Robert Mayer ist in Langnau bereits Publikumsliebling. Seine Situation können wir an einem Beispiel aus dem richtigen Leben erklären: Er hat mit den Langnauern nur ein Verhältnis. Verheiratet ist er nach wie vor mit dem HC Davos. In eine Scheidung hat er noch nicht eingewilligt. Sie wird für Davos teuer.
Das kommt so: Robert Mayer spielt zwischen 2018 und 2020 in Genf konstant sein bestes Hockey. 2019 kommt er auch zum dritten Mal nach 2014 und 2016 ins WM-Team. Dazu kommt: Seine Berufseinstellung war, ist und bleibt absolut untadelig. Ein Musterprofi also.
Im Frühjahr 2019 ist unsere Hockey-Welt noch eine andere als heute. Es gibt kein Transferabkommen mit der NHL, das einem Spieler erlaubt, auch aus einem laufenden Vertrag unter Einhaltung bestimmter Fristen nach Nordamerika zu wechseln. Jeder gute Spieler verlangt und bekommt eine NHL-Ausstiegsklausel im Vertrag.
Für die Zeit ab 2020 zeichnet sich bereits die Götterdämmerung unserer Torhüterkultur ab: Mittelfristig wird der Klub im Vorteil sein, der einen der raren bewährten Goalies langfristig unter Vertrag hat. Den Jungen ist noch nicht recht zu trauen. Deshalb ist der Marktwert von Leonardo Genoni, Reto Berra und eben Robert Mayer so hoch wie nie. Leonardo Genoni und Reto Berra haben ihren Marktwert bereits mit bäumigen Verträgen bis 2024 kapitalisiert. Robert Mayer noch nicht.
Hätte HCD-Sportdirektor Raeto Raffainer das Denken den berggängigen Haflingerpferden überlassen (weil die den grösseren Kopf haben) und weiter nicht über den Tag hinaus geplant – der HCD hätte sich viel Ärger erspart.
Aber Raeto Raffainer kennt Hockey. Er will den HCD auf der Goalieposition langfristig absichern. Er weiss um das enorme Potenzial von Joren van Pottelberghe. Aber er befürchtet zu Recht, dass er dieses Talent jederzeit verlieren kann. Immer wieder kommen Anrufe aus Detroit. Die Red Wings haben sich im Draft von 2015 die Rechte am HCD-Goalie gesichert und erkundigen sich laufend nach seinen Fortschritten. Eine Vertragsverlängerung ohne NHL-Ausstiegsklausel ist nicht möglich.
Die perfekte Lösung ist Robert Mayer. Raeto Raffainer kennt und schätzt den tschechisch-schweizerischen Doppelbürger aus seiner Zeit als Verbands-Sportdirektor. Mayer hat vor seinem Wechsel zu Servette (2014) sieben Jahre in Nordamerika verbracht, die Knochentour durch die Farmteams gemacht und hängt nicht mehr NHL-Träumen nach. Er ist bereit, einen langfristigen Vertrag ohne NHL-Klausel zu unterschreiben. Aber das hat natürlich seinen Preis.
Zudem sagt Torhütertrainer Peter Mettler (er wechselte mit Raeto Raffainer vom Verband nach Davos), dass Robert Mayer noch besser werden könne. Peter Mettler versteht etwas von der Sache. Das stand und steht auch heute nicht zur Debatte. Also ist Robert Mayer die perfekte, langfristige Lösung für den HC Davos. Das bedeutet aber auch: Er hat die bestmögliche Gelegenheit, den Vertrag seines Lebens herauszuholen.
So kommt es, dass Raeto Raffainer noch im Laufe der Saison 2019/20 Robert Mayer mit einem Vierjahresvertrag bis 2024 ab 2020 verpflichtet und Joren van Pottelberghe nach Biel ziehen lässt. Mit Sandro Aeschlimann, der verlässlichen Nummer 2, verlängert er zu günstigen Konditionen bis 2023.
Der HCD hat, so scheint es, dank seines klugen, weitsichtigen Sportchefs nun auf der wichtigsten Postion für die nächsten Jahre Ruhe. Mag die Konkurrenz um ihre Goalies bangen – wir in Davos haben Ruhe. Es ist eben schon gut, wenn sich ein Sportdirektor Gedanken über den Tag hinaus macht. «Gouverner c’est prévoir». Raeto Raffainer hat alles richtig gemacht.
Aber eben: Hockey ist ein schnelllebiges Geschäft. Überraschend zügig kommt es zu einer Einigung und einem Transferabkommen mit der NHL. Von einem Tag auf den anderen hat eine Freigabeklausel im Vertrag keinen Wert mehr. Wer als Klub dafür mit viel höherem Lohn bezahlt hat, steht im Regen. Und dann rutscht Robert Mayer nach einer starken Saison im Frühjahr 2021 für ein paar Tage in eine kurze Formkrise. Aber ausgerechnet während der Pre-Playoffs gegen den SCB. Ja, er verschuldet die Heimniederlage in der ersten Partie und damit das bitterlich enttäuschende Ausscheiden.
