Dhanya Chonedan will nach mehr als zehn Jahren Pause wieder arbeiten gehen. Am liebsten in der IT-Branche – denn sie hat einen Master-Abschluss in Computer Applications. Doch der Wiedereinstieg ist für die 42-jährige Inderin nicht einfach. Zum einen, weil sie lange nicht gearbeitet hat. Chonedan hat drei Kinder. «Ich bin deswegen nicht mehr auf dem aktuellen Stand im IT-Bereich», sagt sie. Eine weitere Hürde: Chonedan machte ihren Master-Abschluss in ihrem Heimatland. In die Schweiz kam sie im Jahr 2006 – mittels Familiennachzug, da ihr Mann eine Stelle als Ingenieur bei der ABB fand.
Englisch spricht Chonedan fliessend, Deutsch nur gebrochen. Nicht die besten Voraussetzungen für einen Neustart in die Berufswelt. Sie suchte nach Jobs, war beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum angemeldet – ohne Erfolg. Dann stiess sie auf das Pilotprojekt «MosaiQ» Aargau des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen der Schweiz (Heks). «MosaiQ» ist eine Fachstelle für qualifizierte Migranten und Migrantinnen aus Drittstaaten, die einen Hochschul- oder Universitätsabschluss haben oder grosse Erfahrung in ihrem Berufsfeld mitbringen.
Marion Weik leitet das Projekt, das vor einem Jahr lanciert wurde. Sie erklärt, was «MosaiQ» bedeutet: «Die Migranten kommen aus der ganzen Welt, sprechen verschiedene Sprachen und kommen hier zusammen – bunt wie ein Mosaik. Das Q steht für qualifiziert.»
Ziel des Projekts sei es, das Potenzial und die Ressourcen der Migranten auf dem Schweizer Arbeitsmarkt zu integrieren. Ausserdem wolle man so die Chancengleichheit fördern und dem Fachkräftemangel entgegenwirken. «Wir verstehen uns als Türöffner, Netzwerker und Vermittler», sagt Weik. Primär hilft «MosaiQ», indem die Berater Bewerbungsdossiers aufpeppen, nach Praktikumsstellen suchen oder eine Standortorientierung durchführen.
Dhanya Chonedan ist seit einem Jahr in Beratung bei «MosaiQ» – und arbeitet seit April als Praktikantin bei der Fachhochschule Nordwestschweiz in Brugg. «Ich bin zu 80 Prozent angestellt und erhalte sogar etwas Lohn», sagt Chonedan. Das Praktikum im IT-Sektor sei eine gute Gelegenheit, wieder auf den neusten Stand zu kommen. Ihrem Ziel, Software-Entwicklerin zu werden, sei sie näher gekommen. «Aber es war kein einfacher Weg». Projektleiterin Weik erklärt von den Problemen, mit denen Migranten zu kämpfen haben: «Für einige bedeutet der Umzug in die Schweiz einen plötzlichen Karriereeinbruch.» Vor allem bei Ärzten und Anwälten sei es schwierig, sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren. «Dokumente müssen angepasst, Diplome anerkannt werden. Das dauert meist lange und ist nicht immer erfolgreich.» Problematisch seien auch mangelnde Sprachkenntnisse und das fehlende Netzwerk. «Viele Stellen werden über Vitamin B vergeben – und über das verfügen die Migranten nicht.»
Die Situation scheint aussichtslos – laut der Projektleiterin sind Frust, Resignation oder sogar Depression bei vielen Migranten ein Thema. Auch Dhanya Chonedans Motivation war kurzzeitig auf dem Nullpunkt. Doch durch die Beratungen habe sie wieder Mut gefunden und ihr Selbstvertrauen sei grösser geworden. Die Inderin ist eine von 18 Personen, die momentan in Begleitung von «MosaiQ» sind. Nach einer kostenfreien Erstberatung findet die kostenpflichtige Begleitung einmal im Monat statt. Der Tarif sei erschwinglich und aufs Budget der Hilfesuchenden angepasst, sagt Projektleiterin Weik. «MosaiQ» wird durch Gelder des Heks finanziert, ebenso von privaten Spendern.
Nach Ablauf der zweijährigen Phase als Pilotprojekt soll «MosaiQ» evaluiert werden. «Die Weiterführung des Angebots ist geplant, aber natürlich abhängig von der Finanzierung», sagt Weik. Die Projektleiterin bleibt optimistisch: «Die Teilnehmerzahlen schwanken zwar je nach Jahreszeit. Aber in einer Untersuchung vor dem Start des Projekts wurde klar, dass für diese spezifische Zielgruppe ein Bedarf an Beratung besteht.» Insgesamt beanspruchten innerhalb eines Jahres 54 Personen aus 24 verschiedenen Ländern die Beratungsdienste von «MosaiQ».
Dhanya Chonedan wird bald ihr Praktikum abschliessen – und ist bereits auf der Suche nach einem neuen Job. «Am besten eine Festanstellung», sagt sie und lacht. (aargauerzeitung.ch)