Die Zahl der Corona-Neuansteckungen in der Schweiz steigt. Am Mittwoch lagen sie bei 1077 Neuansteckungen innerhalb von 24 Stunden, am Donnerstag bei 1172. Damit bewegen sich die Zahlen in einem ähnlichen Bereich wie Ende März, als die Schweiz mit einem Lockdown reagierte.
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Offene Fragen zur aktuellen Entwicklung gibt es viele. Wir haben einige davon gesammelt und nach bestem Wissen beantwortet.
«Ich frage mich, wo sich die Leute aktuell wieder mehr anstecken», schreibt eine Userin in die watson-Kommentarspalte. Dazu schrieb das Bundesamt für Gesundheit im August, dass die meisten Ansteckungen im familiären Umfeld gefolgt vom Arbeitsplatz geschehen. Daran hat sich seither nichts geändert. Bundesrat Alain Berset sagte am Dienstag zur aktuellen Situation, dass private Feste der Hauptansteckungsort mit dem Coronavirus seien.
Viele watson-User fragen, warum sich jetzt mehr junge Personen mit dem Coronavirus anstecken als im März. Einige bezweifeln auch, dass dem wirklich so ist. Ist es nicht viel eher so, dass im März junge Infizierte gar nicht getestet und deswegen nicht entdeckt wurden?
Warum jetzt vermehrt junge Leute in der Statistik auftauchen, hat wohl mehrere Gründe. Es ist tatsächlich so, dass Junge mehr soziale Kontakte und einen grösseren Bewegungsradius haben, somit also öfters dem Risiko ausgesetzt sind, sich mit dem Virus anzustecken. Zudem muss bedacht werden, dass im März vor allem Risikopersonen und solche aus Pflegeberufen getestet wurden. Entsprechend kann davon ausgegangen werden, dass insbesondere junge Menschen mit einer Coronainfektion damals nicht getestet wurden und deshalb in den Statistiken fehlten.
Der Bundesrat hat Ende Juni seine Home-Office-Empfehlung aufgehoben. Es ist seither den Arbeitgeberinnen überlassen, wie die Präsenzpflicht im Büro organisiert wird. Vielen ist das offenbar ein Dorn im Aug. Sie verstehen nicht, warum es bei den steigenden Fallzahlen keine erneute Empfehlung fürs Home-Office gibt. Ein User schreibt: «Wenn ich mich anstecke, dann im Büro oder auf dem Weg zum Büro. Home-Office wäre mehr als angebracht.»
Epidemiologe Marcel Salathé findet es verfrüht, die Leute wieder ins Home-Office zu schicken. Im Interview sagt er: «Wenn es der lokalen Situation entspricht, kann man über so etwas nachdenken. Schweizweit würde ich das aber momentan nicht fordern.»
Etwas kritischer sieht es Infektiologe Jan Fehr. Er empfiehlt Home-Office oder zumindest einen sinnvollen Splitmodus für die Belegschaft, sofern die Abstandsregelung und regelmässiges Lüften nicht eingehalten werden können. «Ansonsten braucht es Masken auch im Büro», sagte er kürzlich gegenüber watson.
So fragt es ein User in der Kommentarspalte. Tatsächlich gibt es immer wieder Nachrichten in denen es heisst, dass wieder irgendwo ein Cluster entdeckt worden sei.
In Bezug auf das Sars-CoV-2-Virus spricht man von einem Cluster, wenn es an einem bestimmten Ort während einer bestimmten Zeit zu einer Anhäufung von Erkrankungsfällen gekommen ist. Heisst es zum Beispiel, dass ein Corona-Cluster an einer Schule entdeckt wurde, dann heisst das, dass es dort zu einer Häufung von Fällen kam. Wichtig ist dann, dass die kranken Personen isoliert werden und sich nahe Kontakte in Quarantäne begeben. So kann eine Infektionskette unterbrochen werden.