Raeto Raffainer ist inzwischen Obersportchef in Bern geworden. Robert Mayer hat seinen «Schutzpatron» verloren. Die Davoser erliegen der Versuchung, einen Sündenbock zu benennen. Verständlich: Trainer Christian Wohlwend soll bleiben (er verlängert bis 2023) und der Schwefelgeruch des Versagens ausgerechnet in den Pre-Playoffs soll von ihm weichen. Da passt es wunderbar, dass Gilles Senn nach zwei Jahren in Nordamerika heim in die Schweiz will.
Also holen die Davoser Gilles Senn als neue Nummer 1 zurück. Sie haben nun zwar mit Robert Mayer, Gilles Senn und Sandro Aeschlimann drei Goalies unter Vertrag. Aber das sollte kein Problem sein. Dann lassen wir uns halt von Robert Mayer scheiden. Eine vorzeitige Vertragsauflösung dürfte kein Problem sein und Robert Mayer kann sich einen neuen Klub suchen und alle sind zufrieden. Vorzeitige Vertragsauflösungen hat es schon oft und bei vielen Klubs gegeben. Stets ist zügig eine für beide Seiten kommode Lösung gefunden worden. Kein Problem. Eigentlich haben die Davoser erneut alles richtig gemacht.
Aber Robert Mayer hat nach wie vor nicht in eine Scheidung eingewilligt. Er wird immer noch vom HCD bezahlt, spielt aber für eine Leihgebühr von nicht ganz 30'000 Franken pro Monat bis Ende Januar in Langnau. Und die Langnauer, die bisher in ihrer ganzen Geschichte (seit 1946) noch nie einen eidgenössischen Spieler mit mehr als 400'000 Franken und nur zwei mit mehr als 300'000 Franken gelöhnt haben, kommen aus dem Staunen nicht heraus: Robert Mayer kostet den HCD mit allen Zulagen 550'000 Franken pro Saison. Macht bei noch ausstehenden drei Vertragsjahren (2021/22, 2022/23, 2023/24) 1,65 Millionen Franken. Plus die Restanz aus der noch laufenden Saison.
Dass Robert Mayer nicht einfach so in eine Scheidung (vorzeitige Vertragsauflösung) einwilligt, dass er auch in seinem Ego ein wenig verletzt ist, wird vor diesem Hintergrund verständlich. Kommt dazu: Immerhin ist er schon 32 und der nächste Klub wird voraussichtlich sein letzter sein. Also gilt es, sehr, sehr sorgfältig die Zukunft zu planen. Wenn jeden Monat gut 40'000 Franken aufs Lohnkonto überwiesen werden, garantiert bis 2024, kann man sich schon etwas Zeit lassen.
Und so warten nicht nur die Langnauer auf die teuerste Schweizer Hockey-Scheidung oben in Davos. Den laufenden HCD-Vertrag übernimmt niemand. Alle wissen: Mit jedem Tag, der vergeht, wird Robert Mayer für nächste Saison günstiger zu haben sein.
Die ganze Sache hat, wie wir nun wissen, der heutige SCB-Obersportchef Raeto Raffainer zu verantworten. Aber eben nicht, weil er ein Transfer- oder sonstiger Narr ist. Ganz im Gegenteil: Er ist ein Opfer seiner hohen Kompetenz und seiner Professionalität geworden. Die Hockey-Götter haben ihn wenigstens mit der Wahl in die Regierung des Hockey-Weltverbandes (ins IIHF-Council) schon ein wenig für dieses grausame, wahrlich unverdiente Transfer-Pech entschädigt.
Die Frage ist nun: Wo wird Robert Mayer nächste Saison im Tor stehen? Die Langnauer möchten ihn unbedingt behalten. Er würde zu Ivars Punnenovs oder im Falle eines Falles auch zu Damiano Ciaccio passen, der Ambri gerne verlassen und nach Langnau zurückkehren möchte. Aber auch die ZSC Lions (wo er neben Ludovic Waeber eine starke Nummer 2 sein könnte), Lugano (wo er Niklas Schlegel als Nummer 1 verdrängen würde, schliesslich hat er ja in Genf unter Chris McSorley sein bisher bestes Hockey gespielt) und Servette (wo eine starke Nummer 2 neben Gauthier Descloux gebraucht wird) sind seriöse Interessenten.
Achtung: Nun noch eine kleine Provokation: Wenn die Hockey-Götter Sinn für Spektakel, Drama, etwas Humor und Romantik haben, arrangieren sie eine andere Lösung: Robert Mayer löst beim SCB nächste Saison Daniel Manzato als Nummer 2 ab. Würde es nicht gut kommen, dann könnte Obersportchef Raeto Raffainer, anders als in Davos, die Hände in Unschuld waschen und sagen: Nicht mein Bier. Untersportchef Andrew Ebbett ist verantwortlich.
So einen teuren und langfristig gebundenen Goalie in nicht mal einer halben Playoff Serie zu verheizen ist auch eine Kunst.
Dort geht der Finger hin. Ohne Wenn und Aber. Wolwo muss in diesem Jahr beginnen, grosse Spiele zu gewinnen. Und sollte sich nicht noch einmal am Spengler Cup verspekulieren und mit den Fans anlegen.
Sondern für seinen Bock hinstehen, Job machen und ansonsten still halten.
Und super kann Robert in Langnau zeigen was er drauf hat, er ist immer noch einer der besten Goalies der Liga.