Aus Sorge vor Gewalt hat die Kölner Polizei ihre Einsatzkräfte vor der umstrittenen Grosskundgebung von Anhängern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan aufgestockt. 2700 Beamte stehen in Bereitschaft.
An der für Sonntagnachmittag geplanten Kundgebung mit dem Titel «Ja zur Demokratie - Nein zum Staatsstreich» könnten nach Schätzungen der Polizei bis zu 30'000 Menschen teilnehmen. Vier Gegendemonstrationen sind angemeldet, unter anderem aus dem linken Spektrum sowie von Jugendorganisationen deutscher Parteien. Zeitgleich zu der um 14 Uhr beginnenden Kundgebung findet ein Demonstrationszug der rechten Partei Pro NRW durch die Innenstadt statt.
Angesichts der angespannten Lage und der hohen Zahl an Demonstranten forderte Kölns Polizeipräsident JürgenMathies weitere hunderte Einsatzkräfte an. Inzwischen stehen 2700 Beamte für den Einsatz bereit.
Nachdem er sich ein Verbot der Kundgebung zunächst offengehalten hatte, erklärte Mathies, er habe viele Gespräche geführt, um die «Versammlungs-, Gefährdungs- und Kräftelage» zu erörtern. Insbesondere vor dem Hintergrund der Kräfteaufstockung komme ein Verbot rechtlich nicht in Betracht.
Demonstrationen gehören zur Demokratie
Im Sender WDR kündigte Mathies an, «sofort und konsequent» gegen Gewalt einzuschreiten. «Beim Zusammentreffen von Linksextremisten und Rechtsextremisten müssen wir leider immer davon ausgehen, dass nicht nur Meinung geäussert wird», sagte er.
Als Redner bei der Kundgebung wird unter anderem der türkische Sportminister erwartet. Einen geplanten Auftritt des türkischen Aussenministers habe er verhindern können, sagte Mathies.
Innenpolitische Spannungen aus der Türkei nach Deutschland zu tragen und Menschen mit anderen politischen Überzeugungen einzuschüchtern, «das geht nicht», sagte Aussenminister Frank-Walter Steinmeier der «Süddeutschen Zeitung». In Deutschland gebe es dafür keinen Platz, «und das werden wir auch nicht zulassen».
«Wir erwarten, dass sich die Teilnehmer in Köln an Recht und Gesetz halten», mahnte Unionsfraktionschef Volker Kauder in der «Passauer Neuen Presse» und sprach sich gegen ein Verbot der Grosskundgebung aus. «Demonstrationen gehören zu unserer Demokratie, auch wenn einzelne Aussagen von Demonstranten schwer zu ertragen sein mögen.»
Erdogan kritisiert
Grünen-Chef Cem Özdemir sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, Demonstrationen für oder gegen die türkische Führung müssten in Deutschland «auf dem Boden unserer Rechtsordnung» stattfinden. Er beklagte Einschüchterungsversuche im Vorfeld der Demonstration.
Derweil warf Erdogan Deutschland und Österreich mangelnde Meinungsfreiheit vor. Die in beiden Ländern lebenden Türken dürften nicht protestieren, sagte Erdogan. Ihnen sei es gar verboten worden, die türkische Flagge vor ihren Häusern zu hissen. Allerdings gibt es kein Flaggenverbot. Mathies wies die Kritik zurück: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Erdogan hier auch nur ansatzweise Recht hat.» (sda/afp/dpa)