Es sind Rekorde, die niemand will: Jahr um Jahr steigt die Zahl der Menschen, die sich in der Schweiz mit sexuell übertragbaren Krankheiten anstecken. So auch im vergangenen Jahr. Egal ob Gonorrhoe, Syphilis oder Chlamydien: Alle Krankheiten breiteten sich rasant aus.
Allein 2018 steckten sich 2900 Schweizerinnen und Schweizer neu mit Gonorrhoe an, wie Zahlen des Bundesamts für Gesundheit zeigen. Damit hat sich die Zahl der als Tripper bekannten Krankheit in nur fünf Jahren verdoppelt. Chlamydien befinden sich ebenfalls auf Rekordniveau.
Ein Grund für die Zunahme sind Datingapps, die sich in den vergangenen Jahren ebenso rasant ausbreiteten wie die Geschlechtskrankheiten: Tinder & Co. haben es leichter und effizienter gemacht, neue Bekanntschaften zu schliessen.
Oder wie es Moderatorin Gülsha Adilji einmal treffend ausdrückte: «Tinder ist für Frauen, wie mit Dynamit zu fischen. Man eröffnet als Frau ein Profil – und zack – schon steht eine ganze Reihe Jungs vor der virtuellen Haustür.»
Wer auf dem Smartphone nach rechts wischt, ist interessiert – und wird schlimmstenfalls angesteckt. «Mehr Sex-Krankheiten wegen Datingportalen», heisst es deshalb in einem Bericht der deutschen Regierung, der bereits 2016 erschien.
Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO mahnt. Jährlich würden sich 78 Millionen Menschen mit dem Gonorrhoe-Erreger infizieren. Viele Erreger sind mittlerweile resistent gegen Antibiotika.
In der Schweiz sind städtische Gebiete am stärksten betroffen. Zürich, Genf und Basel weisen pro 100 000 Einwohner die meisten Neuerkrankungen aus. Oft handelt es sich dabei um 20- bis 34-Jährige. Zwar werden Kondome in dieser Altersgruppe gut genutzt, wie die Organisation «Sexuelle Gesundheit Schweiz» schreibt, nur bieten sie gegen Chlamydien, Tripper oder Syphilis keinen hundertprozentigen Schutz, da die Erreger auch durch Oralverkehr übertragen werden können.
Und es gibt ein weiteres Problem: Betroffene merken oft nicht, dass sie sich angesteckt haben, denn Krankheiten wie Chlamydien bleiben meistens ohne Symptome. Der Erreger kann bei Frauen wie Männern allerdings zu Unfruchtbarkeit führen. Wichtig sei deshalb, sich regelmässig testen zu lassen.
Das tut die junge Generation. «Zentren, die Tests auf Geschlechtskrankheiten anbieten, verzeichnen so viele Anfragen wie nie», berichtete zuletzt watson. Urs Karrer, Chefarzt Infektiologie am Kantonsspital Winterthur, ergänzte: «Es war noch nie so einfach wie heute, schnell einen Sexpartner zu finden.»
Da sich auf Datingplattformen viele Leute mit offenem Sexverhalten tummelten, sei es wahrscheinlich, dass der Liebhaber oder die Liebhaberin bereits viele andere Partner hatte. «Damit steigt das Risiko, auf einen infizierten Partner zu treffen.»
Die zusätzlichen Tests erklären einen Teil der Rekord-Zahlen. Trotzdem sind Forscher beunruhigt. Die Universität Bern kommt in einer kürzlich durchgeführten Untersuchung gemeinsam mit einem australischen Forschungsteam zum Schluss, dass mehr Tests nicht unbedingt zu weniger Infektionen führen.
Die Wissenschafter raten deshalb, die diagnostizierten Fälle besser zu behandeln. Oft würden weniger schwere Entzündungen ungenügend auskuriert – was zu weiteren Ansteckungen und unrühmlichen Rekorden führt. (aargauerzeitung.ch)