochmorgen auf der SRF-Internetseite. Auch die «Berner Zeitung» und ihre Schwesterblätter berichteten über eine längere Dauer der Bauarbeiten und höhere Kosten.

Wieso wird's teurer?

In einem SRF-Interview respektive einem Videobeitrag sagt der Direktor des Bundesamts für Verkehr, eine so grosse Differenz zwischen ursprünglich angenommenen Kosten und effektiven Kosten sei zu viel. «Wenn man das Projekt von Anfang an seriös aufgegleist hätte, wäre wahrscheinlich von Beginn weg ein Kostenvoranschlag von 150 Millionen Franken herausgekommen», so Peter Füglistaler.

Peter Fueglistaler, Direktor vom Bundesamt fuer Verkehr, BAV, spricht an einer Medienkonferenz zur Weiterentwicklung des Bus- und des internationalen Bahnverkehrs, am Donnerstag, 19. Oktober 2017, in  ...
Peter Füglistaler.Bild: KEYSTONE

Dann hätte man das so vereinbart und finanziert. Nun sei dieser Umweg über eine schlechte Offerte und eine Aufarbeitung nötig und das sei ausserordentlich bedauerlich.

Grund für die Forderungen der Bauunternehmen an die BLS sind deren Angaben zufolge Lücken in der Ausschreibung der Bauarbeiten. Diese führten zu Interpretationsspielraum bei der Auslegung des Werkvertrags.

«Unsere Fachleute und auch extern hinzugezogene Fachpersonen haben bei der Prüfung der Angebote nicht gemerkt, dass Marti von anderen Annahmen ausging, als die BLS es tat», schreibt die BLS-Medienstelle. Die Berner Tunnelbaufirma Marti ist eines der mit der Sanierung beauftragten Unternehmen.

Eine interne Untersuchung der BLS habe mehrere Schwachstellen im Beschaffungsprozess aufgedeckt, schreibt die BLS weiter. Das Unternehmen wolle aus diesen Erkenntnissen lernen und die Abwicklung von Beschaffungsverfahren künftig so gestalten, dass es für komplexe Bauprojekte gewappnet sei. Damit meint die BLS etwa den weiteren Ausbau des Lötschberg-Basistunnels.

Was sagt die Baufirma?

Die Marti Tunnel AG hat nicht auf Anfragen reagiert.

Was muss am Tunnel gemacht werden?

Im 14.6 Kilometer langen Lötschberg-Scheiteltunnel lässt die BLS die Fahrbahn ersetzen. Das bisherige Trassee aus Holzschwellen und Schotter wird durch eine feste Fahrbahn aus Beton ersetzt. Die Fahrt wird so ruhiger und die Lebensdauer des Beton-Trassees ist grösser.

Vor allem Kunden des BLS-Autoverlads spüren die Sanierungsarbeiten. Sie müssen mit Wartezeiten rechnen, wobei dies von den Bauphasen abhängt, wie die BLS-Medienstelle am Mittwoch sagte. Während der Hochsaison fahren die Autoverladezüge an Spitzentagen mit voller Kapazität; so beispielsweise über die Festtage.

Was macht die BLS wegen des Blausees?

Unzulässig ab- respektive zwischengelagerter Bahnschotter auf dem Gelände eines Kieswerks in Mitholz BE unterhalb von Kandersteg hat unlängst für Schlagzeilen gesorgt. Nun reagiert die BLS. Der Schotter wird neu zuerst in geschlossenen Containern nach Kandersteg gebracht. Danach gelangt das Material per Bahn nach Mitholz.

HANDOUT --- Tote Forellen liegen im Wasser im Blausee, undatiert. In der Fischzucht des bekannten Ausflugsziels Blausee im Berner Kandertal ist es laut den Betreibern in letzter Zeit wiederholt zu mas ...
Die Besitzer des Blausees vermuten, dass der Aushub aus dem Lötschbergtunnel das Grundwasser vergiftete und für das Forellensterben verantwortlich ist.Bild: keystone

Dort wird er auf einem befestigten und laut BLS normkonform entwässerten Platz zwischengelagert und anschliessend per LKW nach Wimmis BE in eine spezielle Waschanlage gebracht. Auch werden Holzschwellen nicht mehr nach Belgien verkauft, sondern «gesetzeskonform entsorgt», wie die BLS schreibt.

Die Betreiber der Fischzucht am Blausee bei Mitholz glauben, dass giftige Stoffe aus dem Bahnschotter und den Holzschwellen in Mitholz ins Grundwasser gelangten und von dort in ihre Zucht. Mitte September gaben sie bekannt, Tausende von Fischen seien verendet. (sda)

Mehr zum Blausee:

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42 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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bruuslii
15.10.2020 02:22registriert April 2019
wer in der baubranche tätig ist, weiss dass das mittlerweile leider gang und gäbe ist.
wird nicht jedes schräubchen, jedes fingerkrumm machen und jede unüblichkeit mindestens 5 mal in jeder ausschreibungsunterlage erwähnt, kommt nachher die baufirma und stellt sich dumm.
natürlich ist es schwierig konkurenzfähige angebote zu machen, wenn dieser spielraum nicht ausgenutzt wird und ist somit in der natur der sache.
von daher weiss ich jetzt nicht so recht, ob mitleid gegenüber bls oder unverständnis der arge gegenüber - die dies wohl von anfang an wusste und samit rechnete - angebracht ist.
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marchinon
15.10.2020 09:06registriert April 2018
Laut Rundschau-Beitrag hat die Marti AG den Zusatz "...kann Nachforderungen stellen" in den Vertrag geschrieben. Wer zum Teufel hat von Seiten BLS diesen Vertrag geprüft und den Zusatz einfach so stehen lassen? Rausstreichen und das Ding ist gedeckelt. Die BLS hat komplett versagt, aber auch Füglistaler als Aufsichtsperson.

Ev. sollte man auch einfach mal das gesamte Ausschreibungswesen überdenken. Der Preis macht stets 30-40% der Gesamtbewertung aus. Logisch, dass da Schlupflöcher gesucht werden, um eine günstige Ausschreibung abzugeben und nachträglich zu kassieren.
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Nikl
15.10.2020 09:16registriert Juli 2019
Die sollen keinen Rappen mehr kriegen, bis sie alle Umweltschäden behoben und eine fette Strafe dafür bezahlt haben!
Marti ist eine der Unternehmungen mit den meisten Staatsaufträgen..... wenn da alles mit rechten Dingen zu geht/ging fress ich einen Besen!
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