Der «Spiegel» nennt ihn «Trumps Mastermind», für die «New York Times» ist er der «de facto Präsident», «Bloomberg» hält ihn für den «gefährlichsten Politiker Amerikas» und das «Time Magazine» für den «zweitmächtigsten Mann der Welt». Wer ist Stephen Bannon? Zieht der Chefstratege im Weissen Haus die Fäden und nicht der 45. Präsident der USA? Das fragen sich derzeit nicht nur die Medien und die Amerikaner, sondern die ganze Welt.
Bannon wuchs als eines von fünf Kindern einer Arbeiterfamilie in Norfolk, Virginia, auf. Die Eltern: Kennedy-Anhänger, also Demokraten, und gewerkschaftsnah. Ihren Sohn schickten die irischen Einwanderer auf eine streng katholische Schule, bevor er auf der Virginia Tech einen Bachelor in Städteplanung machte.
Wie war dieses politische Schwergewicht als Kind?
Pat McSweeney ist zur gleichen Schule gegangen: Der Republikaner beschreibt ihn als «kämpferisch» und «angriffslustig»: «[Er war] untersetzt, aber was ihm beim Sport physisch fehlte, kompensierte er mit Energie und Entschiedenheit. Man musste ihn zurückhalten, in Konflikten wich er nie zurück.»
Nach seinem Bachelor ging Bannon 1976 zur Navy und diente sieben Jahre lang als Offizier auf dem Zerstörer USS Paul F. Forster. «Ich war nicht politisch, bis ich den Dienst antrat und sah, wie übel Jimmy Carter die Dinge vergeigt hat», eröffnet er einem «Bloomberg»-Reporter. «Ich wurde ein grosser Reagan-Bewunderer und bin es heute noch.»
Nach dem aktiven Dienst arbeitet Bannon als Assistent eines Marineoffiziers im Pentagon. In der Nacht büffelt er: 1983 schliesst Bannon an der Georgetown University in Washington einen Master-Studiengang in «National Security Studies» ab.
Anschliessend schreibt er sich an der Harvard University für einen «Master of Business Administration» ein, weil er an der Wall Street Geld machen will: Nach dem Abschluss fängt er 1985 als Banker bei «Goldman Sachs» an. Die US-Börse boomt: Windige Investoren übernehmen mit geliehenem Geld grosse Firmen. «Es war wie ein Feuersturm», umschreibt es Bannon.
Auch sein Arbeitgeber «Goldman Sachs» nimmt fremdes, mitunter faules Kaptal an, um beim grossen Glücksspiel mitzumischen. 1990 kündigt Bannon und gründet mit Kollegen die Investmentfirma «Bannon & Co.», die sich auf Medien spezialisiert. In dieser Branche beginnt er seine zweite Karriere.
Ab 1992 produziert er 18 Filme, mischt als Teilhaber bei Medien-Unternehmen wie «The Firm, Inc.» oder (von 2007 bis 2011) als CEO bei «Affinity Media» mit.
Finanziell läuft es: Nach dem einträglichen Banker-Job sahnt der Mann aus Virginia 1993 ganz gross ab, als «Bannon & Co.» mit dem Verkauf von «Castle Rock Entertainment» beauftragt wird. Die Studios sind für Filme wie «When Harry Met Sally», «Misery» und einige Serien verantwortlich.
Bannon fädelt eine Übernahme durch den Time-Warner-Konzern ein, und weil dessen Besitzer Ted Turner knapp bei Kasse ist, stimmt der heutige Präsidenten-Berater zu, als Bezahlung Anteile an fünf Serien zu übernehmen. Eine dieser Serien ist «Seinfeld» – die Show läuft damals in der dritten Staffel und wird zum lukrativen Quoten-Hit. Spätestens nach dem Verkauf von «Bannon & Co.» 1998 ist der Firmengründer ein gemachter Mann.
2004 dreht Bannon unter dem Eindruck von 9/11 seinen ersten eigenen Streifen: «The Face of Evil» ist die Verfilmung eines Buchs von Peter Schweizer über Ronald Reagan. Bei der Premiere lernt er einen gewissen Andrew Breitbart kennen, der später sagen wird, Bannon sei die «Leni Riefenstahl der Tea-Party-Bewegung». Wer den unten stehenden Ausschnitt sieht, versteht den Vergleich.
