Eine solche Behandlung ist sich Jack Warner nicht gewohnt. Einst war er einer der mächtigsten Sportfunktionäre der Welt. Nun musste er eine Nacht in einem Gefängnis in Port of Spain, der Hauptstadt des karibischen Inselstaats Trinidad und Tobago, verbringen. Der 72-Jährige stellte sic, nachdem das US-Justizministerium gegen ihn einen Haftbefehl wegen Korruption, Geldwäscherei und organisierter Kriminalität ausgestellt hatte. h der Polizei
In einem Video auf Facebook hat Warner seine Unschuld beteuert: «Was immer gegen mich geplant ist: Es wird nicht gelingen.» Der ehemalige Vizepräsident der FIFA ist der zwielichtigste unter den 14 Beschuldigten, gegen die die US-Justiz ermittelt. Kein anderer hoher Funktionär des Weltfussballs wurde so oft mit Korruption in Verbindung gebracht wie Jack Warner. Als «grosser Schurke des Fussballs» bezeichnet ihn die deutsche Zeitung «Die Welt», und für die französische «Le Monde» verkörpert Warner «die dunkle Seite der FIFA».
Nun scheint Warner nicht einmal mehr in seiner Heimat sicher zu sein. Ob es zu einer Auslieferung an die USA kommt, ist ungewiss. Die Behörden von Trinidad und Tobago scheinen gewillt, das Verfahren ernst zu nehmen. Ein Richter legte für Warner eine Kaution von 2,5 Millionen Dollar fest. Zudem stellte er die Bedingung, dass der Ex-FIFA-Vize den Pass abgeben und sich zweimal wöchentlich bei der Polizei melden müsse.
Für die FIFA und ihren Chef Sepp Blatter bedeutet dies potenziell nichts Gutes. Wenn einer ihnen gefährlich werden kann, dann dürfte es Jack Warner sein. In einem Interview am Mittwoch jedenfalls liess er eine entsprechende Andeutung fallen: «Ich musste nur lachen, weil ich Blatters Name nirgends lesen konnte», sagte er, nachdem die Behörden in Zürich sieben Funktionäre verhaftet und weitere Ermittlungen wegen Korruption aufgenommen hatten.
Austin «Jack» Warner wuchs in Port of Spain in einfachsten Verhältnissen auf, als Sohn einer alleinerziehenden Mutter. Er arbeitete als Geschichtslehrer und nebenbei als Sekretär des Fussballverbands von Trinidad und Tobago. Sein Aufstieg erfolgte innerhalb des Kontinentalverbands von Nord- und Mittelamerika und der Karibik (CONCACAF), zusammen mit seinem engen Weggefährten, dem US-Amerikaner Chuck Blazer. Gemeinsam eroberten sie 1990 die Spitze der CONCACAF, Warner als Präsident, Blazer als Generalsekretär.
Schnell machten Jack und Chuck auch innerhalb der FIFA Karriere. Beide waren Mitglied des Exekutivkomitees, Warner zusätzlich ab 1997 auch Vizepräsident. Bei Sepp Blatter, der ein Jahr später zum FIFA-Präsidenten gewählt wurde, machte er sich als Stimmenbeschaffer unentbehrlich. Jack Warner sorgte dafür, dass die 35 CONCACAF-Delegierten für den Walliser votierten. Gleichzeitig geriet der Karibik-Potentat zunehmend unter Korruptionsverdacht.
Die Liste ist lang: So soll Warner Tickets für die Fussball-WM 2006 in Deutschland auf dem Schwarzmarkt verschachert und einen Profit von einer Million Dollar gemacht haben. Bei der WM 2010 in Südafrika tauchten ähnliche Vorwürfe auf. Die US-Ermittler beschuldigen ihn zusätzlich, vom Organisationskomitee zehn Millionen Dollar Bestechungsgeld erhalten zu haben. Schon unter dem früheren FIFA-Präsidenten João Havelange hatte er sich zudem die Fernsehrechte für die Karibik für den symbolischen Preis von einem Dollar unter den Nagel gerissen.
Wie gewissenlos Warner war, wenn es um seine Bereicherung ging, zeigen zwei Beispiele aus einem Porträt in der WOZ. Als der frühere südafrikanische Präsident Nelson Mandela 2004 Trinidad besuchte, um für die WM-Vergabe an sein Land zu werben, veranstaltete Jack Warner ihm zu Ehren ein Benefizessen. Die Einnahmen sollten einem Waisenhaus für HIV-infizierte Kinder zukommen. Es hat nie einen Cent gesehen. Nach dem verheerenden Erdbeben auf Haiti 2010 erhielt Warner vom südkoreanischen Verband eine Spende von 500'000 Dollar. Davon sollen nur 60'000 Dollar nach Haiti weitergeleitet worden sein.
Die Eiterbeule platzte 2010, als Jack Warner bei der umstrittenen Vergabe der Fussball-WM 2022 für den Sieger Katar gestimmt haben soll. Der britische «Telegraph» enthüllte vor einem Jahr, dass Warner und seine Familie rund zwei Millionen Dollar von einer katarischen Firma erhalten hatten. 1,2 Millionen gingen an Jack Warner persönlich. Sein «Buddy» Chuck Blazer war stocksauer, dass der CONCACAF-Präsident den Mitbewerber USA faktisch verraten und verkauft hatte.
Ein Jahr danach rächte sich Blazer. Er meldete der FIFA, dass Warner sich mit dem Katarer Mohammed Bin Hammam, Sepp Blatters Gegenspieler bei der FIFA-Präsidentenwahl, verbündet hatte und ihm dabei half, Stimmen von karibischen Delegierten zu kaufen. Jack Warner war blossgestellt, er musste von seinen Ämtern zurücktreten. Eine Untersuchung der CONCACAF kritisierte ihn 2013 hart. Warner wies die Anschuldigungen als «grundlos und böswillig» zurück.
Seit seinem unfreiwilligen Abgang als Fussball-Funktionär versucht sich Jack Warner in der Politik. Er wurde Minister für Arbeit und Verkehr und später für nationale Sicherheit in Trinidad und Tobago. 2013 kam es zum Bruch mit der damaligen Regierungspartei, Warner gründete die Independent Liberal Party (ILP), für die er derzeit im Parlament sitzt. Es ist unklar, ob ihm dieses Amt allenfalls Immunität vor Strafverfolgung im derzeitigen Korruptionsfall gewährt.
Sicher ist, dass sich die Schlinge um seinen Hals zugezogen hat. Sein einstiger Kumpel, der mindestens so habgierige Chuck Blazer, arbeitet mit dem FBI zusammen, im Gegenzug erhielt er Straffreiheit. Jack Warners Söhne Daryan und Darryl, die Teil des korrupten Netzwerkes waren, bekannten sich 2013 in den USA als schuldig. Daryan Warner soll sich den US-Behörden ebenfalls als Kronzeuge zur Verfügung gestellt und ausgepackt haben.
Wie es mit Jack Warner weitergeht, bleibt vorerst offen. Unklar ist auch, ob er belastendes Material gegen Sepp Blatter vorlegen kann. Unangenehm könnte es für die FIFA so oder so werden. Kaum jemand kennt den Korruptionssumpf, der sich unter Blatters Regentschaft gebildet hat, besser als der selbstherrliche Ex-Vize aus Trinidad und Tobago.