Lieber Herr Fehr
Kürzlich ist mir ein Zitat untergekommen und daran musste ich heute Morgen wieder denken. Und an Sie. Das Zitat ist von Mark Twain und es geht so: «Fange nie Streit an mit Leuten, die die Tinte fässerweise kaufen.»
Heute müsste man Tinte wohl durch Bandbreite und Fässer durch Terabyte ersetzen, jedenfalls explodiert meine Social-Media-Bubble grad. Grund ist die «Republik»-Geschichte mit dem Rätsel-Titel «Majestätsbeleidigung». Darin erzählen Carlos Hanimann und Michael Rüegg die Geschichte, wie Sie angeblich die Ihnen unterstellte Kantonspolizei nach einem Mann haben fahnden lassen, der Ihnen anlässlich eines Fussballspiels Bier über den Kopf gegossen hat.
Sie kommen nicht so gut weg in der Geschichte und ich bin ziemlich sicher, dass sie ein bisschen drehen wird. Aber nicht nur wegen der Fahndungssache, sondern weil auch drinsteht, wie Sie telefonisch oder per Mail direkt bei den Journalisten oder deren Vorgesetzten oder gleich bei allen gleichzeitig intervenieren, wenn Sie sich ungerecht behandelt fühlen. Und das scheint oft der Fall zu sein.
Sie werden heute auch bei der «Republik» anrufen wollen, ich rate Ihnen aber, es nicht zu tun. Denn ich glaube, bei der Republik-Geschichte geht's nicht nur um die Bierduscher-Fahndung. Es geht mindestens so sehr um die Anrufe.
Einer nicht zu vernachlässigenden Zahl linker Zürcher Medienvertreter, die mit der SP oder der AL sympathisieren, geht es gehörig auf den Wecker, dass sich ein kantonaler SP-Regierungsrat in Sachen Asyl-Praxis, IMSI-Catchern oder «Burka-Verbot» nicht ausschliesslich und sklavisch an die im städtischen Kreis 4 vorherrschenden Vorstellungen hält. Es ist vielleicht auch kein Zufall, dass der eine der beiden Autoren von «Majestätsbeleidigung» der Sprecher ihres SP-Vorgängers Markus Notter war und die «Republik» ihr Büro an der Langstrasse hat.
Was den Journalistinnen und Journalisten aber noch mehr auf den Wecker geht, ist, wenn man sie oder ihre Chefs zu jeder Tages- oder Nachtzeit anruft und sich wortreich über ihre Arbeit beschwert. Man könnte fast sagen: Da geht es uns nicht anders als Ihnen. Wenn dann der Ärger über Ihre Politik und der Ärger über Ihre Anrufe zusammen kommen und vor sich hin gären, dann wird es immer wieder so rauskommen, wie heute: Es hauen alle mit drauf und nehmen die Unschuldsvermutung vielleicht ein bisschen weniger ernst, als bei anderen.
Das ist schlecht für Sie.
Wäre ich Ihr Sprecher, würde ich Ihnen raten, schlechte Presse gelassen zu nehmen, sofern sie keine rufschädigend falsche Faktendarstellungen enthält. So wie Valentin Landmann zum Beispiel.
Den habe ich in einem Portrait mal dermassen persönlich verrissen, dass ich mich danach zwei Monate nicht mehr traute, ihn anzurufen. Als der Anruf wegen einer anderen Sache dann unvermeidbar wurde, machte ich mich auf einen saftigen Zusammenschiss gefasst. Aber der kam nicht. Stattdessen fragte er nur: «Warum haben Sie mich nicht darauf hingewiesen, dass ich auf dem Foto den versilberten Oberschenkel-Knochen falsch herum halte? Das hat mich geärgert, als ich es gesehen habe.»
Wegen dieser demonstrativen Milde bin ich – und ich bin wohl nicht der Einzige, dem es so geht – Landmann gegenüber nun vielleicht zugetaner, als für eine unvoreingenommene Berichterstattung gut ist. Aber für ihn ist es auf jeden Fall gut.
Ich empfehle, Sie nehmen sich ein Beispiel.
Freundliche Grüsse
Maurice Thiriet, Tel. 044 508 39 39