Lamar Alexander hat den letzten Funken Hoffnung ausgetreten. Er werde nicht dafür stimmen, dass weitere Zeugen vorgeladen werden, liess er gestern verlauten. Obwohl der republikanische Senator aus dem Bundesstaat Tennessee nicht mehr zur Wiederwahl antritt und damit frei gewesen wäre, sich dem gewaltigen Druck der Grand Old Party (GOP) zu entziehen, hat er sich dagegen entschieden.
Damit steht mehr oder weniger fest: Die Demokraten werden die nötigen 51 Stimmen für weitere Zeugen nicht erreichen. Selbst wenn es für ein Unentschieden von 50 zu 50 reicht, nützt dies nichts.
Der oberste Bundesrichter John Roberts könnte dann zwar theoretisch noch das Zünglein an der Waage spielen, wird es aber nicht tun. Deshalb wird der ehemalige Sicherheitsberater John Bolton nicht im Zeugenstand erscheinen.
Damit steht auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass Trump noch am Sonntag in seinem präsidialen Super-Bowl-Interview seinen Freispruch feiern kann. Am kommenden Dienstag wird er danach seinen Triumph an seiner State-of-the-Union-Rede vor dem versammelten Kongress nochmals auskosten. Spiel, Satz und Match für den Präsidenten also? Nicht ganz.
Lamar will zwar keine weiteren Zeugen. Doch er hat auch klargemacht, dass er die Vorwürfe an die Adresse des Präsidenten für berechtigt hält. So lobt er ausdrücklich die Arbeit der Ankläger und hält in seiner Begründung fest:
Lamar bestätigt damit, was alle, die noch eine funktionierende Gehirnzelle im Kopf haben, längst erkannt haben: Trump hat den ukrainischen Präsidenten erpresst. Es gab ein Quidproquo, er hat die Militärhilfe zurückbehalten und danach versucht, alles zu vertuschen.
Damit ist die Mär vom «perfekten Telefongespräch» endgültig entlarvt und die stereotyp wiederholte Aufforderung, «das Transkript zu lesen», überflüssig geworden.
Nicht nur Lamar, selbst Trumps Anwälte haben diese Position übernommen. Zu Beginn des Impeachment-Prozesses haben sie sich noch wacker abgemüht, die Es-gab-kein-Quidproquo-These zu verteidigen. Mittlerweile zucken sie mit den Schultern und sagen: Mag sein, aber WTF.
Das juristische Feigenblatt für diese Haltung hat ihnen der Harvard-Jurist Alan Dershowitz geliefert. Seine Begründung lautet: Wenn der Präsident glaubt, im Interesse der Öffentlichkeit zu handeln, dann darf er sich alles erlauben. Das erinnert stark an Richard Nixon, der in einem legendären Interview mit David Frost schon 1977 erklärt hatte: «Wenn der Präsident etwas tut, dann kann dies gar nicht illegal sein.»
Diese Haltung vertritt auch Trump – unterstützt von seinem Justizminister William Barr. Immer wieder betont er eine Abwandlung des Satzes: Als Präsident kann ich alles tun. Fälschlicherweise beruft er sich dabei auf den Artikel 2 der Verfassung.
Die Weigerung der Senatoren, einen fairen Prozess durchzuführen, wird Trump in dieser Haltung noch bestärken. Er hat nun für den kommenden Wahlkampf de facto einen Freibrief für sämtliche Schandtaten erhalten.
Hat das Impeachment Trump damit genützt? So klar lässt sich diese Frage nicht beantworten.
Nancy Pelosi und Adam Schiff ist es gelungen, seine Lüge vom «perfekten Telefongespräch» zu entlarven. Zudem haben sie aufgezeigt, dass der Prozess zu einer schäbigen Vertuschung verkommen ist. Vor allem bei den alles entscheidenden unabhängigen Wählern könnte dies Trump und der GOP schaden. Vergessen wir nicht: Drei Viertel der Amerikaner hätten sich Zeugen gewünscht.
Ebenso ist damit zu rechnen, dass noch weitere, für Trump schädliche Enthüllungen folgen werden. Das gilt selbst dann, wenn es dem Weissen Haus gelingen sollte, die Veröffentlichung von John Boltons Buch mit fadenscheinigen Begründungen zu verhindern.
Trotzdem ist der Ausgang des Impeachment-Prozesses ein schwerer Rückschlag für die amerikanische Demokratie und den Rechtsstaat. «Die Konsequenzen dieser Farce sind nicht lustig», schreibt Dana Milbank, Kolumnist bei der «Washington Post», und fügt die bange Frage hinzu: «Was wird Trump als Nächstes tun, jetzt, da er weiss, dass er weder angeklagt noch impeached werden kann, unabhängig davon, ob seine Aktionen auch legal sind?»
Ab sofort gibt es reichlich Grund für Pessimismus und Angst: «Möge Gott uns helfen», sagt denn auch der demokratische Senator Mark Warner.
Adam Schiff, der brillante Anführer der Ankläger, hat zu Recht gewarnt: «Das Recht ist wichtig, die Wahrheit ist wichtig. Sonst sind wir verloren.»