Die Altersvorsorge der Schweizer Bevölkerung – neben Corona wohl eine der Rekordhalter-Debatten im Leutschenbach. In 35 SRF-«Arenas» wurde bereits darüber diskutiert. Am Freitagabend lud die Ferienvertretung von Sandro Brotz, Mario Grossniklaus, zur 36. Renten-«Arena». Und so sicher wie das Amen in der Kirche, wird es auch nicht die letzte sein. Denn die Schweiz wartet seit 1995 auf eine Reform.
Seit 26 Jahren fand weder das Parlament noch das Volk einen Konsens. Der letzte Versuch scheiterte 2017. Vier Jahre später wagt es das Parlament erneut. Die Zeit drängt: Bis 2030 fehlen der AHV gemäss Berechnungen des Bundes rund 26 Milliarden Franken. Der Bundesrat schlägt vor, dass das Rentenalter der Frauen von 64 auf 65 erhöht wird. Dadurch soll zusätzliches Geld in die AHV-Kasse fliessen. Doch die Rentenaltererhöhung der Frauen ist der Linken ein Dorn im Auge.
Auftritt Regula Rytz: «Frauen haben im Durchschnitt 20'000 Franken weniger Rente. Sie verdienen weniger, haben aufgrund von Teilzeitjobs und Familienbetreuung weniger Rentenkapital angespart.» Diese Diskriminierung müsse beseitigt werden, bevor das Rentenalter der Frauen erhöht werden darf, so die Grünen-Nationalrätin.
Rytz’ Nationalratsgspändli Albert Rösti sieht das anders. «Unser Ziel ist die Sanierung der AHV. Wir kommen nicht umhin, das Rentenalter für die Frauen zu erhöhen.» Wie eine Katze, die im Gebüsch zum Sprung ansetzt, schiesst auf Röstis Statement Daniel Lampart aus der Defensive. Der Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) lässt bereits mit seinen ersten Sätzen nichts anbrennen.
«Ich weiss nicht, wo Sie leben, dass Sie anstatt die Rentensituation der Frauen zu verbessern, ihnen noch mehr Sachen wegnehmen wollen», sagt Lampart wild gestikulierend. Er habe vor Corona eine 55-jährige Pöstlerin getroffen, die ihn von ihrer aussichtslosen Situation erzählt habe. «Sie begann zu weinen und sagte mir, dass sie mit AHV und der zweiten Säule nach der Pension kaum über die Runden kommen werde und um in die dritte Säule zu bezahlen, habe sie zu wenig Geld.»
Lamparts Gefühlsausbruch lässt SVP-Nationalrat Rösti nicht einfach so auf sich sitzen. «Ich weiss nicht, wo Sie leben», nimmt er Lamparts Frage auf, «wenn Sie es für klug halten, eine Sanierung der AHV um jeden Preis zu verhindern». Dass Frauen neu mit 65 pensioniert werden sollen, das sei nur eine von vielen Massnahmen. «Die Frauen bezahlen nur 30 Prozent der Sanierung. Der Rest ist mit der Mehrwertsteuererhöhung und der Flexibilisierung des Rentenalters auf alle Schultern verteilt.»
Der SGB-Chefökonom lässt sich von Röstis Ausführungen nicht beeindrucken und spielt seinen nächsten Trumpf aus: Über 300'000 Unterschriften hätten die Gewerkschaften innerhalb einer Woche gegen die AHV-Reform im Netz gesammelt. «Die Frauen lassen sich nicht mehr einfach alles bieten.»
Für Rösti in die Bresche springt nun Regine Sauter. Die FDP-Nationalrätin stört sich daran, dass die ganze Diskussion über die AHV-Reform zur Frauendiskussion verkommt. «Ich streite überhaupt nicht ab, dass es noch immer Ungleichheiten gibt. Aber jetzt und heute geht es um die Sicherheit unserer Sozialwerke und die Sanierung der AHV.» Man gebe Geld aus, das man nicht habe. «Die AHV ist auf Pump finanziert. Die Jungen, erwerbstätigen Leute haben ohne Reform das Nachsehen und müssen dann die Löcher stopfen.»
Nach Sauters Satz ist eine gute halbe Stunde verstrichen. Und ab da dreht sich die Diskussion im Kreis. Kompromissbereit ist man bei der Flexibilisierung des Rentenalters (wer sich also erst mit 70 pensionieren lassen will, soll das tun) und bei der Erhöhung der Mehrwertsteuer. Das Rentenalter der Frauen aber wird zum Gordischen Knoten. Und den vermag auch Moderator Grossniklaus nicht zu zerschlagen.
Alternative Vorschläge, die AHV zu sanieren, werden nur am Rande erwähnt. Regula Rytz versucht es ganz zum Schluss mit der Erhöhung der Erbschaftssteuer. Und Regine Sauter erwähnt die Überlegung, mit den Reserven der Schweizerischen Nationalbank einen Teil der AHV zu sanieren. Für die FDP-Nationalrätin aber keine valable Option. In ihren Augen dürfe eine Nationalbank nicht zweckgebunden sein.
Die Zuschauenden bleiben ratlos zurück. Kratzen sich womöglich am Kopf und fragen sich: Scheitert die nächste Reform womöglich, bevor sie überhaupt vors Volk kommt?
Einzig die letzte Moderator-Frage an die Gästerunde lässt etwas optimistischer in die Zukunft blicken. «Glauben Sie, dass wir innert nützlicher Frist eine gute und nützliche Rentenreform in diesem Parlament zustande bringen?» Immerhin drei der vier Studio-Gäste konnten diese Frage mit «ja» beantworten.
Die eine hat an einer Uni bis 68 gearbeitet, die andere hat sich ebenfalls in Führungspositionen bewegt und die jüngste geht ins Gymi.
Probleme haben die Frauen welche das leben lang nur schlecht verdient haben und nicht in eine 2te Säule einzahlen können. Von einer dritten ganz zu schweigen.
Es ist schwierig ein Problem zu besprechen ohne direkt betroffene dazu zu befragen.