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Ich war krank und bin dünn geworden. Alle finden das super!

Kafi ist nicht dünn. Aber fröhlich. 
Kafi ist nicht dünn. Aber fröhlich. kafi freitag
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Kafi, ich war krank und bin drum dünn geworden. Alle finden das super!

Hoi Kafi, merci viel mal für deine coolen Antworten, ich lieb's ;). Ich erhole mich gerade von einer Krankheit, die mich für ein 1/2 Jahr ausgeknockt hat. Es war nicht schön und schlimm war, dass ich oft nichts essen konnte. Dadurch habe ich abgenommen, wofür ich nun laufend «Komplimente» bekomme. Ich krieg die Kriese! Es mag komisch sein, aber ich fand mich vorher schon gut ;). Einwände wie: «ich wäre lieber gesund als schlank» stossen auf taube Ohren. Findest du, ich überreagiere? Mary, 35
03.04.2017, 16:2603.04.2017, 17:23
Kafi Freitag
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Liebe Mary

Nein, das finde ich überhaupt nicht. Kein bisschen. Im Gegenteil. Aber erst einmal bin ich froh, dass es Ihnen wieder besser geht.

Was Sie erleben, ist das Phänomen, dass in unserer Gesellschaft alle möglichst dünn sein wollen. Dünn ist das neue schwarz. Und das gilt mehr als gesund sein. Viele nehmen dafür einen sehr ungesunden Lifestyle in Kauf. Hungern, treiben Sport bis zum Umfallen oder fressen und kotzen. Und auch viele von denen, die nicht so weit gehen, schauen penibel auf die Waage. Ich kenne praktisch keine Frau, die nicht nach der Waage lebt und gern schlanker wäre. Als gäbe es keine anderen Ziele im Leben, gopf.

Ich habe mir gestern ganz viele Fashion Blogs angeschaut, weil ich nach einem schönen gesucht habe, der von einer Frau mit Kleidergrösse 40 oder 42 gemacht ist. Aber ich habe echt kaum was gefunden. Das hat mich schon zum Nachdenken gebracht, schliesslich ist man mit einer 40/42 absolut normalgewichtig. Aber das will vermutlich niemand sehn ... (Hier sind die wenigen, die ich finden konnte.)

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Bevor ich 30 war, habe ich ähnlich getickt. Danach hat gottlob etwas klick gemacht in meinem Kopf. Seither bin ich zwar kontinuierlich schwerer geworden, aber ich gefalle mir sehr gut, wie ich bin. Manchmal wäre ich auch gern ein paar Kilos leichter, um wieder in eine alte Jeans zu passen oder so. Aber ich weiss ganz genau, dass ich das nur erreichen würde, wenn ich auf ganz viel Genuss verzichte und stattdessen Sport treiben würde und das ist es mir echt nicht wert. Da kaufe ich mir doch lieber eine Jeans die grösser ist und die Sache ist geregelt.

Da dieses dünn sein und das darunter leiden, dass man es nicht ist, so ein grosses Thema ist, haben wir ein Seminar genau zu diesem Thema entwickelt. Darin geht es darum, sich mit sich anzufreunden und sich mit gewissen Tatsachen abzufinden. Das Ziel ist es, unerreichbare Idealvorstellungen endlich loszulassen, um Energie für anderes zu haben.

Ein ganz grosses Thema ist dabei die Dankbarkeit. Wir arbeiten im Seminar daran, Dankbarkeit für seinen eigenen Körper zu empfinden und sich bewusst darüber zu sein, was er alles leistet. Die wenigsten Menschen denken darüber nach, solange sie gesund sind. Stattdessen behandeln sie ihn schlecht und nörgeln daran rum, als gäbs kein Morgen. Im Seminar sitzen immer wieder auch Frauen, die eine ernsthafte Erkrankung hinter sich haben oder Ähnliches innerhalb der Familie erleben mussten. Wenn diese dann zu erzählen beginnen, dann passiert bei den anderen Teilnehmerinnen etwas. Plötzlich verschiebt sich der Regler und man wird sich bewusst darüber, was wirklich wichtig ist im Leben. Wenn man das erreicht hat, ist man zu einem anderen Umgang mit sich und seinen Makeln fähig. Dann kann man anfangen, sich zu akzeptieren und vielleicht sogar zu mögen. Und dann ist das Gewicht auf einmal nicht der das Allerwichtigste.

Dann ist nicht mehr möglichst schlank sein das oberste Gebot. Sondern froh sein darüber, dass alles funktioniert und man keine Schmerzen hat. Mir ist klar, dass das ein bisschen nach Zweckoptimismus klingt. Aber Sie haben eine Erkrankung hinter sich gebracht und ich bin überzeugt, dass Sie ganz genau wissen, wovon ich rede.

Ganz viele andere können das aber nicht verstehen. Und das sind die, die Ihnen mit solch doofen Bemerkungen begegnen. Versuchen Sie, diesen Menschen mit Nachsicht zu begegnen. Wer keine solche Erfahrung hat erleben müssen, weiss in der Regel nicht ob der Tragweite und hat diese Tiefe an Erkenntnis nie erreicht. Diese Jungfräulichkeit im Bezug auf das Thema Krankheit gepaart mit den kranken Schönheitsidealen, die heutzutage gelten, können zu komischen Denkmustern führen. Diese geistern in vielen Köpfen rum.

Sie können sich darüber aufregen oder froh sein, dass für Sie andere Werte gelten. Ich kann es verstehen, wenn es Sie unglaublich nervt. Aber gleichzeitig ist es weniger Ihr Problem, als das der Person, die so über sich und andere denkt.

Alles Gute Ihnen und weiterhin ganz viel Kraft für Ihre Genesung.

Mit herzlichem Gruss. Ihre Kafi

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Kafi Freitag (41!) beantwortet auf ihrem Blog Frag Frau Freitag Alltagsfragen ihrer Leserschaft. Daneben ist sie Mitbegründerin einer neuen Plattform für Frauen: Tribute.

Im analogen Leben führt sie eine Praxis für prozessorientiertes Coaching (Freitag Coaching) und fotografiert leidenschaftlich gern. Sie lebt mit ihrem 12-jährigen Sohn in Zürich.

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63 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Gümpeli
03.04.2017 17:45registriert Juni 2016
Bruno Wüthrich in 3..2..1..
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selfrabia
03.04.2017 23:03registriert Februar 2014
hintefragt ausser mir niemand die bildunterschrift? 'kafi ist nicht dünn.' hä?
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pamayer
03.04.2017 16:42registriert Januar 2016
Danke für das mitteilen, Mary, danke für deine aufbauende Antwort, Kafi.


Ja, die Welt ist krank. Und zwar sehr.

Schauen wir wenigstens, dass es uns darin so gut wie möglich geht.
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63
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