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Corona: Was die Schweiz von Israel lernen kann

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Kommt auch in der Schweiz eine Auffrischimpfung zum Einsatz?Bild: keystone

Explodierende Coronazahlen trotz hoher Impfquote: Was die Schweiz von Israel lernen kann

Hoher Impfrate zum Trotz: In Israel steigen die Coronazahlen. Eine dritte Impfung und gezielte Massnahmen sollen einen Lockdown verhindern.
20.08.2021, 22:00
Christoph Bopp und Roman Schenkel / ch media
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Die seit Mitte Juli stetig steigenden Zahlen in Israel deuten darauf hin, dass es bald zu einem Allzeithoch der Neuinfektionen kommen könnte. Dies, trotz einer der höchsten Impfraten der Welt: Gegen 70 Prozent der Israeli sind «vollgeimpft». Das bedeutet: 21 Tage nach der zweiten Dosis eines mRNA-Impfstoffs (meist Pfizer/Biontech, Moderna ist weniger häufig) oder 14 Tage nach einer Dosis eines anderen Impfstoffs.

Sorgen bereitet, dass bereits mehr als 50 Prozent der Fälle in den Spitälern «Vollgeimpfte» sind. Leider ist nicht ganz klar, wie die Altersverteilung ist. Aber die Einsicht, dass die Delta-Variante des Virus mit den bisherigen Impfungen nicht besiegt werden kann, kann nicht wegdiskutiert werden.

Israel hat wohl zu früh wieder alles geöffnet

Dass Israel alles geöffnet und alle Schutzmassnahmen aufgehoben hat, war wahrscheinlich zu früh. Deshalb bemüht sich jetzt die neue Regierung unter Ministerpräsident Naftali Bennet, einen neuen Lockdown zu verhindern. Sie setzt vor allem auf Boosterimpfungen (die dritte Dosis wird mittlerweile Personen ab 40 Jahren angeboten) und will die Massnahmen abgestuft wieder einführen - falls ­nötig.

Die Daten zeigen zwei Dinge: Dass die bisherigen Impfungen immer noch recht gut gegen einen schweren Verlauf schützen, auch wenn der Schutz gegen Infektion abgenommen hat. Und dass die dritte Dosis auch wieder besser gegen eine Neuinfektion schützt. Falls Israel rechtzeitig die Impfungen verabreichen kann, lässt sich die vierte Welle vielleicht noch dämpfen, ohne dass das Gesundheitssystem an seine Grenzen gerät.

Seit Freitag werden über 60-Jährige und das Gesundheitspersonal über 40 Jahre ein drittes Mal geimpft. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die dritte Impfung sogleich kritisiert, denn während Hunderte Millionen Menschen weltweit auf das Vakzin warten, wird es in den reichen Ländern bereits ein drittes Mal verimpft. Die Impfdosen, die dafür verbraucht werden, gefährden die Pläne der WHO, die Impfquote global voranzubringen.

In der Schweiz wird derzeit diskutiert, ob eine dritte Impfung zum Einsatz kommt. Noch ist die Situation hierzulande etwas anders: Die in den Spitälern behandelten Patienten sind mit grosser Mehrheit Ungeimpfte. Impfdurchbrüche gibt es aber auch in der Schweiz. Für die letzten zwei Wochen meldete das BAG 247 Fälle von Doppeltgeimpften, die sich mit Corona angesteckt haben. Insgesamt sind dem BAG seit Angang Jahr 782 Fälle bekannt. Expertinnen und Experten gehen aber davon aus, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt.

Nach Alter betrachtet, kommen Impfdurchbrüche in allen Kategorien vor. Bei den 122 bislang bekannten Hospitalisationen nach Impfdurchbrüchen stellen über 80-jährige Personen mit 61 Fällen die Hälfte. Todesfälle nach Impfdurchbrüchen kommen derweil fast ausschliesslich in dieser Kategorie vor.

Schutzwirkung der Impfung lässt schneller nach als erwartet

Völlig überraschend ist die Entwicklung in Israel nicht. Dass die Anzahl der Antikörper nach Impfung und Ansteckung relativ rasch zurückgehen kann, war hinlänglich bekannt. Das ist bei allen Coronaviren so. Was man nicht wusste, wie lang der umfassende Impfschutz anhält. Jetzt ist klar, dass es kaum mehr als sechs Monate sind.

Was bedeutet das für die Zukunft und den Rest der Welt? Weil sich viele Staaten ebenfalls auf die Impfstrategie verlassen (wie auch die Schweiz), hat Israel eine Vorbildfunktion. Das Szenario, das sich nun in Israel abspielt, lässt sich also auch für die Schweiz und andere Staaten nicht ausschliessen.

Und die Antwort dürfte lauten: weiter impfen. Die Auffrischimpfungen sind allerdings nicht nur ein lästiges Übel, sondern könnten auch einen anderen Effekt bewirken. Wenn die Impfstoffhersteller die Vakzinen immer besser auf den Erreger einstellen (was möglich ist), wird das Rennen irgendwann in einem Unentschieden enden (was für uns ein Sieg wäre). Die Überlegung geht so: Das Virus passt sich besser an uns an, der Impfstoff passt sich besser ans Virus an. Irgendwann werden weitere Mutationen, die es dem Virus erlauben würden, den Impfschutz zu unterlaufen, seine Fitness nicht mehr verbessern.

Die Lehren, die man von Israel ziehen kann: Auch wenn man geimpft ist, weiterhin vorsichtig bleiben und nicht glauben, dass jetzt alles wieder gut sei. (aargauerzeitung.ch)

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111 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hakuna!Matata
20.08.2021 23:49registriert Juni 2019
Ich verstehe den Mythos der sehr hohen Impfquote in Israel nicht. Offiziell sind 62% doppelt geimpft. Das heisst 38% sind nicht geimpft. Also mehr als 3 Millionen Einwohner.

Das ist doch mehr als genug Nährboden für das Virus?! Vor allem wenn die Hospitalisierungsrate so hoch ist wie bei Delta. Die Zahlen überraschen also überhaupt nicht.
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Maeldrew
20.08.2021 23:51registriert November 2019
Ui ein ganzer Artikel über die Problematik mit den nur kurz wirkenden Impfungen. Das schreib ich schon eine ganze Weile kritisch in den Kommentaren und werde dafür stetig geblitzt.
Aber schön dass nun auch die Medien langsam darauf aufmerksam machen, dass Impfen nicht das vom Bundesrat beworbene Allheilmittel ist.
Impfen ist sicher ein Teil, aber es ist nicht das einzige was wir tun müssen um diese Pandemie zu beenden.
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it‘s-a-me
20.08.2021 23:53registriert Oktober 2020
Was spricht denn dagegen, für Grossanlässe von allen einen negativen Test zu verlangen?
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