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Fischer will das Spiel der Spiele unkonventionell mit einem Pausentag gewinnen

Patrick Fischer, head coach of Switzerland, during the men ice hockey preliminary round match between Switzerland and Canada in the Kwandong Hockey Center in Gangneung during the XXIII Winter Olympics ...
Patrick Fischer setzt vor dem Spiel mit Deutschland nicht nur auf Taktik, sondern auch auf mentale Kniffs.Bild: KEYSTONE
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Fischer will das Spiel der Spiele unkonventionell mit einem Pausentag gewinnen

Nur wer neue Wege geht, kann Grosses erreichen. Nationaltrainer Patrick Fischer gibt seinen Spielern vor dem Spiel der Spiele gegen Deutschland einen Tag frei. Er macht es wie die alten Österreicher.
19.02.2018, 14:0619.02.2018, 14:05
klaus zaugg, südkorea
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Es gibt ein schönes Beispiel aus der Geschichte, das uns lehrt, dass auch andere, leichtere, schönere Wege zum Ziel führen.

«Bella gerant alii, tu felix Austria nube» («Kriege führen mögen andere, du glückliches Österreich, heirate.») Dieser weltberühmte Spruch erklärt den Aufstieg der Habsburger und ihre Erfolge gegen die Deutschen durch eine smarte, erfolgreiche Heiratspolitik. Und nicht durch Kriege und andere Mühsal.

"Maria Theresia (1)", Die junge Maria Theresia sieht ihren Lebensweg klar vor sich. Sie wird Franz Stephan aus Lothringen heiraten und viele Kinder bekommen. Auch wenn Franz Stephan noch gar ...
Österreichische Heiratstaktik: Maria Theresia wurde mit Franz Stephan aus Lothringen verheiratet.Bild: Maya Production/Julie Vrabelová/orf

Diese Weisheit beherzigt sich unser Nationaltrainer. Nach dem Motto: «Andere mögen trainieren, du glückliche Hockey-Schweiz, ruhe». Patrick Fischer hat nach der sonntäglichen Pleite gegen Tschechien (1:4) seinen Spielern am Montag frei gegeben. Am Dienstag folgt das kapitale Spiel gegen Deutschland (13.10 Uhr im Liveticker). Im Falle eines Sieges wartet bereits am Mittwoch im Viertelfinale Schweden.

Fischers Methode eher ungewöhnlich

Am Tag vor dem Spiel nicht mehr üben? Der Chronist ist kein Trainer. Er darf sich kein Urteil anmassen und hütet sich vor einer Polemik. Deshalb hat er einen erfahrenen und erfolgreichen Eishockeytrainer unter Wahrung der Anonymität um eine rein fachliche (keine polemische) Stellungnahme zur Sache gebeten. Und die lautet so:

«Ich würde ein leichtes, kurzes Training von ca. 45 Minuten absolvieren. Dies wäre für den einzelnen Spieler ca. 15 bis 20 Minuten Bewegung. Ich glaube, dass dies keine Ermüdung hervorruft, eher den Rhythmus fördert (sind ja Sportler und nicht Olympia-Touristen). Spielentscheidend wird es aber nicht sein.»
Erfolgreicher, anonymer Trainer, frei von Polemik.

Wir sehen also: Patrick Fischers Freitag vor dem Spiel ist eher ungewöhnlich, nicht ganz unumstritten und mahnt an eine Kult-TV-Serie aus den Zeiten, als das TV noch schwarz-weiss war: «Die seltsamen Methoden des Franz Josef Wanninger».

Josef Wanninger
Ob sich Patrick Fischer diese neun DVDs angeschaut hat?

Kommissar Wanninger und sein Assistent Fröschl sind sozusagen die Krimi-Antwort auf Nationaltrainer Patrick Fischer und seinen tüchtigen Assistenten Tommy Albelin. Aber in umgekehrter Konstellation.

Wanninger, der Chef, ist zurückhaltend, arbeitet lieber im Hintergrund, vom Naturell her eher ein Assistent. Aber er kennt die taktischen Tricks. Fröschl, der Assistent, gespielt vom charismatischen Volksschauspieler Maxl Graf, mahnt mit seiner erfrischenden Art hingegen ein wenig an einen Cheftrainer. An Patrick Fischer.

«Schlamperei ist Gold wert»

Wanninger und Fröschl lösen mit ihren unkonventionellen Methoden die schwierigsten Fälle. Warum sollten also Fischer und Albelin, der alle taktischen Tricks kennt, mit ihren unkonventionellen Methoden nicht auch Erfolg haben?

Es gibt ein gutes Omen. Wenn wir aus Boshaftigkeit den freien Tag der Schweizer als Schlamperei bezeichnen, dann könnten wir ganz falsch liegen. Die 39. Folge der TV-Serie «Die seltsamen Methoden des Franz-Josef Wanninger» trägt nämlich den Titel: «Schlamperei ist Gold wert».

Wer hat Lust auf einen Krimi? Wanninger in «Schlamperei ist Gold wert.»Video: YouTube/InternationalTouring

Sowieso passen die verschiedenen Titel gut zu allen möglichen Situationen unseres olympischen Hockey-Schicksals. Wenn wir gegen Deutschland siegen, dann gilt «Einigkeit macht sich bezahlt» (100. Folge) und Patrick Fischer ist «Ein Teufelskerl» (80. Folge). Zusammenfassend gilt dann «Das Wunder» (4. Folge).