Breitbart und Bannon haben viel gemeinsam. Beide leben in Los Angeles, arbeiten im Medien-Business, teilen die konservative Gesinnung und haben das Gefühl, die amerikanische Kultur gehe verloren. «Eines der Dinge, die ich an ihm bewundert habe: ‹Expertenmeinung› war für ihn das schlimmste Wort überhaupt», erinnert sich Bannon an den Mann, der grossen Einfluss auf ihn hatte.
2005 gründet Breitbart seine «Breitbart News», doch erst als er «Steve» Bannon an Bord holt, mausert sich die Agentur zum medialen Sprachrohr der neuen Rechten. «Unsere Vision, Andrews Vision, war stets, eine globale, populistische Mitte-Rechts-Website gegen das Establishment aufzubauen», verdeutlicht Bannon, der die Investoren für das Projekt ins Boot holte.
Während sich der Vater dreier Töchter über Karriere und Finanzen nicht beklagen kann, hat er privat weniger Erfolg. Zwei Ehen scheitern, eine dritte Scheidung folgt 2009. Seine zweite Frau wirft ihm zudem häusliche Gewalt vor, erscheint aber 1996 nicht zur Anhörung. Später wird sie als Grund angeben, ihr Ex habe sie bedroht.
Das Jahr 2008 ist für den früheren Navy-Offizier ein Fiasko. Zum einen wegen der Bankenkrise. «Was mich gegen das ganze Establishment aufgebracht hat, war, zu sehen, dass [George W.] Bush es genauso übel vergeigt hat wie Carter. Der amerikanische Steuerzahler musste für dümmliche Geschäfte aufkommen, um Typen auszulösen, die es nicht verdient hatten.»
Damals manifestiert sich sein Hass auf eine «herrschende Klasse»: «Die Globalisten haben die amerikanische Arbeiterklasse ausgeweidet und in Asien eine Mittelklasse geschaffen», erklärt Bannon. Und als wäre das nicht genug, gewinnen die Demokraten auch noch die Wahl: Barack Obamas Amtsantritt ist gleichzeitig die Geburtsstunde der Tea-Party-Bewegung.
Bannon wird der ideologische Kopf dieser neokonservativen Gruppe: Er feiert sie 2010 in seinem Film «Battle for America», schürt im selben Jahr mit seinem Streifen «Generation Zero» Angst vor Verarmung und warnt vor Verschuldung. «Im Gegensatz zu erfundenen Krisen, wie die globale Erwärmung oder die des Gesundheitssystems, ist das eine echte Krise», warnt er 2010 bei einer Tea-Party-Veranstaltung in New York.
Bannon setzt seine Hoffnungen auf Sarah Palin, über die er 2011 das Portrait «The Undefeated» dreht. Gleichzeitig baut er «Breitbart.com» zur Speerspitze seiner politischen Stossrichtung aus: 2011 kann sich die Website auf die Fahnen schreiben, den Demokraten Anthony Wiener zu Fall gebracht zu haben, den anstössige Twitter-Bilder den Job kosteten.
Als Andrew Breitbart 2012 mit nur 43 Jahren einem Herzinfarkt erliegt, übernimmt Bannon das Ruder bei der Agentur. Er setzt auf die immer gleichen Themen – verpackt in Geschichten mit Helden und Bösewichten: «Unsere gesamte Denkweise ist darauf ausgerichtet, nach solchen fortdauernden Erzählungen zu suchen», erläutert Breitbart-Mann Alex Marlow die Strategie. Und was sind die grossen Themen?
Doch der Einsatz wird nicht belohnt: Tea-Party-Politikerin Sarah Palin wird von den Republikanern nicht dazu bestimmt, 2012 gegen Barack Obama anzutreten. Bannon erhöht die Schlagzahl: Er gründet mit Peter Schweizer das «Government Accountability Institute» (GAI), um mehr Einfluss auf Politik und Medien auszuüben (siehe Bildstrecke unten).
