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Wie bringt man einen Finnen zum Sprechen? Es gibt viele Möglichkeiten. Beispielsweise durch den Staatspräsidenten. Als das finnische Staatsradio den für seine Schweigsamkeit legendären Paavo Nurmi – Finnlands grössten Sportler aller Zeiten – 1967 an seinem 70. Geburtstag interviewen wollte, lehnte er wie üblich ab und sagte, er rede nur mit dem Präsidenten.
Und tatsächlich begab sich darauf Finnlands Staatspräsident Urho Kekkonen ins Radiostudio und führte das Interview. Und fasziniert hörte das Volk den «grossen Schweiger» reden.
Derart hohen Besuch brauchte es nicht, um den finnischen SCB-Trainer Kari Jalonen zum Reden zu bringen. Zwei Niederlagen nach einer 3:0-Führung genügten auch.
Seine Berner haben gegen Langnau (3:5) und Biel (4:5 n.P) zweimal hintereinander nach einer Dreitore-Führung verloren. Und ihren Trainer zum Sprechen gebracht.
Kari Jalonen sagt, er sei nach der Niederlage gegen Biel am Samstagabend nicht laut geworden. «Ich habe nur die Zeit für die Besammlung am Sonntag für die Abfahrt nach Zürich durchgegeben.» Bei der Besammlung hat es dann allerdings eine Predigt gegeben. «Ich habe zur Mannschaft gesprochen». Auf die Frage wie lange, sagt er nach einigem Überlegen, es seien wohl um die 15 Minuten gewesen.
Als jemand einwandte, es könne doch nicht sein, dass ein Finne eine Viertelstunde ununterbrochen rede, schränkt er ein: «Ich habe nicht nur über das vorangegangene Spiel geredet. Es ging um die ganze Saison und unsere Situation.» Oder einfacher: Kari Jalonen hat seinen Jungs ins Gewissen geredet und länger gesprochen als bei seiner Antrittsrede.
Die viertelstündige «Hockey-Predigt» am Sonntagvormittag zeigte resultatmässig keine Wirkung. Am Sonntagnachmittag hat der SCB auch gegen die ZSC Lions verloren (2:3 n.P). Die dritte Niederlage in Serie. Zum ersten Mal hat der SCB unter seinem finnischen Kulttrainer dreimal hintereinander verloren.
Grosse Trainer reagieren in speziellen Situationen anders als erwartet. Kari Jalonen ist nach der Niederlage im Hallenstadion ausgesprochen guter Laune. Ja, er ist für seine Verhältnisse geradezu redselig und macht eine Rechnung auf: «Wir haben in den drei letzten Spielen nur zwei Drittel nicht gut gespielt. Also gibt es keinen Grund zur Sorge.» Rechne: sieben von neun Dritteln gut = gut gespielt.
Wo er recht hat, da hat er recht. Kommt dazu: die Berner haben gegen Biel und die ZSC Lions nach Penaltys verloren, ohne je einmal in Rückstand zu geraten. Und so ist Kari Jalonen nach drei Niederlagen de suite zufrieden: «Die Reaktion der Spieler in Zürich war gut. Auch wenn das Resultat etwas anderes sagt.»
Der Meister hatte gegen die ZSC Lions mit Pascal Caminada (31) im Tor gespielt. Dem flinken Goalie-Floh (174 cm) aus Klotens Juniorenabteilung, der im Frühjahr 2008 Biel in die NLA «zurückgehext» hat. Er machte seine Sache ausgezeichnet. Kari Jalonen sagt, dieser Einsatz sei schon seit mehr als einer Woche so geplant gewesen um Leonardo Genoni eine Pause zu geben. Der SCB hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch mit seiner Nummer 1 im Tor nicht gewonnen.
Der neutrale Beobachter kommt zum Schluss, die Partie im Hallenstadion sei für den Meister also nur eine Pflichtübung auf dem langen Weg zur dritten Meisterschaft in Serie gewesen. Einfach eines von 50 Qualifikationsspielen.
Für die ZSC Lions stand viel mehr auf dem Spiel. Während Kari Jalonen in Bern als letztjähriger Meistertrainer uneingeschränkte Autorität, ja ein hockeytechnisches Unfehlbarkeitsdogma geniesst, steht Cheftrainer Hans Wallson bei den ZSC Lions seit seinem Arbeitsbeginn im Herbst 2016 in der berechtigten Kritik.
Nun hat das hochstehende, intensive, schnelle Gipfeltreffen gegen den Titelverteidiger den Zürchern und ihrem Trainer nicht nur einen Sieg nach Penaltys und zwei Punkte beschert. Sondern darüber hinaus und einen wichtigen Hinweis: Sie können Meister werden. Und das sollte in Bern ernst genommen werden.
Die ZSC Lions haben in allen drei Zonen und von Anfang bis Ende auf Augenhöhe mit dem Titanen gespielt. Sie hielten das Tempo und die Intensität ohne Schwierigkeiten aus. Sie spielten präzis, schnell und kreativ, defensiv aufmerksam und diszipliniert. Obwohl sie ohne Robert Nilsson – ihren besten Einzelspieler – auskommen mussten.
Mit ziemlicher Sicherheit könnten die ZSC Lions den SC Bern in einem Playoff-Finale erfolgreich herausfordern und Meister werden. Sie haben dazu alle spielerische und taktische Mittel. Wendet sich doch noch alles zum Guten?
Das Problem wird allerdings sein, auf dem Weg ins Finale auch die Teams zu besiegen, die nicht konstruktives, hochentwickeltes, schönes und rassiges Hockey spielen wie der SCB. Sondern Hockey arbeiten, ja Hockey verhindern. Auch der SCB hat soeben zweimal hintereinander gegen solche Teams (SCL Tigers und Biel) verloren.