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In Belarus freigelassene Natallia Hersche ist zurück in der Schweiz

«Folter durch Radio»: In Belarus freigelassene Natallia Hersche ist zurück in der Schweiz

18.02.2022, 18:0018.02.2022, 20:19
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Die nach 17 Monaten Gefangenschaft in Belarus freigelassene Natallia Hersche ist am Freitag am Flughafen Zürich angekommen. Die schweizerisch-belarussische Doppelbürgerin war nach einer Protest-Demonstration gegen Machthaber Alexander Lukaschenko verhaftet und verurteilt worden.

Hersche wurde am Freitag gegen 17.30 Uhr in Zürich-Kloten am Flugzeug von Johannes Matyassy empfangen, dem stellvertretenden Staatssekretär im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und Direktor der konsularischen Direktion.

Die Freilassung aus dem Gefängnis von Mogiljow im Osten von Belarus hatte am Freitagvormittag bereits Bundespräsident und Aussenminister Ignazio Cassis über Twitter bekannt gegeben. Natallia Hersche sei von ihrem Bruder und der neuen Schweizer Botschafterin in der belarussischen Hauptstadt Minsk, Christine Honegger Zolotukhin, empfangen worden.

Kein «Deal» zwischen Bern und Minsk

Es habe keinen «Deal» gegeben zwischen Belarus und der Schweiz für die Freilassung von Hersche, betonte Matayssy am Freitagabend vor den Medien am Flughafen Zürich-Kloten. Minsk habe keine Bedingungen gestellt, und die Freigelassene könne jederzeit wieder nach Belarus einreisen.

Hersches Freilassung seien intensive und sich über fast eineinhalb Jahre dauernde Bemühungen des EDA und von Cassis vorangegangen, hiess es in einer Mitteilung des Departements.

Seit Beginn ihrer Festnahme im September 2020 und ihrer Verurteilung zu zweieinhalb Jahren Haft seien die zuständigen Stellen in engem Kontakt mit Hersche, ihrer Familie und den Behörden in Belarus gewesen und hätten an möglichen Wegen gearbeitet, um eine Freilassung zu erwirken. Vertreter der Schweizer Botschaft in Minsk besuchten Hersche demnach 14 Mal.

Natallia Hersche hatte am 19. September 2020 in Minsk an einer Protestkundgebung gegen das Regime des Langzeit-Machthabers Alexander Lukaschenko teilgenommen und war verhaftet worden.

Folter durch Radio

Nach den manipulierten Wahlen in Belarus vom August 2020 sind immer wieder Tausende auf die Strasse gegangen, und die Sicherheitskräfte haben brutal durchgegriffen, mehrere Menschen starben durch Misshandlung und Folter.

Auf eine Journalistenfrage am Flughafen Zürich-Kloten, ob sie in den belarussischen Gefängnissen gefoltert worden sei, sagte Hersche: «Den ganzen Tag über lief sehr laut das Radio in meiner Zelle – Musik, Nachrichten, Reden von Lukaschenko - alles. Erst abends um zehn hörte das auf.» Das sei ein grosser Stress gewesen.

«Aber ich bereue nichts», sagte Hersche mit russischem Akzent über ihr politisches Engagement. Sie sei am Freitagmorgen im Gefängnis geweckt worden. «Fünf Minuten zum Essen und fünf Minuten zum Anziehen», sei ihr gesagt worden. Danach wurde sie in die Hauptstadt Minsk gefahren.

Appell an die Schweiz

Sie sei jetzt frei dank den Bemühungen der Schweizer Regierung. Und sie hoffe, dass die Schweiz sich auch für andere Menschen in den Gefängnissen von Belarus einsetzen werde. Das werde sie tun, bekräftigte Matyassy.

Im Februar 2021 hatten 83 Schweizer Parlamentarierinnen und Parlamentarier in einem offenen Brief die Freilassung Hersches und weiterer politischer Gefangener in Belarus gefordert.

Und die Menschenrechtsorganisation Libereco hatte bereits nach der Festnahme Hersches eine Petition mit 9500 Unterschriften beim EDA eingereicht. Cassis wurde damals aufgefordert, sich direkt bei Lukaschenko um deren Freilassung zu bemühen.

«Letzter Diktator Europas»

Lukaschenko, der frühere Politoffizier der Sowjetarmee und Unterstützer des Putsches gegen den damaligen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow, ist seit 1994 Präsident von Belarus und hat sich mehrmals in vom Westen als nicht demokratisch bezeichneten Wahlen im Amt bestätigen lassen.

Wegen seines autoritären Regierungsstils bezeichnen Politikwissenschaftler und Beobachter Lukaschenko als «letzten Diktator Europas». Mit mehreren als undemokratisch eingeschätzten Volksabstimmungen hat er den Rat der Republik und das als Repräsentantenhaus bezeichnete Parlament entmachtet. (sda)

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7 Kommentare
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Salvatore_M
18.02.2022 20:33registriert Januar 2022
Frau Hersche sieht gezeichnet aus. Hoffentlich ist ihr in der Haft nicht zu Schlimmes widerfahren. Denn es gibt schreckliche Geschichten von Frauen, welche 2020 wie Frau Hersche, einfach auch nur an Demonstrationen teilgenommen hatten oder sich zufällig in der Nähe aufgehalten hatten, und dann festgenommen wurden. Ein absolutes Unrechtsregime herrscht da.
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Hierundjetzt
18.02.2022 19:00registriert Mai 2015
Und wo blieb nun das Engagement Fasel Röne? Ischhockey Chef und peinlichster Schweizer des Jahres? Nirgends Ausser Umarmung eines Diktators wieder mal nichts gewesen.

Hersches Inhaftierung dauerte viel zu lange!! Jeder Schweizer Drogendealer in Südamerika kommt früher frei. 17 Monate! Für nichts!!

Oh wait, diesesmal musssten wir ohne Hilfe der Italiener oder Deutschen auskommen🤭…und bäm Schweizerin verottet, weil wir unfähig sind

PS He Trychlers: DAS ist eine Freiheitskämpferin!
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