Um Infektionsketten zu unterbrechen, müssen die kantonalen Contact Tracer möglichst vielen Ansteckungsfällen nachspüren und nahe Kontakte der erkrankten Person informieren. Die Kantone beziffern den Zeitaufwand für das Contact Tracing auf zwanzig bis dreissig Stunden pro positiv getesteter Person. Im Schnitt müssen die Tracer während dieser Zeit zwanzig Personen ausfindig machen und kontaktieren.
Ein Rechenbeispiel: Im Kanton Zürich wurde vergangene Woche durchschnittlich 130 Fälle pro Tag gemeldet. Jeder Fall bedeutet 30 Stunden Arbeitsaufwand. Also 3900 Stunden, oder 464 Arbeitstage. Es bräuchte also theoretisch 464 Vollzeit-Tracer im Kanton Zürich, um die Neuansteckungen zu bewältigen. Vorhanden sind 250, wobei lediglich je 50 von ihnen täglich im Einsatz sind.
Angesichts dieser Zahlen muss die Frage so beantwortet werden: In den meisten Kantonen sind die Contact Tracer bereits jetzt am Anschlag. Allen Ansteckungen manuell nachzuspüren ist ein Ding der Unmöglichkeit.
In den letzten Wochen und Monaten wurden immer mehr Coronafälle entdeckt, wo die infizierten Personen keine oder nur milde Symptome hatten. So zeigt sich für die Gruppe der positiv Infizierten, bei denen allfällige Symptome erfasst wurden, derzeit folgendes Bild: Aktuell haben knapp 10 Prozent der positiv Getesteten keine Symptome. Ende Mai lag sie bei über einem Drittel.
Warum dem so ist, fragt sich eine Userin. Der Grund ist, dass jetzt mehr Leute getestet werden und damit auch mehr asymptomatische Infizierte gefunden werden. Getestet werden vor allem auch durch Contact Tracing benachrichtigte Personen, die mit einem Infizierten nahe in Kontakt standen. Angesteckte, die keine Symptome zeigen, hätten sich wohl ohne die Tracer kaum testen lassen. Im Frühling wurden nur Personen mit schweren Symptomen getestet, hier fehlen also die asymptomatischen Verläufe in der Statistik.
Die Todesfälle sind seit dem Frühling gesunken. In den Sommermonaten fast gegen Null, seit September steigt die Kurve wieder leicht an. In der vergangenen Woche starben pro Tag zwischen null und drei Personen an den Folgen des Coronavirus.
Warum trotz hohen Fallzahlen nun weniger Menschen sterben, fragt sich ein User. Ein Grund dürfte sein, dass sich grundsätzlich weniger Personen anstecken, die zur Risikogruppe gehören. Sie haben gelernt, mit dem Virus umzugehen und treffen bessere Vorsichtsmassnahmen, um sich vor einer Ansteckung zu schützen.
Ebenfalls ausschlaggebend ist, dass der Altersdurchschnitt der Corona-Infizierten gesunken ist. In den Alters- und Pflegeheimen sind die Sicherheitsmassnahmen hoch, um ein Ausbruch des Virus zu verhindern.
Forscher aus Wissenschaft und Medizin setzen sich indes intensiv mit dem Virus auseinander und verbessern ihre Methoden ständig. Das verbesserte Know-how führt ebenfalls dazu, dass Coronapatienten von Beginn weg eine bessere Behandlung erhalten.
«Das Virus wird schwächer», titelte vor einiger Zeit die deutsche «Bild»-Zeitung. Doch dafür gibt es derzeit keine handfesten Belege. Richard Neher, Leiter der Forschungsgruppe «Evolution von Viren und Bakterien» an der Universität Basel sagt, es sei zu früh für solchen Optimismus. Zwar habe das Coronavirus Mutationen durchgemacht, aber «es gab keine Mutation, die sich in ganz Europa durchgesetzt hätte», so Neher gegenüber dem deutschen Nachrichtensender WDR. Das Virus habe sich zwischen März und August nicht entscheidend verändert und ist auch nicht schwächer geworden.
Habt ihr hier die Zahlen vertauscht (10% ist ja weniger als ein Drittel)? Oder vergleicht ihr nicht die aktuellen Zahlen mit Mai, sondern mit März? Etwas unklar.