Die Nazis mochten das Christentum nicht. Abgesehen davon, dass dessen zentrales Gebot der Nächstenliebe – von der Feindesliebe gar nicht zu reden – ihrer mörderischen Weltsicht fundamental widersprach, musste sie schon die simple Tatsache reizen, dass Jesus Jude war.
Zwar bekannte sich das Parteiprogramm der NSDAP von 1925 zu einem «positiven Christentum», allerdings nur «soweit es mit dem Deutschtum vereinbar» sei. Der Nazi-Chefideologe Alfred Rosenberg hingegen fand 1930, das Christentum sei geistig zu überwinden und politisch ohnmächtig zu halten.
Beim Versuch, den Einfluss des christlichen Glaubens zurückzudrängen, kümmerten sich die Nazis nach der Machtübernahme auch um das mit Abstand beliebteste christliche Fest – Weihnachten. Freilich musste auch dem antiklerikalsten Nazi-Fanatiker klar sein, dass man den Deutschen den lichtergeschmückten Tannenbaum nicht einfach wegnehmen konnte.
So versuchten die Nazis es mit einer Methode, die – Ironie der Geschichte – das Christentum seinerseits schon einmal angewandt hatte: das Ritual beibehalten, aber die Inhalte ersetzen. Immerhin hatten christliche Missionare es geschafft, heidnische Lichterfeste zur Wintersonnenwende christlich zu überformen, indem sie sie mit der Geburt Jesu verbanden.
Angeführt von der «Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe» der SS und dem sogenannten «Amt Rosenberg» machten sich die Nazis daran, das christliche Weihnachtsfest wiederum heidnisch zu unterwandern. Immerhin sei kein Fest «so deutsch und so eng mit der Glaubenswelt unserer Vorfahren verbunden wie das Weihnachtsfest», wie es 1937 in einer Anleitung des Heimatwerks Sachsen zur Brauchtumspflege hiess.
So schufen die Nazis einen neuen, vermeintlich germanischen Sonnenwendkult – den sie auch Julfest nannten – und ersetzten den Christbaum durch den «arteigenen Weihnachtsbaum», die Jultanne. Passend dazu gab es auch «Jul-Schmuck» mit nationalsozialistischen Motiven. Statt der Krippe sollte ein Weihnachtsgärtchen unter dem Baum stehen. Generell versuchte man, die Verwendung christlicher Symbole in der Öffentlichkeit zu beschränken.
Auch der St.Nikolaus sollte entchristlicht werden. Die Nazis versuchten ihn durch den Geschenke bringenden Schimmelreiter zu ersetzen und behaupteten, in Wahrheit stecke der germanische Hauptgott Wodan in dieser Figur. Weiter wurde aus dem Christstollen runenförmiges «Sinngebäck» und populäre Weihnachtslieder wurden umgetextet: Aus der Zeile «Jesus, der Retter, ist nah» im bekannten Lied «Stille Nacht» wurde «jetzt werdet Lichtsucher alle».
Während der Kriegszeit von 1939 bis 1945 änderte sich der Charakter des Weihnachtsfests. Nun stand der Soldat im Mittelpunkt. Weihnachten 1939, am ersten Heiligen Abend im Krieg, besuchte Hitler überraschend die Westfront und mischte sich als «Erster Soldat» unter die Truppen. In dem glorifizierenden Gedicht «Weihnacht mit dem Führer» des aus der Schweiz stammenden Nazi-Poeten Heinrich Anacker hiess es dazu:
Ab 1941 begann die angespannte Versorgungslage das Fest zu beeinträchtigen; es wurde immer frugaler. Dazu kamen – vermehrt in den letzten Kriegsjahren – kriegsbedingte Todesfälle und die Auswirkungen der Bombenangriffe, während das Regime den Mythos der «Soldatenweihnacht» verklärte. Die Stimmung der Bevölkerung kippte zusehends ins Sarkastische.
Propagandaminister Goebbels vermerkte Ende November 1941 in seinem Tagebuch:
Allen Propaganda-Anstrengungen zum Trotz: Weder die Jultanne noch die neuen Liedtexte konnten sich durchsetzen. Die Entchristlichungs-Erfolge der Nazis hielten sich stets in engen Grenzen; die überwältigende Mehrheit der Leute zog es vor, an den vertrauten Formen und Liedtexten festzuhalten.
Ein, zwei Jahre vor Kriegsende mussten die Nazis einsehen, dass sie das Volk noch nicht so weit hatten, um an die Stelle der traditionellen, christlichen Traditionen ihre eigenen zu setzen. Und je näher die alliierten Armeen der Heimat kamen, desto unattraktiver wurde die Nazi-Weihnacht. Nach dem Krieg war man dann ohnehin gut beraten, verfänglichen Baumschmuck zu entsorgen.