Eines vorneweg: Es ist keine einfache Aufgabe, aus den vielen Schweizer Nationalspielern die 25 wichtigsten der letzten 25 Jahre zu bestimmen. Kann man überhaupt einen Aussenverteidiger der WM-Helden 1994 mit einem Stürmer von 2019 vergleichen? Ja, man kann. Indem man nicht in erster Linie die individuelle Klasse beurteilt, sondern die Bedeutung, die der Spieler für seine jeweilige Generation hatte. Und bevor du vergeblich Heinz Hermann suchst: Der bestritt sein letztes Länderspiel schon 1991 und fehlt deshalb.
Fällt weder auf noch neben dem Platz als grosser Redner auf. Doch Rodriguez liefert: Sein Platz auf der linken Aussenbahn ist unbestritten, auch wenn er zuletzt etwas zu stagnieren schien. Seine Standards sind oft eine Waffe.
Hat seinen Platz im Geschichtsbuch auf sicher, weil sein herrlicher Freistosstreffer gegen die USA 1994 im Pontiac Silverdome von Detroit das erste Schweizer WM-Tor seit 28 Jahren war. Da war der Walliser schon 36 Jahre alt, nach dem Turnier trat er zurück.
Noch in 50 Jahren wird beim Namen «Senderos» dieses eine Bild präsent sein: Wie er nach dem Tor gegen Südkorea an der WM 2006 mit blutender Wunde feiert. Damals glaubten wir alle, dass da ein Weltklasse-Verteidiger heranreift. Leider war das intelligente Sprachtalent dann so oft verletzt, dass es mit der überragenden Karriere nichts wurde. Gross war sie dennoch.
Fiel wegen seiner defensiven Spielweise selten auf, aber noch seltener ab. Der smarte Walliser war ein beständiger Wert und auch abseits des Rasens eine wichtige Figur. Verriet nach der Karriere, dass es ihn als Bundesliga-Profi in den Ferien stets nach Hause zog und im Winter auf die Skipisten: «Ich habe das durchgezogen und meine Verträge nicht so genau gelesen.»
Der Thurgauer hatte es bei Fans und Reportern nicht immer einfach, auch weil er stets offensiv seine Meinung kommunizierte und sich nicht hinter Floskeln versteckte. Sein grosses Turnier war die WM 2006, an der «Zubi» in vier Spielen zu Null spielte und beim Penalty-Ausscheiden im Achtelfinal gegen die Ukraine den Versuch von Andrej Schewtschenko parierte.
Wurde für die EM 2008 zur Schweizer 1 bestimmt. Behielt die Position als Stammgoalie, denn er zählte während einigen Jahren zu den besten Torhütern der Welt. An der WM 2010 hielt er den sensationellen 1:0-Sieg über Spanien fest.
Im Nationalteam während Jahren unumstrittene Leaderfigur in der Abwehr. Hatte seine beste Zeit als Fussballer um die Jahrtausendwende bei Liverpool just zu einer Zeit, in der die Nati eher schwach war. «Ich bedaure, dass ich nie an einer WM spielen konnte», sagt Henchoz heute im Rückblick.
Noch mehr Länderspiele für die Schweiz bestritt nur Heinz Hermann (118 Einsätze). Geiger war eineinhalb Jahrzehnte der Abwehrchef des Teams, das zunächst erfolglos war. Im Herbst seiner Karriere durfte er endlich an Turnieren glänzen: An der WM 1994 bestritt er alle vier Spiele, nach der EM 1996 gab er seinen Nati-Rücktritt.
Als Diego Benaglio nach der WM in Brasilien zurücktrat, folgte Sommer als neue Nummer 1 im Schweizer Tor. Trotz starker Konkurrenz war sein Status kaum je bestritten, mit seinen Leistungen liess er Diskussionen gar nicht gross aufkommen. Hat als 30-jähriger Goalie noch einige gute Jahre vor sich.
