Jedes Jahr werden in den Openair-Monaten Bilder von zugemüllten Wiesen publik. Die Littering-Debatte an den Openairs ist spätestens nach dem St. Galler Openair wieder in der Schweiz entflammt. Einzelne Politiker, darunter auch der St. Galler CVP-Kantonsrat Werner Ritter, forderten bereits Massnahmen.
Während dem sich Land auf, Land ab Empörung über die «Müllberge» breit macht, und sich sogar der Ostschweizer Stilexperte Jeroen van Rooijen in einem Blog über die Abfallberge beschwerte, wurden einige politische Aktivisten aus dem Raum Luzern und St. Gallen aktiv.
Christian Fischer, ein 22-jähriger Kunststudent aus Luzern, ging es nicht vordergründig um das Littering-Problem, als er mit seinen Freunden an einem Tisch sass und Ideen sammelte. «Wir wollten mit grenzüberschreitender Solidarität die Menschen zusammenbringen», so Fischer.
Er und seine Freunde hätten gehört, dass die Polizei im nordfranzösischen Calais ein Flüchtlingslager geräumt hätte. Rund 550 Flüchtlinge aus der ganzen Welt verloren dabei ihr letztes Dach. «Wir wollten aktiv werden». Zu Hause herumsitzen und spenden sei «nicht sein Ding». Er wollte helfen und kam zusammen mit seinen Freunden auf die Idee, an den Openairs liegengebliebene Zelte, Schlafsäcke und Decken zu sammeln und dies direkt zu den Flüchtlingen nach Calais zu bringen.
Innert weniger Tage fanden sich ein Duzend Helfer zusammen. Freunde, Bekannte und Aktivisten des Luzerner «Mondoj»-Kollektivs, einer «losen Vereinigung von Menschen mit und ohne Pass». Umsetzen wollten sie die Idee am Openair St. Gallen.
Schnell sprach sich das Projekt herum. Kurz vor dem «Aufräumsonntag» stiessen zwei St. Galler Aktivisten der «Eritreischen Bewegung für einen demokratischen Wandel Ostschweiz» (EYSNS) dazu. «Es war schön zu sehen, dass Flüchtlinge anderen Flüchtlingen helfen», so Fischer. Wer das Leid kenne, den müsse man nicht überzeugen, solidarisch zu handeln.
Am Abend des letzten Openair-Tages kamen die Aktivisten auf dem Gelände an. «Es war unglaublich, was alles liegen gelassen wurde», sagte Fischer gegenüber dem St. Galler Kulturmagazin Saiten. Immer wieder hätten die Aktivisten wegen dem Chaos die Köpfe schütteln müssen. Für Fischer war dieses Chaos aber nichts als gerecht: «Das Sittertobel ist ein einziger Speicher, ein riesiges Vorratslager für Zelte, Decken, Kleidung und Schlafsäcke.»
Innert vier Stunden sammelten sie so sieben «Überlebens-Kits», wie sie es nennen. Ein solches Set bestehe aus Zelt, Matten, Schlafsäcken, Blachen, Taschenlampen, Stiefeln und Sackmessern. «Am Openair Frauenfeld konnten wir ungefähr das Zehnfache sammeln», berichtete Fischer.
Am nächsten Tag wurden die Einzelteile sorgfältig gewaschen und verpackt.