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National League: Wie der EV Zug 1998 seinen bisher einzigen Titel holte

Ein Zuger Spieler stemmt am Samstagabend, den 11. April 1998, in der Davoser Eissporthalle den Meisterpokal in die Hoehe. Der EV Zug bezwang zuvor den HC Davos im sechsten Final-Playoff-Spiel mit 2:5  ...
EVZ-Captain André Rötheli stemmt nach der grossen Erlösung den Meisterpokal.Bild: KEYSTONE

Die grosse Erlösung – wie der EVZ 1998 seinen bisher einzigen Meistertitel holte

In den ersten zwölf Playoff-Jahren hatten Lugano, Bern und Kloten je viermal den Titel geholt. 1998 brach der EV Zug in diese Phalanx ein und holte seinen bis heute einzigen Meistertitel.
30.03.2020, 16:57
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Die Playoffs von 1998 verliefen aus vielerlei Gründen bemerkenswert. Der erste Versuch mit dem Modus «Best of 7» war in der NLA 1993 gescheitert. Damals wollte niemand wochenlang die gleichen (unausgeglichenen) Paarungen sehen. Der zweite Versuch fünf Jahre später sorgte für Begeisterung: Alle Viertelfinalserien (Zug - Rapperswil 4:3; Fribourg - Kloten 4:3; Davos - Lugano 4:3; Ambri - Bern 4:3) und ein Halbfinal (Zug - Ambri 4:3) wurden erst im siebten Spiel entschieden.

Zum spannenden Verlauf der Playoffs passte das kitschige Ende. Der EVZ nützte nach zwei verlorenen Finals (1995 und 1997) seine letzte Chance. Nach dem Titelgewinn verliessen mehrere Leistungsträger den Klub. Und Zug dürfte auf ewig der einzige Schweizer Meister bleiben, der in den Playoffs in Unterzahl (9 Shorthander) besser war als im Powerplay.

SRF-Bericht über den EVZ-Titel im Final gegen den HCD – Teil 1.Video: YouTube/batigol91
SRF-Bericht über den EVZ-Titel im Final gegen den HCD – Teil 2.Video: YouTube/batigol91

Nicht nur deshalb war Zugs Krönung eine der ungewöhnlichsten Storys im Schweizer Hockey. Davos, Bern und Kloten waren schon Meister, bevor die Geschichte des EV Zug 1967 überhaupt begann. Innert 30 Jahren nach der Gründung gelang in der Nachkriegszeit nur Villars und Langnau ebenfalls der Titelgewinn.

Ganz Zug feiert ausgelassen

Zug spielte kanadisch. Die Ausländer (Wes Walz, Bill McDougall, Chris Lindberg, John Miner) und die Trainer (Sean Simpson, Bob Leslie) waren Kanadier, Misko Antisin und Colin Muller ausserdem Doppelbürger.

Unmittelbar nach Spielende bejubeln die Spieler des EV Zug am Samstag abend, 11. April 1998, in der Davoser Eissporthalle ihren Triumph. Der EV Zug bezwang zuvor den HC Davos im sechsten Final-Playoff ...
Ekstase in der Davoser Eissporthalle.Bild: KEYSTONE

Präsident und Mäzen Fredy Egli baute das Meisterteam auf - und schenkte, als Novum, jedem Meister nach NHL-Manier einen vom Zuger Künstler Urs Bischof geschaffenen Meisterring. Egli hielt niemanden «contre-coeur» in Zug. Trainer Jim Koleff und der jetzige Nationalcoach Patrick Fischer zogen vor Zugs Meistersaison nach Lugano. Dafür startete Koleffs Assistent Sean Simpson in der Innerschweiz seine grosse Trainerkarriere, und Marco Fischer, der weniger bekannte Bruder von Patrick, erzielte im entscheidenden Playoff-Final gegen Davos das 1:0.

Dem grossen Triumph in Davos folgte eine lange Freinacht in Zug. Hupkonzerte, verstopfte Strassen und überall euphorische Fans. Die Bossardhalle gegenüber dem Herti-Stadion, in der das Spiel auf Grossleinwand übertragen wurde, platzte aus allen Nähten. Als die Mannschaft mehr als zwei Stunden nach Mitternacht aus Davos zurückkehrte und mit dem Pokal in die jubelnde Zuger Fangemeinde eintauchte, schien das gute alte Herti-Stadion zu explodieren. 3000 bis 4000 Fans hatten bis zu diesem grossen Moment ausgeharrt.

Umringt von Hunderten von Fans und Medienleuten stemmt ein Zuger Spieler am 11. April 1998 in der Davoser Eissporthalle den Meisterpokal in die Hoehe. Der EV Zug bezwang zuvor den HC Davos im sechsten ...
Nur der Schirmständer ragt aus der Masse heraus.Bild: KEYSTONE

Der Exploit der Problemkinder

Zugs Titelgewinn war eine Zangengeburt: In der Viertelfinal-Serie drohte dem Qualifikationssieger gegen Rapperswil-Jona das Aus. Die Zuger unterschätzten den Gegner und kamen erst in der Overtime von Spiel 7 weiter, auch weil Rapperswil in der «Belle» Stamm-Goalie Claudio Bayer (gesperrt) durch den völlig unerfahrenen Remo Wehrli hatte ersetzen müssen. In der Halbfinalserie gegen Ambri-Piotta lag Zug nach einer 1:7-Heimniederlage in Spiel 5 ebenfalls mit 2:3 zurück.

Sean Simpsons Meisterstück war, dass er nach dem 1:7 gegen Ambri an Goalie Ronnie Rüeger festhielt. Rüeger startete als Nummer 2 in die Saison, verdrängte Patrick Schöpf aber zusehends. Rüeger spielte in den Playoffs zwar selten herausragend, doch das Finalduell gegen Nando Wieser entschied er klar für sich.

Zugs Trainer Sean Simpson applaudiert seinem Team zum Ende der sechsten Final-Playoff-Partie zwischen dem HC Davos und dem EV Zug vom Samstag, 11. April 1998, in der Davoser Eissporthalle, waehrend im ...
Meisterheld Sean Simpson.Bild: KEYSTONE

Die Hauptrolle spielten aber die Kanadier, angeführt von Topskorer Walz und McDougall, der im Final nicht mehr zu halten war. Es war kein Zufall, dass Problemkinder wie Misko Antisin und McDougall ihre besten Jahre in Zug erlebten.

McDougall erzielte in den 20 Playoff-Partien 16 Goals und 11 Assists. Im ersten Final gegen Davos gelang ihm ein Hattrick. Auf den Tag genau ein Jahr vorher hatte sich McDougall während der Halbfinalserie gegen Davos eine wilde Nacht geleistet, die ihm eine Anzeige wegen Trunkenheit am Steuer und im Boulevard den Übernahmen «Whisky-Bill» eintrug. (pre/sda)

Geplatzte Meisterträume:

Der «Mysports»-DOK über den EVZ von 2019.Video: YouTube/MySports
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7 Kommentare
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Mia_san_mia
30.03.2020 18:18registriert Januar 2014
Das Tor in der Verlängerung gegen Rappi vergesse ich nie mehr 😔
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7
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