In jungen Jahren oft missverstanden, mauserte sich zum unverzichtbaren Leader. Bleibt als «Krieger» in Erinnerung, der Brasiliens Star Neymar an der WM 2018 an die ultrakurze Leine band. Und natürlich für seinen Einsatz beim 2:1-Siegtor gegen Ecuador vier Jahre zuvor, das er in der Nachspielzeit mit einem Tackling im eigenen Strafraum einleitete. Sein Abgang war unwürdig, weil vom Verband und Trainer Vladimir Petkovic schlecht kommuniziert wurde.
Trug schon weisse Fussballschuhe, als alle anderen noch schwarze Treter an den Füssen hatten. Eigentlich erstaunlich, dass er nicht mehr Länderspiele auf seinem Konto hat. Der «Tolggen» im Reinheft war der verschossene Penalty bei der peinlichen 0:1-Niederlage in Aserbaidschan («Debaku»).
Wurde schon kurz nach dem 19. Geburtstag an die EM in Portugal mitgenommen. Reifte danach zum Leader heran, traf an der WM 2006 beim von der Stimmung her unübertroffenen 2:0 gegen Togo in Dortmund. Später von Ottmar Hitzfeld als Leaderfigur während eines Umbruchs als Führungsspieler geschätzt, von Vladimir Petkovic stillos abserviert.
Legte eine Karriere hin, die ihm als 20-Jähriger wohl niemand zugetraut hatte. Das einst verkannte Talent schaffte es bis zum Captain der Schweizer Nationalmannschaft, dirigierte sie im defensiven Mittelfeld – und wurde von Vladimir Petkovic knallhart aus dem Team geworfen, als er auf dem Weg zu Leicester Citys sensationellem Meisterschaftsgewinn kaum Einsätze erhielt.
War während Jahren der unantastbare Abwehrchef des Nationalteams. Wunderbar sein Tor gegen Jugoslawien als junger Einwechselspieler, trug später als Serienmeister mit Lyon das «Sieger-Gen» in die Mannschaft.
Ein Knipser mit beeindruckender Tor-Quote. Traf an der WM 1994 beim imposanten 4:1-Sieg über Rumänien doppelt. Dass ihn Artur Jorge nicht für die EM 1996 aufbot, löste einen Fan-Aufstand aus.
Trotz fast 100 Einsätzen für die Nationalmannschaft einer der umstrittensten Schweizer Fussballer überhaupt, als «Meister des Quer- und Rückpasses» verhöhnt. War im defensiven Mittelfeld jedoch eine Bank. Sein Abgang erfolgte im Streit, unvergessen ist seine telefonische Ansage an Nationaltrainer Köbi Kuhn: «Ich steige in den Flieger und tätsche dir eins!»
Vor der WM 1994 ist der Goalgetter monatelang verletzt, meldet sich dann vor dem Turnier wieder als fit. Roy Hodgson verzichtet dennoch auf ein Aufgebot. «Kubi» kündigt seinen Nati-Rücktritt an, kommt aber zurück. Dank seinem Penaltytor holt die Schweiz zum Start der EM 1996 ein 1:1 gegen Gastgeber England. Lange ist der Tessiner Rekordtorschütze der Schweiz.
Ein Musterprofi und auf Rechtsaussen während Jahren unantastbar. In jungen Jahren ein Feuerkopf, mit der Captainbinde am Arm etwas zurückhaltender. Als Antreiber aber immer noch mit dem gleichen Feuer wie als Jungspund.
Erreichte in der Nationalmannschaft nicht die Tor-Quote wie bei seinen Klubs, aber machte alleine durch seine Präsenz die Mitspieler besser und schuf Räume für die Sturmpartner. Prägte zwei Generationen des Schweizer Fussballs.
«Wie: Nur fünf Tore?», fragst du dich vielleicht. Ja, denn Sutter war mehr der Vorbereiter. In Erinnerung ist der Berner Querdenker mit wallendem Haar aber dennoch besonders wegen eines Treffers: Trotz gebrochenem Zeh schoss er die Schweiz beim legendären 4:1-Sieg über Rumänien an der WM 1994 in Führung. Heute sagt er: «Das beste Länderspiel, bei dem ich auf dem Platz stand. Das perfekte Spiel.» Galt ein Jahr später als Rädelsführer des «Stop it, Chirac!»-Protests (was nicht stimmte, denn es war eine Aktion der Mannschaft und Sutter nur derjenige, der das Transparent auf den Platz trug) und wurde von Artur Jorge vor der EM 1996 ausgebootet.
