Die CDU steht offenbar vor einem neuen Umgang mit dem Streitthema Homo-Ehe. Parteichefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte am Montagabend in Aussicht, eine künftige Entscheidung über die Ehe für alle zu einer Gewissensfrage zu machen.
«Ich möchte die Diskussion mehr in die Situation führen, dass es eher in Richtung einer Gewissensentscheidung ist, als dass ich jetzt per Mehrheitsbeschluss irgendwas durchpauke», sagte Merkel auf einer Veranstaltung der Zeitschrift «Brigitte» in Berlin.
Grüne, Linke, FDP und SPD hatten in den vergangenen Wochen die Öffnung der Ehe auch für homosexuelle Paare ausdrücklich zu ihren Wahlkampf-Forderungen gemacht. Merkel sagte, sie nehme dies «zur Kenntnis». Sie sei aber «ein bisschen bekümmert», dass dieses Thema nun Gegenstand von «Parteitagsbeschlüssen und plakativen Dingen» sei.
Sie glaube, dass es sich um «etwas schon sehr Individuelles handle». Deswegen wolle sie mit CDU und CSU «anders darauf reagieren». Sie selbst und viele andere in der CDU würden sich «viele Gedanken» über diese Frage machen, sagte Merkel weiter. Nach Angaben von Teilnehmern diskutierte die innere CDU-Führung am Sonntagabend bei ihrer Vorbereitung des Wahlprogramms eineinhalb Stunden über das Thema.
Merkel wurde die Frage nach der Ehe für alle bei der «Brigitte»-Veranstaltung von einem Zuhörer gestellt. Wie in einer ähnlichen Situation im Wahlkampf 2013 fiel es ihr auch diesmal sichtlich schwer, ihre Vorbehalte zu formulieren. Damals hatte sie unter anderem gesagt: «Ich bin unsicher, was das Kindeswohl anbelangt.»
Auch in dieser Frage scheint sich Merkels Haltung zu verändern. Am Montagabend schilderte sie eine Erfahrung aus ihrem Wahlkreis, wo ein lesbisches Paar acht Pflegekinder betreue.
Wenn der Staat einem homosexuellen Paar Kinder zur Pflege gebe, «kann ich nicht mehr ganz so einfach mit der Frage des Kindeswohls argumentieren», räumte Merkel ein, «Das sind Dinge, die mich sehr beschäftigen.»
Die Ehe für alle würde schwulen und lesbischen Paaren die Möglichkeit zum Heiraten eröffnen. Homosexuelle können bislang nur eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen, wie sie die rot-grüne Koalition im Jahr 2001 eingeführt hatte. Ihnen ist unter anderem die gemeinsame Adoption von Kindern verwehrt. (sda/afp)