Und dann kommt dieser Jubel. Granit Xhaka hakt die Daumen ineinander, wirbelt seine Finger durch die Luft. Da ist er und fliegt und fliegt und fliegt: der Doppeladler. Xherdan Shaqiri tut es ihm nach dem umjubelten 2:1-Siegtreffer gleich.
Wie auch immer das Urteil ausfällt, eines müsste Xhaka und Shaqiri eigentlich bewusst gewesen sein: Dass sie damit die Diskussionen um Identität, um Herkunft und Heimat wieder neu entflammen. Ob das gut ist für das Verhältnis dieser Mannschaft zur Schweiz? Man darf es bezweifeln.
Was bedeutet der Adler-Jubel? Für Jugendliche aus Albanien ist es eine schlichte Geste der Freude. Doch es gibt auch eine andere Interpretation. Nämlich jene, dass eine politische Message dahinter versteckt ist. An die Adresse von Serbien.
Eines wurde in diesen Szenen offensichtlich. Es war eben doch ein ziemlich spezielles Spiel für Xhaka, Shaqiri und Co. Für viele Menschen aus ihrer Verwandtschaft sind die Wunden aus dem Krieg gegen Serbien noch nicht verheilt. Dass der Schweizer Fussballverband seinen Spielern im Vorfeld der Partie quasi verboten hat, über diese Dimensionen der Partie zu sprechen, verhindert eben nicht, dass sich die Spieler mit der Thematik beschäftigen. Beschäftigen müssen, weil ganz vieles an sie herangetragen wird.
Und trotzdem sind auch in der Schweiz schon viele Diskussionen im Gang. Weil die Fans zu Recht erwarten, dass Schweizer Nationalspieler sich vorab um die Schweiz kümmern. Auch im Erfolgsfall. Dies ist dem Verband durchaus bewusst. Im November 2014 besprach er die Thematik schon einmal mit seinen Spielern. Um darauf hinzuwirken, dass diese künftig auf den Doppeladler-Jubel verzichten.
Zum Fussball. Wie die Schweiz auf den Rückstand gegen Serbien reagiert, verdient grossen Respekt. Wie sie bis zum Ende aus dem 0:1 ein 2:1 macht, steht für einen grossen Sieg. Und es ist zu hoffen, dass die tolle Leistung nicht im Schatten der Adler-Diskussionen verschwindet.
Die Schweiz musste lange leiden. Eine Halbzeit lang kam sie nicht zurecht mit der Wucht der Serben. Die Momente des Schreckens waren kaum zu zählen. Es war eine Schweizer Mannschaft am Werk, die gehemmt und schläfrig wirkte.
Doch in der Pause ist etwas geschehen, fast ein bisschen wundersam. Die Schweiz trat plötzlich wie verwandelt auf. Kompakt, dynamisch, leidenschaftlich. Die Tore von Xhaka und zum Schluss von Shaqiri waren folgerichtig.
Damit besteht die Schweiz ihre wohl grösste Prüfung unter Vladimir Petkovic. Nicht bravourös, dafür war der Anfang zu bescheiden. Aber doch eindrucksvoll. Weil eine solche Reaktion von grosser Klasse zeugt. Die Schweiz hat damit einen weiteren Reifebeweis abgelegt. Nun gilt es, gegen Costa Rica nachzulegen.
Doch der Achtelfinal ist nur ein Zwischenziel. Es lockt der Flug in die Geschichtsbücher. Ob mit oder ohne Adler.