15
Prozent des weltweiten Wagniskapitals fliessen nach Israel. Wie erklären Sie
das?
Nach dem
Silicon Valley ist Israel die zweitwichtigste Quelle der Innovation
geworden. Das betrifft eine breite Palette von Bereichen. Wir sind führend im
Bereich der Cyber-Sicherheit und bei selbstgelenkten Fahrzeugen. Das ehemalige
Start-up Unternehmen Mobileye ist soeben für 15 Milliarden Dollar von Intel
gekauft worden. Drohnen, Machine Learning, künstliche Intelligenz,
Halbleiter-Technologie, Landwirtschaftstechnologie und digitales
Gesundheitswesen – in all diesen Gebieten haben wir interessante Start-ups
anzubieten. Kein Wunder also, sind wir ein begehrter Ort für Wagniskapital.
Von
welchen Summen sprechen wir?
Letztes Jahr waren es fast fünf Milliarden Dollar, die
in rund 1000 Unternehmen investiert wurden. Dieses Jahr werden es noch mehr
sein.
Warum
gedeihen die Start-ups gerade in Israel so prächtig?
Die Armee spielt eine grosse Rolle. Israel ist ein
Land mit einer ausgeprägten Risiko-Kultur. Das gilt ganz speziell für die
Armee. Wir leben in einen Land, dass täglich in seiner Existenz bedroht ist.
Die
Armee hat eine eigene Truppe von IT-Spezialisten, den Unit 8200. Er gilt als
eine Art Trainingslager für die Start-ups. Stimmt das?
Ja. Die Soldaten erwerben dabei nicht nur Fachwissen.
Sie erwerben eine spezielle Risiko-Kultur. Dabei lernen sie, dass Versagen
nicht bestraft wird. Wir haben hier sogar so genannte «suck up nights»
Veranstaltungen, an denen die Teilnehmer über ihre grössten Flops berichten.
Dabei gibt es einen eigentlichen Wettbewerb, wer am meisten Stuss verbrochen
hat. Das mag für Ihre Ohren eigenartig tönen, denn für die meisten
Gesellschaften ist das Versagen ein schmutziges Wort. Nicht bei uns. Es ist ein
Teil des Spiels.
Welche
Rolle spielt der Staat in der Start-up-Szene?
Eine sehr wichtige. Der Staat unterstützt die Armee
und unser erstklassigen Universitäten. Wir haben staatlich unterstützte
Forschungsprogramme, wir haben drei Dutzend staatlich unterstützte Inkubatoren.
Der Staat organisiert zwischenstaatlich Forschung mit den USA und der EU. Und
am wichtigsten: Unser Steuersystem ist sehr unternehmerfreundlich, leider nicht
ganz so unternehmerfreundlich wie in der Schweiz.
Wenn
wir von der Schweiz sprechen: Israel hat etwa gleich viele Einwohner. Warum
haben wir nicht die gleiche Start-up-Kultur?
Die Schweiz ist sehr gut, wenn es um grosse Unternehmen
geht. Wir sind eine Start-up Nation, aber die Schweiz ist eine Scale-up Nation.
Wenn es um langfristige Planung geht, können wir sehr viel von Euch lernen. Auf
diesem Gebiet seid Ihr unglaublich. Wir hingegen sind sehr gut im Improvisieren,
und wenn es darum geht, das Unmögliche möglich zu machen. Wir sind eine Nation
des Wunders. Das können Sie schon in der Bibel nachlesen.
Sie
haben auch schon die Rolle der jüdischen Mutter in der Start-up Nation betont.
Was genau meinen Sie damit?
Jüdische Mütter prahlen gerne mit den Taten ihrer
Kinder. Das löst eine Dynamik aus: Sholom hat das und das geleistet, bekommt
der Sohn zuhause von seiner Mutter zu hören. Und was ist mit dir? Warum nimmst
du diesen lockeren Job bei Google an? Stell doch etwas Eigenes auf die Beine. Gelegenheit
dazu gibt es reichlich. Wir müssen das Land nicht verlassen, wenn wir etwas
Eigenes gründen wollen.
Mit
Ihrer Firma Our Crowd wollen Sie es auch dem Kleinanleger ermöglichen, in israelische
Start-ups zu investieren. Wie genau funktioniert das?
Start-ups sind an keiner Börse kotiert. Sie können
also nicht auf ihre Bank gehen und sagen: Kaufen Sie mir diese oder jene Aktie.
Deshalb haben wir eine Plattform eingerichtet, die von erfahrenen Profis
geleitet wird. Dort kann man sich mit einer Mindestsumme von 10'000 Dollar
beteiligen.
Wie
ist die Resonanz?
Wir haben mittlerweile mehr als 400 Millionen Dollar
Kapital und sind damit der aktivste Investor im israelischen Ökosystem. Unser
Portfolio umfasst 120 verschiedene Start-ups – und wir wachsen sehr schnell.
Bisher haben vor allem Banken und Pensionskassen in Start-ups investiert. Mit
Our Crowd kann auch der Kleinanleger am israelischen Start-up-Wunder teilnehmen.
Auch
wenn man Schweizer ist?
Selbstverständlich. Bisher haben wir zwar noch vor
allem Investoren aus den USA und aus Asien. Doch wir wollen vermehrt auch
Kunden aus Europa, speziell Deutschland, Österreich und der Schweiz ansprechen.
Unser Angebot ist in Zeiten, in denen Banken Negativzinsen eingeführt haben,
sehr attraktiv geworden.