Über 400 Millionen Franken hat die Rüstungsschmiede Ruag möglicherweise dem Bund zu viel verrechnet, wie CH Media enthüllte. Das wäre weit mehr, als bisher vermutet wurde.
Der bundeseigene Betrieb soll dem Verteidigungsdepartement (VBS) angeblich jahrelang überhöhte Rechnungen für den Unterhalt des Flugparks (wie Kampfjets und Helikopter) in Rechnung gestellt haben. Und, so der Verdacht, das schlecht oder nicht rentierende zivile Geschäft querfinanziert haben.
Gestern reagierte der von CEO Urs Breitmeier geleitete Rüstungsbetrieb per Communiqué auf die Berichterstattung. «Ruag stellt dem VBS keine überhöhten Rechnungen», so der Rüstungsbetrieb.
Er verwies auf Preisprüfungen, die es schon seit langer Zeit gebe. «Sie werden sowohl intern vom VBS als auch extern von der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) durchgeführt. Darin wurde Ruag vertragskonforme Einhaltung der Verrechnungspraxis bestätigt.»
Auch den Vorwurf der Querfinanzierung weist die Ruag zurück. Und zwar mit einer auffallend vorsichtigen Formulierung: «Die EFK hat bei ihrer Prüfung keine Querfinanzierung festgestellt. Ruag verhält sich demnach vertragskonform», so die Pressemitteilung.
Die Ruag bestreitet zudem, dass ihr Gewinn bei den Bundesaufträgen die Schwelle der mit dem Bund vereinbarten 8 bis 10 Prozent überschritt. Das VBS habe bestätigt, dass die Ruag diese Vereinbarung eingehalten habe. «Die Gewinnmargen sind vertragskonform», so die Ruag.
So weit die Darstellung des Unternehmens. Ein Problem dabei: Dem Bund und seinen Prüfern fehlen nach wie vor zuverlässige Grundlagen, um die Ruag-Preise wirklich überprüfen zu können.
In ihrem Jahresbericht 2017 hielt die Eidgenössische Finanzkontrolle fest: «Die fehlende Transparenz bei der Abrechnung, welche die Ruag Aviation mit der Verwendung von fixen Pauschalpreisen begründet, verunmöglicht dem Auftraggeber die Kontrolle der Leistungen und der Abrechnung.» Und: «Die Ruag war noch nicht einmal in der Lage, der EFK Informationen über die Berechnung der Preise zu liefern.»
Politiker wollen allerdings nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. SP-Sicherheitspolitikerin Priska Seiler Graf (ZH) kritisiert: «Im Kern geht es um die Frage, ob die EFK das Recht hat, die Rechnung der Ruag zu durchleuchten. Die Ruag spricht der EFK dieses Recht schlichtweg ab, obschon die EFK ja die Finanzprüfstelle des Bundes ist.»
Das sei eine «äusserst schwache Position», denn: «Wenn nicht einmal der Eigner die Bücher der Ruag anschauen darf, so bleibt ein ungutes Gefühl zurück. Ohne EFK-Untersuchung ist es schlicht nicht zu beurteilen, ob die Vorwürfe gerechtfertigt sind.»
Beunruhigt ist auch SVP-Nationalrat Werner Salzmann, Präsident der Sicherheitskommission SiK. «Wenn es stimmt, dass zu viel verrechnet wird, dann braucht es Korrekturen. Dann muss das Konsequenzen haben.»
Primär seien nun die Geschäftsprüfungskommission GPK und die Finanzdelegation der Räte gefordert. Salzmann will die Sache aber bald an höchster Stelle thematisieren: «Ich werde die Frage am 20. Dezember bei der neuen Verteidigungsministerin Viola Amherd ansprechen», sagt der Berner. An diesem Tag findet die Schlüsselübergabe von VBS-Chef Guy Parmelin (SVP) an seine Nachfolgerin statt.
Insider gehen davon aus, dass es noch mehrere Jahre dauern wird, bis es allenfalls von aussen überprüfbare Berechnungsgrundlagen gibt.
Derzeit ist die Ruag dabei, ihre Geschäfte zu entflechten: in einen Bereich Maintenance, Repair and Overhaul (MRO) Schweiz und einen Bereich International. Ein Beiprodukt dieser Entflechtung könnten für die Prüfer zugängliche Zahlen über die einzelnen Kosten sein. MRO Schweiz soll die Aufgaben umfassen, die die Ruag für das Verteidigungsdepartement ausführt.
Die Sache ist trüb, und der Bund scheint nicht unschuldig. Bundesrat und Parlament führten die Ruag zuletzt bewusst an einer sehr langen Leine. So delegierte der Bundesrat in den letzten Jahren keine Staatsvertreter mehr in den Verwaltungsrat seines Rüstungsbetriebs. Bis ins Jahr 2007 sassen im damals siebenköpfigen Rat noch zwei Vertreter des Bundes: Einer aus dem VBS, einer aus dem Finanzdepartement.
Die SP bemängelte in den zuständigen Kommissionen seit Jahren immer wieder, die Nicht-Vertretung des Bundes sei gesetzeswidrig. Denn im Bundesgesetz über die Rüstungsunternehmen steht: «Der Bund ist seinen Interessen entsprechend im Verwaltungsrat der Beteiligungsgesellschaft vertreten.» (aargauerzeitung.ch)