Was Bannon antreibt, ist der Glaube, das Abendland retten zu müssen. Seine Argumente wiederholen sich: Einwanderung setzt er gleich mit «Invasion». Besonders schlimm findet er muslimische Immigranten. «Wir stehen am Anfang eines globalen Krieges gegen islamische Faschisten», predigt er, warnt aber gleichzeitig: «Glaubt dem Establishment nicht. Glaubt der politischen Klasse nicht.»
Dabei zählt sich dieser Mann zu einer konservativen Elite: «Ihr seid die letzte Verteidigungslinie. Wenn Gruppen wie ihr nicht zusammenhalten, fällt das Land auseinander», sagt er 2011 bei einer Rede in Florida vor den Repräsentanten der Liberty Restoration Foundation. Und: «Wir haben eine heilige Pflicht, die besten Traditionen der Vergangenheit zu bewahren und der Zukunft zu übergeben.»
Als die USA 2016 diskutieren, 10'000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen, gibt Bannon auf Breitbart Contra: «Das sind keine Demokraten. Das sind keine Leute, die herkommen und seit Tausenden von Jahren ein Verständnis von Demokratie in der DNA haben.» Die Fronten sind klar – «in der lange Geschichte des Kampfes des jüdisch-christlich geprägten Westens gegen den Islam».
Trump wirkt gegen Bannon fast schon liberal. Als der neue Präsident 2015 bei einer Breitbart-Diskussion sagt, man könne qualifizierte Einwanderer ja schon noch behalten, meint Bannon: «Ähm, ich bin da taffer. Wissen Sie, zwei Drittel oder drei Viertel der CEOs im Silicon Valley kommen aus Asien. Eine Nation ist mehr als die Wirtschaft: Wir sind eine Zivilgesellschaft.»
Doch wie bei Trump lohnt es sich auch bei Bannon, die Fakten zu prüfen: Tatsächlich haben nur 13.9 Prozent der Silicon-Valley-Bosse asiatische Wurzeln.
Bannon gelingt das für viele Unglaubliche: Nicht zuletzt weil Hillary Clinton wegen ihrer Stiftung und der Email-Affäre unter Druck gerät, zieht Donald Trump ins Weisse Haus ein. Würde der Chefstratege am liebsten selbst im Chefsessel sitzen? Nein, Bannon ist genau da, wo er sein will.
Seine Strategie geht auf:
Das Entsetzen liberaler Medien geniesst der Millionär, der nie Schlips trägt, um seine Volksnähe zu signalisieren. Star-Wars-Vergleiche kommentiert er so: «Dunkelheit ist gut. Dick Cheney. Darth Vader. Satan. Das ist Macht.» Und Bannon beginnt, seine Macht zu nutzen: Trumps Einwanderungsbeschränkungen für Muslime tragen ebenso seine Handschrift wie der neue harte Kurs gegen «Illegale» und der protektionistische Wirtschaftskurs.
«Wir sind hochgradig fremdfinanziert, und wir haben einen Wohlfahrtsstaat aufgebaut, der total untragbar ist», kritisierte Bannon 2011. Da verwundert es nicht, dass er als nächsten Schritt die «Dekonstruktion des administrativen Staates» ankündigt. Die Steuern und Staatsquote zu senken, sei aber kein Kinderspiel: «Wenn ihr denkt, sie werden uns das Land ohne Kampf zurückgeben, dann täuscht ihr euch schwer. Jeder Tag wird ein Kampf sein.»
Es ist diese martialische Haltung, die den Hardliner gefährlich macht. Zumal Bannon sich auf die entscheidenden Posten hat setzen lassen: Trump berief ihn in den Nationalen Sicherheitsrat und zog gleichzeitig zwei Vollprofis ab. Der Geheimdienst-Direktor und der formal höchste Militär, der «Chairman of the Joint Chiefs of Staff», sollen nur noch hinzukommen, wenn Themen besprochen werden, die deren Expertise verlangen.
Ist das nicht bei allen Themen im Nationalen Sicherheitsrat so? Wer tritt auf die Bremse, wenn es Ärger mit Russland wegen der Ukraine gibt? Wer relativiert, wenn Meinungsverschiedenheiten mit China über Taiwan oder das Südchinesische Meer auftreten? Wer stoppt Islamisten – und zwar ohne Krieg zu führen oder die Religion per se zu verdammen?
Stephen Bannon sicherlich nicht.