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Der Wirtschaft zuliebe? Gesundheitskommission findet Tabakwerbung voll okay

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Der Wirtschaft zuliebe? Gesundheitskommission findet Tabakwerbung voll okay

Die Gesundheitskommission des Ständerates (SGK) will die Tabakwerbung im Kino oder auf Plakaten nicht verbieten. Sie stellt sich gegen das neue Tabakproduktegesetz. In den Vorschlägen des Bundesrates sieht die Kommission einen «Angriff auf die freie Marktwirtschaft».
22.04.2016, 11:0822.04.2016, 11:41
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Mit 6 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen beantragt die SGK ihrem Rat, das Tabakproduktegesetz an den Bundesrat zurückzuweisen, wie die Parlamentsdienste am Freitag mitteilten. Sie will den Bundesrat beauftragen, die wichtigsten Punkte aus der geltenden Tabakverordnung ins Gesetz zu übertragen, ohne die Werbung, das Sponsoring und die Verkaufsförderung stärker einzuschränken.

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Die Mehrheit der Kommission argumentiert, die Vorlage des Bundesrates gehe viel zu weit. Es sei nicht erwiesen, dass generelle Werbeverbote einen Rückgang des Rauchens bewirkten. Auch sei nicht einzusehen, wieso für nikotinhaltige E-Zigaretten die gleichen strengen Regeln gelten sollten wie für herkömmliche Zigaretten, die schädlicher seien.

Die Minderheit der Kommission erachtet den Gesetzesentwurf als brauchbare Basis für die Detailberatung. Weiter halten die Befürworter fest, ein Gesetz im Sinne des bundesrätlichen Entwurfs sei eine nötige Voraussetzung für die Ratifizierung der WHO-Tabakkonvention.

Verkauf an Minderjährige verbieten

Nicht umstritten ist das schweizweite Verbot des Verkaufs von Zigaretten an Minderjährige. Die Kommission hält fest, diese Massnahme zum Schutz von Kindern und Jugendlichen begrüsse sie ausdrücklich.

Der Bundesrat möchte darüber hinaus die Werbung einschränken: Tabakwerbung auf Plakaten, in Print- und Onlinemedien sowie im Kino soll verboten werden. Weiterhin werben dürften die Tabakkonzerne am Kiosk, an Automaten und an Festivals von nationaler Bedeutung.

Gesundheitsminister Alain Berset sagte bei der Präsentation der Vorschläge, Werbung habe besonders auf Jugendliche einen grossen Einfluss. Gemäss einer deutschen Studie steigt das Risiko, dass Jugendliche zu rauchen beginnen, um 46 Prozent, wenn sie Tabakwerbung ausgesetzt sind.

Schon in der Vernehmlassung umstritten

Heute gilt ein Werbeverbot für Tabak in Radio und Fernsehen. Auch Tabakwerbung, die sich explizit an Minderjährige richtet, ist untersagt. Ein weitergehendes Verbot war bereits in der Vernehmlassung auf Kritik gestossen. Der Bundesrat hielt dennoch daran fest. Die Schweiz gehe mit den geplanten Regeln weniger weit als die meisten europäischen Länder, gab Berset zu bedenken.

Auch manche Kantone kennen heute striktere Regeln als der Bund. In 15 Kantonen ist Plakatwerbung für Tabakprodukte bereits verboten. In zehn Kantonen dürfen keine Zigaretten an Minderjährige verkauft werden, in weiteren zwölf Kantonen gilt das Abgabealter 16 Jahre.

Weltweit sterben jedes Jahr über 5 Millionen Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. In der Schweiz sind es rund 9500 Personen. Der Tabakkonsum ist damit die häufigste vermeidbare Todesursache in der Schweiz. (dwi/sda)

Als Rauchen noch als vornehm galt

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Als Rauchen noch als vornehm galt
John Lennon 1969 in Toronto, Kanada. Es weht damals noch ein anderer Wind um rauchende Promis. Niemand stört sich gross daran, dass die Stars paffen – für die Nachteile des Tabakkonsums gibt es nicht so ein Bewusstsein wie heute.
quelle: zuma dukas dukas / ?? 2005 by jeff goode/toronto star
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29 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Howard271
22.04.2016 12:18registriert Oktober 2014
Tja, das haben wir nun von dieser ach so tollen "bürgerlichen" Politik. Die Interessen der Wirtschaft werden als angebliche Bürgerfreiheit verkauft und höher gewichtet als die Gesundheit. Aber dann wieder über die "heutige Jugend" klagen, die wieder mehr raucht als noch vor ein Paar Jahren, und vor allem mehr als in vergleichbaren anderen Staaten.
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Bürgerliche wollen nur Steuergeschenke für Reich
22.04.2016 12:45registriert Mai 2015
Das ist ja starker Tobak! Die Tabak-Lobby hat wieder mal zugeschlagen und alle Politiker, ausser die wahrscheinlich die der SP (hat 4 Sitze in der Kommission), haben sich von der Lobby gelinde ausgedrückt beeinflussen lassen. Genau wegen solchen Fällen sollten die Einkommen der Politiker detailliert veröffentlicht werden. Ich wäre nicht überrascht, wenn all diese CVP-, FDP- und SVP-Politiker von der Tabak-Lobby Geld erhalten hätten.
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_helmet
22.04.2016 13:24registriert Oktober 2015
was hat das mit bevormundung zu tun? jugendliche zum rauchen verführen, die dann z.t. abhängig werden und ihre gesundheit schädigen, voll ok? nur, um damit profite zu machen? folgekosten zahlt die gesellschaft. Ohne werbung wäre keine "bevormundung"! dann würden jugendliche selber entscheiden ob sie rauchen wollen und würden nicht subtil dazu verführt. katastrophe, eine solche kommision, die private Profitinteressen über das gemeinwohl stellt. Rauchen wäre ja keineswegs verboten gewesen. Dieses Bevormundungsgejammer ist ist wirklich erbärmlich und dazu billigste Propaganda und Irreführung.
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