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Computer-Panne bei green.ch: In fremdem Kundenkonto gelandet

Computer-Panne bei green.ch: Per Mausklick in fremdem Kundenkonto gelandet

Wegen eines mysteriösen Fehlers bei einem der grössten Internet-Provider des Landes erhielt ein watson-Leser Zugriff auf fremde Kundendaten. Green.ch spricht von einer Verkettung unglücklicher Umstände.
10.06.2016, 07:0210.06.2016, 10:11
Manuel Bühlmann
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Beim Versuch, eine Domain zum Schweizer Hosting-Provider green.ch zu transferieren, macht watson-Leser Ueli M. (Name der Redaktion bekannt) eine beunruhigende Entdeckung. Er erhält unvermittelt Zugriff auf ein fremdes Kundenkonto. 

Bei der betroffenen Firma handelt es sich um einen langjährigen Kunden von green.ch – ein international tätiges Unternehmen. Verfolgt man die Rechnungshistorie ein paar Jahre zurück, kumulieren sich die Kosten auf weit über eine Million Franken.

«Ich war völlig perplex, als mir bewusst geworden ist, dass ich in einem fremden Konto gelandet bin und es sich erst noch um einen so dicken Fisch handelt», erklärt Ueli M. gegenüber watson.

Wie Recherchen zeigen, hatte er Zugriff auf den gesamten «Kunden-Bereich», inklusive Rechnungshistorie. Ueli M. hätte demnach die Rechnungs-Versandart und das Passwort ändern können – was er aber in weiser Voraussicht unterlassen hat.

Screenshot aus dem Kundenbereich

Sowohl alle bezahlten, wie auch...
Sowohl alle bezahlten, wie auch...
screenshot watson
... alle offenen Rechnungen waren einsehbar. Rechnungsanschrift, Versandart und Passwort hätten  theoretisch verändert werden können.
... alle offenen Rechnungen waren einsehbar. Rechnungsanschrift, Versandart und Passwort hätten  theoretisch verändert werden können.screenshot watson

«Mir wurde es etwas mulmig. Einerseits, weil ich mich in einem fremden Konto bewegt hatte, andererseits, weil ich mir selber nicht mehr sicher war, ob meine Daten bei green.ch noch sicher sind», schildert Ueli M. sein Erlebnis. Bevor er sich ausgeloggt habe, machte er ein paar Screenshots. 

Firma verteidigt sich

watson hat bei green.ch den Fall des watson-Lesers geschildert und wollte von der verantwortlichen Kommunikationsleiterin Susanne Felice wissen, ob der Hosting-Provider von einer gravierenden Sicherheitslücke betroffen sei. 

Wie erklären Sie sich, dass Ueli M. vollen Zugriff auf ein fremdes Kundenkonto von green.ch erhalten hat?
Susanne Felice:
Es handelt sich im geschilderten Fall nicht um ein Kundenkonto, sondern um ein Rechnungsportal. Es dient ausschliesslich für die Ablage von Rechnungen. Dies ist ein entscheidender Unterschied.

Über green.ch
Das Unternehmen mit Hauptsitz in Brugg betreut eigenen Angaben zufolge 100‘000 Kunden in über 80 Ländern. Es beschreibt sich selber als einen der «führenden ICT-Dienstleister der Schweiz. Innerhalb der green.ch Gruppe betreibt die Green Datacenter AG das Rechenzentrumsgeschäft, während die green.ch AG Privat- und Unternehmenskunden mit hochwertigen Internetanbindungen, Hosted Services, Multimediadiensten und Datensicherungslösungen bedient. Die Unternehmensgruppe betreibt eine eigene hochverfügbare Infrastruktur sowie vier moderne Rechenzentren.» 
www.green.ch