Verlieren wir, gibt’s auch Trost. Sollten sich unsere Verbandsgeneräle über mediale Kritik ärgern, so gilt «Kein Grund zur Aufregung» (92. Folge) und «Papier ist geduldig» (74. Folge). Und im Falle einer Niederlage kann das ganze olympische Abenteuer mit staatsmännischer Gelassenheit in einem Wort zusammengefasst werden: «Der Winterurlaub» (Folge 7).

Deutschland verlor bisher ehrenvoller

Und wie sieht es aus, wenn wir nun seriös und fachlich werden? Die Deutschen haben hier, wie wir, zweimal verloren und einmal gewonnen. Aber ihre Niederlagen sind ehrenvoller: 2:5 gegen Finnland und 0:1 gegen Schweden. Gegen Norwegen siegten sie 2:1.

Das Gesamttorverhältnis (Deutschland 4:7, Schweiz 10:9) lässt vermuten, dass es wohl kein offenes Spektakelspiel wird. Eher ein Kampf der Kulturen. Helvetisches Tempo, helvetische Kreativität gegen teutonische Ordnung und Kampfkraft. Ausschwärmende offensive eidgenössische Kavallerie gegen ein gut organisiertes deutsches Karree.

David Wolf (89), of Germany, collides with goalie Jhonas Enroth (1), of Sweden, and Simon Bertilsson (15), of Sweden, during the third period of a preliminary round men's hockey game at the 2018  ...
Deutschland verlor gegen Schweden nur 0:1. Die Schweden wären unser Gegner im Viertelfinal.Bild: AP/AP

Vor der Abreise haben die Schweizer noch ein Testspiel absolviert und gegen Deutschland 1:2 in der Verlängerung verloren. Captain Raphael Diaz sagt unter anderem, er sei überrascht gewesen, wie aggressiv die Deutschen im Forechecking, in der offensiven Störarbeit waren. Nun gelte es, die Scheibe zu behaupten und sich schnell aus der eigenen Zone zu lösen. Will heissen: den Gegner vom eigenen Tor fernhalten und das Spektakel vors gegnerische Tor verlagern.

Die Stimmung in der Mannschaft lässt sich am ehesten mit trotzigem Selbstvertrauen umschreiben. Alle wissen, dass sie gut genug sind, um diese Partie zu gewinnen. Aber unter der ruhigen Oberfläche der Zuversicht gibt es nach dem 1:4 gegen Tschechien unübersehbare Unterströmungen des Zweifels. Weil dieser «Showdown» gegen Deutschland vor allem auch eine «Kopfsache» ist, hat Patrick Fischer seiner Intuition vertraut und die ungewöhnliche Massnahme eines freien Tages angeordnet. Kommt es gut, wird er dafür gefeiert. Und sonst halt ein wenig geschmäht.

Keine Rivalität ist so alt und heftig

Die Rivalität zwischen Deutschland und der Schweiz ist die älteste und eine der heftigsten im Welteishockey. Sie hat bereits bei der Europameisterschaft im Januar 1910 in Les Avants bei Monteux, dem allerersten Titelturnier der Eishockey-Weltgeschichte begonnen. Gespielt wurde in zwei Halbzeiten von je 30 Minuten auf Natureis. Wir verloren 1:9. Ein Jahr später bei der zweiten EM in Berlin gar 0:10. Erst 1928 in St.Moritz, auf dem Weg zu olympischer Bronze, besiegten wir die Deutschen am 16. Februar erstmals bei einem Titelturnier (1:0).

19 Feb 1928: The Canadian and Swiss teams in action during a match in the Ice Hockey event at the 1928 Winter Olympic Games in St. Moritz, Switzerland. Canada won the match 13-0 and went on to win the ...
1928 besiegten wir Deutschland in St.Moritz erstmals bei einem Titelturnier.Bild: Getty Images Europe

Auch aus der Neuzeit sind uns vor allem 1:0-Spiele in Erinnerung geblieben. Bei der WM 2004 besiegen wir die Deutschen in Prag 1:0 und rücken auf ihre Kosten ins Viertelfinale vor. Bundestrainer Hans Zach erklärt nach dem Spiel seinen Rücktritt. 2010 beschert uns das Viertelfinale in Mannheim bei der ersten WM unter Sean Simpson ein Prügelspiel mit 92 Strafminuten. Der wehrhafte Timo Helbling prügelt sich nach Spielschluss auch noch mit Ernst Höfner, dem Trainerassistenten der Deutschen. Wir verloren 0:1. Trotz 41:25 Torschüssen.

Bully zwischen Marcel Goc (GER) und Andres Ambuehl (SUI) (KEYSTONE/EQ IMAGES/Melanie Duchene)
WM 2010: Bitteres Aus im Viertelfinal.Bild: EQ IMAGES

Insgesamt gilt: Wenn wir eher Aussenseiter waren wie 1992 im WM-Viertelfinale in Prag (3:1) oder in Prag (1:0) haben wir gewonnen. Als Favoriten wie beim WM-Startspiel 2001 in Köln (1:3) oder eben beim WM-Viertelfinale 2010 in Mannheim (0:1) verloren wir. Jetzt sind wir in der Weltrangliste als 7. bloss einen Rang vor Deutschland (8.) klassiert. Wir sind nicht Favorit und nicht Aussenseiter. Es ist alles möglich.

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6 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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deka
19.02.2018 15:19registriert Juli 2016
Wieso habe ich das Gefühl das es sich beim "erfolgreichen, anonymen Trainer, frei von Polemik" um Kevin Schläpfer handelt? Ich weiss es nicht.
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