Ständerat will Diskussion um Zuwanderungsinitiative rasch beenden

Ständerat will Diskussion um Zuwanderungsinitiative rasch beenden

07.12.2017, 11:20

Der Ständerat möchte die Diskussion um den Zuwanderungsartikel so rasch wie möglich abschliessen. Wie der Nationalrat lehnt er die Rasa-Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Nun sind die Initianten am Zug.

Sie müssen demnächst entscheiden, ob sie die Initiative «Raus aus der Sackgasse» (Rasa) zurückziehen wollen. Diese will den Zuwanderungsartikel, der mit Annahme der Masseneinwanderungsinitiative in die Verfassung aufgenommen wurde, ersatzlos streichen.

Allerdings ist dieser Artikel inzwischen ohne Schaden für die Personenfreizügigkeit umgesetzt worden. «Das Hauptanliegen der Initiantinnen und Initianten, die bilateralen Abkommen mit der EU nicht zu gefährden, ist erfüllt», sagte Kommissionssprecher Peter Föhn (SVP/SZ).

Diese Diskussion solle nicht wieder aufgenommen werden, weil damit mehr Verwirrung gestiftet als Klarheit geschaffen würde. Mit dem gleichen Argument hatte die Staatspolitische Kommission auch einen Gegenvorschlag abgelehnt.

Klarstellung des Souveräns

Für einen solchen machte sich der Ausserrhoder FDP-Ständerat Andrea Caroni stark. Er schlug vor, den Zuwanderungsartikel zu ergänzen. Der Abschluss völkerrechtlicher Verträge, die gegen den Artikel verstossen, wäre nicht mehr verboten. Die Zuwanderungssteuerung soll dabei aber berücksichtigt werden müssen. Zudem soll in der Verfassung verankert werden, dass die Schweiz ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen einhalten muss.

Caroni erinnerte an die Kluft zwischen dem Auftrag des Zuwanderungsartikels und dem Umsetzungs-Gesetz, dass ohne Kontingente und Höchstzahlen auskommt. Mit einer Ergänzung könne der Souverän klarstellen, dass er die Wertung des Gesetzgebers gutheisse, sagte Caroni. Er warnte davor, dass sonst noch schärfere Initiativen wie die Kündigungs- oder die Selbstbestimmungs-Initiative Rückenwind bekommen könnten.

Unterstützung erhielt Caroni vor allem von der Linken. «Wir müssen etwas tun», sagte der Berner SP-Ständerat Hans Stöckli angesichts der Diskrepanz zwischen Verfassung und Gesetz. Ein Gegenvorschlag zur Rasa-Initiative sei eine Gelegenheit, um Rechtssicherheit zu schaffen. «Lassen Sie das Volk entscheiden», forderte auch Daniel Jositsch (SP/ZH).

Die Rasa-Initiative selber fand kaum Unterstützung. Im Namen der Befürworter erinnerte Robert Cramer (Grüne/GE) daran, dass die Masseneinwanderungsinitiative nur knapp angenommen worden war. Die Auffassung, dass der Zuwanderungsartikel nichts in der Verfassung zu suchen haben, sei weit verbreitet.

Die grosse Mehrheit des Ständerats sprach sich sowohl gegen die Initiative als auch gegen einen Gegenvorschlag aus. Thomas Minder (parteilos/SH) argumentierte grundsätzlich: Die Schweiz verkrafte keine unbegrenzte Zuwanderung. Minder sprach von Stau, steigenden Steuern, Arbeitslosigkeit und Armut. Die Annahme der Rasa-Initiative bedeute: «Schleusen auf für 511 Millionen EU-Bürger.»

Gefährliches Signal

Philipp Müller (FDP/AG) hatte Bedenken, weil eine klare Ablehnung der Rasa-Initiative als Zeichen für die Einführung von Kontingenten gelesen werden könnte. Die Möglichkeit einer Klärung zeichne sich mit der Initiative zur Kündigung der Personenfreizügigkeit ab ab. Auch Beat Vonlanten (CVP/FR) warnte vor einem «Eigentor». Daran könnten auch die Initianten kein Interesse haben.

Viele Ratsmitglieder forderten daher einen Rückzug der Rasa-Initiative. Sie erinnerten an die mit der Personenfreizügigkeit vereinbare Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative. Unter diesen Umständen hätten die Initianten die Rasa-Initiative wohl gar nicht lanciert, sagte Raphaël Comte (FDP/NE). «Wenn du ein totes Pferd reitest, ist es besser, abzusteigen», erklärte Stefan Engler (CVP/GR).

Schliesslich entschied der Ständerat mit 34 zu 6 Stimmen bei 4 Enthaltungen, die Rasa-Initiative zur Ablehnung zu empfehlen. Der Gegenvorschlag scheiterte jedoch mit 29 zu 14 Stimmen. Die Vorlage ist damit bereit für die Schlussabstimmung.

Offene Fragen

Es handelt sich bei weitem nicht um die einzige Baustelle in der Europapolitik. Die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative ist zwar beschlossen, aber noch nicht in Kraft. Niemand weiss, wie sich die Stellenmeldepflicht auf die Zuwanderung auswirken wird. Auch sind die politischen Flurschäden der «Umsetzung light» noch nicht zu Tage getreten.

Parallel dazu laufen seit Jahren die Verhandlungen zu einem Rahmenabkommen über institutionelle Fragen. Nächstes Jahr soll es endlich zum Abschluss kommen. Es wäre nicht die erste Frist, die folgenlos verstreicht. Selbstredend ist auch unklar, was im Rahmenabkommen letztlich stehen wird.

Über allem schwebt das Damoklesschwert der Kündigungs-Initiative von SVP und AUNS, die das Ende der Personenfreizügigkeit und damit der Bilateralen einleiten könnte. Der Text des Volksbegehrens liegt derzeit bei der Bundeskanzlei zur Vorprüfung. (sda)

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