Und wie ist es möglich, dass diese Daten Ihres Kunden von Fremden eingesehen werden konnten?
Wir haben umgehend den Vorgang untersucht und sind auf einen einmaligen Fehler gestossen, der nicht systematischer Natur ist. Dabei hat die Verkettung von drei Ursachen die entscheidende Rolle gespielt. Einerseits ein fehlgeschlagener Anmeldeprozess in einer seltenen Form, andererseits eine falsche Rückmeldung der Datenbank zu einem bestimmten Zeitpunkt sowie ein falsch benanntes Dokument des betroffenen Kunden. Nur in der Verkettung dieser drei Ereignisse war es möglich, dass eine falsche Kundenzuweisung geschah und einmalig das Rechnungsportal eines anderen green.ch-Kunden aufgerufen wurde. Der Vorfall betraf also einen einzelnen Kunden und war zu keiner Zeit auf andere Kunden übertragbar. Entsprechende Analysen belegen dies zweifelsfrei.

Die Sicherheit der Daten war also zu jedem Zeitpunkt gewährleistet?
Es bestand zu keiner Zeit ein Sicherheitsrisiko für den betroffenen Kunden, einzig die von uns fakturierten Rechnungen und damit zusammenhängende Leistungen waren einsehbar.

«Dass die Verkettung der Ereignisse zu einem Zugriff auf die Rechnungen eines Kunden geführt hat, bedauern wir ausserordentlich.»

Passwort und Rechnungsanschrift hätten sich problemlos ändern lassen...
Das stimmt, aber Berechtigungen, Personendaten oder andere sicherheitsrelevante Informationen werden von green.ch nicht in diesem Rechnungsportal angezeigt, sondern werden in isolierten Systemen verwaltet. Es sind auch keine Leistungen veränderbar oder löschbar. Und beim Passwort handelte es sich nur um jenes der Rechnungsablage.

Sie sind sich sicher, dass keine anderen Kunden davon betroffen waren?
Wir können mit Sicherheit ausschliessen, dass weitere Kunden davon betroffen waren. Die Sicherheit der bei uns gespeicherten Daten hat für uns höchste Priorität. Daher setzen wir auch auf allen Ebenen Systeme und Prozesse ein, um den Schutz zu gewährleisten. Dass die Verkettung der Ereignisse zu einem Zugriff auf die Rechnungen eines Kunden geführt hat, bedauern wir ausserordentlich. 

Welche Massnahmen planen Sie, um Ihre Kunden künftig besser zu schützen?
Wir investieren laufend in die Sicherheit unserer Systeme, sei es um Attacken abzuwehren, missbräuchliche Zugriffe zu verhindern oder ganz einfach die Verfügbarkeit unserer Leistungen zu gewährleisten. Aus dem vorliegenden Fall haben wir unmittelbar Konsequenzen gezogen: Wir haben das Rechnungsportal des betroffenen Kunden sofort vorsorglich gesperrt. Das Ereignis wurde untersucht, dokumentiert und binnen 90 Minuten wurden weitere Sicherheitsparameter hinzugefügt, obwohl ein erneuter Zugriff zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr möglich war.

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9 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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dumpster
10.06.2016 07:29registriert November 2015
Ja so ist das mit Software: auf dem Klo die Spühlung drücken und im Wohnzimmer geht das Licht an. 😉
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j0nas
10.06.2016 08:41registriert Juni 2015
Diese Erklärung ist ja Haarsträubend! Ein Falsch benanntes Dokument, eine Falsche Rückmeldung der DB. Also bitte. Offensichtlich hat die Applikation gleich mehrere Probleme. Und was soll bitteschön ein "fehlgeschlagener Anmeldeprozess in einer seltenen Form" sein? Ein unerlaubtes Zeichen eingegeben? Diese Erklärung liefert mehr Fragezeichen als Antworten.
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Donald
10.06.2016 07:44registriert Januar 2014
Green.ch würde lieber einen ihrer IT-Experten Klartext reden lassen, anstelle der Kommunikationsabteilung... wenn solche "Zufälle" möglich sind, besteht ein Sicherheitsrisiko. Dieser eine Fall hat es bewiesen. Dass dies einfach so hingenommen wird, sollte die Kunden nachdenklich stimmen. Transparenz von Green.ch wäre angebracht.
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