Ein Zusammenschluss von mehr als 80 Faktencheck-Organisationen auf der ganzen Welt drängt die Google-Tochter YouTube, endlich ernsthaft gegen die Verbreitung von Covid-Falschinformationen vorzugehen. Denn diese herrschten auch nach zwei Jahren Pandemie auf der Plattform vor.
«Dicke Post» für Susan Wojcicki.
Mehr als 80 bekannte und unabhängige Organisationen, die sich dem Kampf gegen Fake News widmen, richten nun einen eindringlichen Appell an die oberste YouTuberin.
Die 53-jährige US-Amerikanerin polnischer Abstammung war ab 1999 erste Marketing-Managerin von Google, seit Februar 2014 ist sie CEO – sprich Chefin – von YouTube.
Damit gehört sie zur obersten Führungsriege des mächtigen Internetkonzerns. Und sie steht in der Verantwortung, was die Verbreitung von Hass, Unwahrheiten und Desinformation auf der populärsten Videoplattform der Welt betrifft.
Die Welt habe immer wieder erlebt, «wie destruktiv Desinformation und Fehlinformation für den sozialen Frieden, die Demokratie und die öffentliche Gesundheit sein können», heisst es in dem an sie gerichteten Brief. Zu viele Leben und Lebensgrundlagen seien ruiniert, und viel zu viele Menschen hätten ihre Lieben durch Desinformation verloren.
Dabei kommt YouTube gemäss Darstellung der unabhängigen Faktenchecker eine spezielle Verantwortung zu:
Im letzten Jahr habe man auf YouTube mitverfolgt, «wie Verschwörungsgruppen gedeihen und über Grenzen hinweg zusammenarbeiten», darunter eine internationale Bewegung, die in Deutschland begann, nach Spanien sprang und sich über Lateinamerika ausbreitete, «alles auf YouTube».
In der Zwischenzeit hätten sich Millionen andere User Videos auf Griechisch und Arabisch angesehen, die sie dazu ermutigten, Impfungen zu boykottieren oder ihre Covid-Infektionen mit Scheinheilmitteln zu behandeln.
Über Covid-19 hinaus würden YouTube-Videos seit Jahren unwissenschaftliche Scheinheilmittel gegen Krebserkrankungen fördern, kritisieren die Faktenchecker.
In Brasilien sei die Plattform verwendet worden, um Hass gegen gefährdete Gruppen zu verbreiten und habe Zehntausende User erreicht. Wahlen seien auch nicht sicher.
Auf den Philippinen habe es über 2 Millionen YouTube-Aufrufe gegeben für Videos, die Menschenrechtsverletzungen und Korruption während der Jahre des Kriegsrechts leugneten. Dies, um dem Sohn des verstorbenen Diktators, einem der Kandidaten bei den Wahlen 2022, zu helfen.
In Taiwan seien die letzten demokratischen Wahlen von unbegründeten Betrugsvorwürfen überschattet gewesen.
Die ganze Welt sei Zeuge der Folgen der Desinformation geworden, als Anfang 2021 ein gewalttätiger Mob das US-Kapitol angriff. Vom Vorabend der US-Präsidentschaftswahl bis zum Tag danach wurden YouTube-Videos, die das «Betrugs»-Narrativ unterstützen, über 33 Millionen Mal angesehen.
Es gebe zu viele negative Beispiele, um sie alle aufzuzählen, halten die Faktenchecker in ihrem Brief an die YouTube-Chefin fest. Viele dieser Videos und Kanäle seien heute noch online und alle seien sie unter dem Radar der YouTube-Richtlinien geblieben, dies betreffe insbesondere die nicht-englischsprachigen Ländern und den globalen Süden.
Das grundlegende Problem aus Sicht der unabhängigen Faktenchecker: Auf der Unternehmensplattform stelle YouTube den Kampf gegen Desinformation so dar, als gebe es nur zwei Vorgehensweisen: Löschen oder Nichtlöschen von Inhalten. Auf diese Weise vermeide YouTube die Möglichkeit, das zu tun, was sich nachweislich bewährt habe:
Dies schütze auch die Meinungsfreiheit, halten die unabhängigen Faktenchecker im offenen Brief fest, und gleichzeitig würde so anerkannt, dass zusätzliche Informationen erforderlich seien, um «die Risiken von Schäden für Leben, Gesundheit, Sicherheit und demokratische Prozesse» zu verringern.
Die Faktenchecker-Organisationen unterbreiten Susan Wojcicki konkrete Verbesserungsvorschläge und Massnahmen, die aus ihrer Sicht einen grossen Unterschied ausmachen würden im Kampf gegen Desinformation und Fake News.
Abschliessend schreiben die Faktenchecker:
Zu den hierzulande bekannteren der mehr als 80 Non-Profit-Organisationen, die den offenen Brief unterzeichnet haben, gehört Correctiv aus Deutschland. Weitere europäische Faktenchecker, die YouTube dringend zum Handeln auffordern, stammen aus Belgien, Frankreich, Italien, Spanien und Portugal. Dann hat es NGOs aus diversen osteuropäischen Staaten. Aus Skandinavien ist lediglich Norwegen aufgeführt. Grossbritannien und die USA sind ebenfalls mit an Bord.
Die Schweiz sucht man vergeblich!
Die ganze Liste der unterzeichnenden Organisationen ist am Ende des offenen Briefes zu finden (siehe Quellen).
YouTube ist ein gewinnorientiertes Wirtschaftsunternehmen, das zum börsenkotierten Alphabet-Konzern gehört. Und wie bei anderen amerikanischen Social-Media-Giganten steht die Reichweite der Plattform an oberster Stelle, weil dadurch gewährleistet ist, dass die Werbe-Milliarden fliessen.
Ob der öffentliche Aufruf der unabhängigen Faktenchecker in Googles Topmanagement etwas bewirkt, wird sich zeigen. Vielleicht trifft er ja auf offene Ohren in der Politik?
Dass der YouTube-Empfehlungsalgorithmus in den letzten Jahren eine aktive Rolle gespielt hat bei der gesellschaftlichen Spaltung durch Desinformation, dürfte vielen einleuchten. Das Ausmass lässt sich allerdings nur abschätzen. Da die Plattform wie etwa TikTok video- und nicht textbasiert ist, ist es für Forscher allgemein schwieriger, sie zu studieren.
Wenn ich doch Schrott hier rein schreibe ist es doch auch legitim mit Blitzen eingedeckt zu werden.
Das andere führt eine Gesellschaft dazu, im Unterscheidungsvermögen abzubauen und von dieser Art an Informationszensur an die Bevormundung angewiesen zu sein. Und das ist gefährlich.
Aufklärung ist nicht zu lernen, was richtig und was falsch ist, sondern an welchen Kriterien man herausfinden kann, was richtig und was falsch ist.
Die Sache klingt auf den ersten Blick vernünftig und einfach, aber sehr schnell merkt man, dass es nicht annähernd ein "einfach" gibt in dieser Sache.
So wie ich Watson kenne, werde ich für diesen Kommentar, falls er denn aufgeschaltet wird, viele Blitze kassieren.