In lichten Momenten unbestritten ein Genie, aber die Frage ist erlaubt: Wäre nicht noch mehr dringelegen? Der jüngere der Yakin-Brüder galt nicht als der fleissigste Fussballer, ging eher sorglos durchs Leben und schien sein enormes Potenzial zu selten auszureizen. In der Kreativabteilung war er mit seinem linken Goldfuss oft der einzige Hoffnungsträger der Nati. An Turnieren fiel er eigentlich nur einmal positiv auf: 2008 an der EM im eigenen Land, wo er alle drei Schweizer Tore schoss. Dumm nur, dass die Schweiz schon nach zwei Spielen ausgeschieden war und das 2:0 gegen Portugals B-Team somit bloss noch ein Schönheitspreis war.
War der Spielgestalter der grossen «Generation der Wiedergeburt» des Schweizer Fussballs. Kreativität, Zweikampfstärke, eine gute Übersicht und Ballsicherheit – Sforza brachte alles mit, was ein Weltklasse-Regisseur haben musste. Und Weltklasse war er auf dem Zenit seines Schaffens.
Gehörte der formidablen Equipe an, die 2009 den U17-Weltmeistertitel holte. Keine zwei Jahre später debütierte Xhaka in der A-Nationalmannschaft, aus der er seither nicht mehr wegzudenken ist. Im Mittelfeld hält er den Laden mit seiner Spielintelligenz defensiv zusammen. Wirbelte an der WM 2018 Staub auf, indem er seinen Treffer gegen Serbien mit dem «Doppeladler-Gruss» bejubelte – so wie er ⬇️.
Shaqiri ist der Offensivmotor des Nationalteams – wehe, wenn er stottert. Mit seinem Spielwitz, seiner Kraft, seiner Technik, seiner Schlitzohrigkeit und seinen Flanken kurbelt er das Schweizer Spiel an. Und er erzielt selber viele Tore, hat schon jetzt mehr auf dem Konto als Chapuisat. Im Herbst wird «Shaq» erst 28 Jahre alt. Er hat genau wie Xhaka das Zeug, dereinst Heinz Hermann (118 Länderspiele) als Rekordinternationaler abzulösen.
Es gab keinen Schweizer Fussballfan, den Frei kalt liess. Seine Nati-Karriere war ein stetes Auf und Ab. An der EM 2004 wurde er überführt, wie er Steven Gerrard anspuckte. Dann war Frei ein Barrage-Held gegen die Türkei und traf an der WM 2006, konnte aber gegen die Ukraine das Aus nicht abwenden, weil ihn Köbi Kuhn kurz vor dem Penaltyschiessen auswechselte. 2008 verletzte er sich im Auftaktspiel schwer, 2010 erlitt er im Abschlusstraining vor dem ersten Match eine Verletzung und war danach nicht «der Alte».
Trotz vieler, vieler Tore war der ehrgeizige Frei bei manchen Fans so unbeliebt, dass sie ihn bei Heimspielen auspfiffen, was schliesslich zum Rücktritt führte. Der Baselbieter verliess die Bühne als Schweizer Rekordtorschütze; seine 42 Treffer sind eine Marke, die wohl noch lange Bestand haben wird. Die nächsten, derzeit aktiven Verfolger sind Xherdan Shaqiri (22 Tore) und Haris Seferovic (17). Alex Frei polarisierte sehr oft – doch nüchtern betrachtet war er der wichtigste Schweizer Nationalspieler der letzten 25 Jahre.
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SEFE, unser Mann aus Sursee
Bei MY kommt mir nur der Pass auf Hakan in Dublin in den Sinn...sonst war er eher mau.