Mit Bangen blickten US-Präsident Donald Trump und seine Republikaner am Dienstag auf den Bundesstaat Ohio. In einem Wahlkreis in den Vororten der Hauptstadt Columbus fand eine Nachwahl für einen Sitz im Repräsentantenhaus in Washington statt. Er ist seit mehr als 30 Jahren eine republikanische Hochburg, Trump siegte hier 2016 mit elf Prozent Vorsprung.
Nachdem der bisherige Amtsinhaber in die Privatwirtschaft gewechselt hatte, musste eine ausserordentliche Wahl stattfinden. Im Vorfeld wurde sie zu einem Stimmungstest für den umstrittenen und polarisierenden Präsidenten erklärt. Tatsächlich lieferten sich der Republikaner Troy Balderson und der Demokrat Danny O'Connor in den Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
Am Ende sind die Republikaner «an einem Debakel vorbeigeschrammt», wie Politico schreibt. Balderson setzte sich hauchdünn durch, mit weniger als 1700 Stimmen Vorsprung. Und das Resultat ist noch nicht definitiv, bei einem derart knappen Ausgang ist in Ohio zwingend eine Nachzählung vorgesehen. Es könnte Tage oder Wochen dauern, bis der Sieger feststeht.
Dennoch twitterte Trump von einem «grossen Sieg». Das ist in mehrfacher Hinsicht unsinnig. In Zeiten einer blühenden Wirtschaft müsste die Partei des Präsidenten leichtes Spiel haben, speziell in einer ihrer Hochburgen. Balderson aber konnte sich nur dank massiver personeller und finanzieller Unterstützung der nationalen Partei und von Trump selbst behaupten.
Und schon in drei Monaten kommt es zum «Rückkampf» gegen O'Connor, bei den «ordentlichen» Kongresswahlen am 8. November. Ohne das nationale Rampenlicht wird der Republikaner weitgehend auf sich allein gestellt sein. Der Erfolg vom Dienstag – wenn er denn bestätigt wird – ist für die Grand Old Party nicht viel mehr als eine Atempause. Und die Ruhe vor dem Sturm.
Das knappe Ergebnis in Ohio zeigt, dass Trump mit seiner das Land spaltenden Politik vor allem die Opposition motiviert. Der Hass auf den Präsidenten treibt die Anhänger der Demokratischen Partei scharenweise in die Wahllokale. Ein Aspekt muss Trump dabei besonders beunruhigen. Er hat vor allem die Frauen gegen sich, und das deutlich.
Nur 35 Prozent billigen seine Amtsführung, berichtete «The Economist» mit Berufung auf eine neue Umfrage des renommierten Instituts Gallup. Bei der Präsidentschaftswahl 2016 holte er noch 41 Prozent der weiblichen Stimmen, und da trat er immerhin gegen eine Frau an. Zum Vergleich: 2012 sicherte sich Barack Obama die Wiederwahl, weil 55 Prozent der Frauen für ihn stimmten.
Andere Umfragen belegen ebenfalls eine grosse Unzufriedenheit der Frauen mit Trump. Rund die Hälfte findet demnach, seine Politik schade ihnen. Nur sieben Prozent finden sie nützlich. Die Motivation, ihn im Kongress zu stoppen, ist deshalb hoch. Demokratische Politikerinnen haben 105 parteiinterne Vorwahlen für das Repräsentantenhaus gewonnen, so viele wie noch nie. Vor allem junge Frauen stimmen laut dem «Economist» bevorzugt für ihresgleichen.
Am Dienstag kam ein weiterer Erfolg hinzu. Rashida Tlaib gewann die Vorwahl in Detroit im Bundesstaat Michigan. Mehr als 50 Jahre lang war der Sitz vom Bürgerrechtsveteranen John Conyers belegt worden, dem sexuelle Belästigung vorgeworfen wird. Tlaibs Wahlsieg im November ist so gut wie sicher, sie dürfte damit die erste Muslima im Repräsentantenhaus werden.
Bei der Vorwahl für den Gouverneursposten in Michigan setzte sich bei den Demokraten mit Gretchen Whitmer ebenfalls eine Frau durch. Sie gewann gegen Abdul El-Sayed, der von Bernie Sanders und dem linken Shootingstar Alexandria Ocasio-Cortez unterstützt worden war. Was zeigt, dass linke Kandidaten Mühe haben, wenn sie auf Stimmen aus der Mitte angewiesen sind.
Die Frauen könnten somit den Ausschlag geben, dass die Demokraten im November trotz internen Problemen und Flügelkämpfen die Mehrheit im Repräsentantenhaus erobern. Die Republikaner könnten ihnen «Schützenhilfe» leisten, wenn sie im Senat die Ernennung von Brett Kavanaugh durchboxen, Donald Trumps Kandidaten für den Obersten Gerichtshof.
Die Aussicht auf eine konservative Mehrheit im Supreme Court, die das Recht auf Abtreibung abschaffen oder stark einschränken könnte, dürfte gerade die jüngeren Frauen zusätzlich anstacheln. Die Atempause, die die Republikaner in Ohio erhalten haben, könnte sich dann im Rückblick als fataler Fehlschluss erweisen.