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Spanien: Vermisster Zweijähriger tot aufgefunden.

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Spanien: Vermisster Zweijähriger tot aufgefunden
In der Nacht auf Samstag ist der seit knapp zwei Wochen in einem tiefen Brunnenschacht verschollene Julen tot gefunden worden.
quelle: epa/efe / daniel perez
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Der kleine Julen – ein Opfer des spanischen Dürre-Dramas

26.01.2019, 09:0426.01.2019, 13:13
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Der Tod von Julen wirft viele Fragen auf. Arbeiteten die Retter gut genug, schnell genug? Die Meinungen gehen auseinander. Eines steht fest: Der tragische Unfall, der die Welt bewegt, bringt ein grosses Problem schonungslos ans Licht.

Den kleinen Julen kannten die wenigsten Menschen persönlich. Wie er war, wie er aussah. Dennoch: Das Schicksal des Jungen, der in der Nacht zum Samstag im Süden Spaniens in einem tiefen Loch tot aufgefunden wurde, hatte knapp zwei Wochen sein ganzes Heimatland und auch die halbe Welt in Atem gehalten. Die spanischen Notfalldienste und andere Rettungskräfte bekamen Solidaritätsbekundungen und Aufmunterungen aus allen Ecken Europas, aber auch aus so entfernten Ländern wie Argentinien oder Costa Rica.

Eines steht aber schon länger fest: Julen und auch die Eltern und die Nachbarn des Kleinen, die durch eine schier unendliche Hölle der Gefühle getrieben wurden, sind neue, ganz besondere Opfer des spanischen Dürre-Dramas. Der 107 Meter tiefe Brunnenschacht, in den das Kind am 13. Januar bei einem Familienausflug stürzte, wurde nach Behördenangaben auf der Suche nach Wasser ohne Genehmigung gegraben.

Offene Löcher

In Spanien ist das keine Seltenheit. Im Gegenteil: Nach Schätzung der Umweltorganisation Greenpeace gibt es im ganzen Land über eine Million solcher illegaler Löcher. Die Zeitung «El Mundo» schrieb, in Wirklichkeit seien es viel mehr. Und «diejenigen Bohrungen, die nicht zum Erfolg führen, werden mehr schlecht als recht zugedeckt».

Seit Jahren regnet es in Spanien aufgrund des Klimawandels zu wenig. Flüsse trocknen aus, vor allem im Süden und im Landesinneren gibt es immer mehr steinwüstenähnliche Landschaften. Besitzer von Grundstücken und Fincas beauftragen deshalb sogenannte «Poceros», erfahrene «Löchergräber» mit Bohrungen, die oft in wahren Nacht- und Nebelaktionen, nur nachts und bei Mondbeleuchtung, gegraben werden. Im Volksmund heissen diese Schächte deshalb «Mondscheinlöcher».

Der erfahrene «Pocero» Antonio Jesús Perálvarez, der für seine Arbeit 2000 bis 4000 Euro kassiert, nahm im Gespräch mit «El Mundo» kein Blatt vor den Mund. «Meine Aufgabe ist es, das Loch zu bohren. Um die Abdeckung kümmert sich auch bei legalen Bohrungen der Auftraggeber. Zumal der oft nach einigen Tagen wieder schauen will, ob Wasser herauskommt.» Normal sei es, die Öffnung des Loches «mit einem grossen Stein zuzudecken, den ein Kind nicht hochheben kann».

Durch Sicherung gerutscht

Julens Vater, der arbeitslose Marktverkäufer José Rosello, räumte ein, dass das Unfall-Loch mit der nur 25 Zentimeter breiten Öffnung auf dem Grundstück des Freundes einer seiner Cousinen wohl nicht ausreichend gesichert war: «Es war mit einigen Steinen zugedeckt, die sie (die Cousine und der Freund) draufgelegt haben.» Niemand habe diese Steine entfernt. «Aber die Steine waren wohl nicht ganz fest. Julen ist wohl drauf getreten und durchgerutscht.» Der Kleine war den Angaben zufolge sehr schlank, er wog nur elf Kilo.

epa07316796 Jose Rosello (L) and Vicky Garcia (R), parents of two-year-old Julen, who fell down a 110-meters-well, react during a vigil in Totalan, Malaga, Spain, 24 January 2019. The excavation works ...
Die Eltern von Julen trauern um ihren Sohn.Bild: EPA/EFE

Auch wenn die spanischen Behörden bereits Ermittlungen einleiteten: Die Frage nach dem oder den Schuldigen beschäftigte die Spanier und die Welt zunächst eher weniger. Journalisten und Kamerateams aus aller Welt hielten in grosser Entfernung zu der von der Polizei völlig abgeriegelten Unfallstelle am Hügel Cerro de la Corona Wache. Die spanische Bischofskonferenz rief zum Beten für das Kind auf. Regierungschef Pedro Sánchez und andere Persönlichkeiten ermunterten die Eltern und die Helfer zum Durchhalten.

Im armen Málaga-Vorort El Palo, wo die Familie wohnt und wo der Kleine immer mit seinem grünen Dreirad rauf und runter unterwegs war, sind die Menschen untröstlich. «Ich wache nachts auf und sage mir: Mein Gott, wie ist das möglich», sagte eine ältere Frau. Man weiss dort: Die Eltern hatten 2017 einen Sohn verloren, der mit drei Jahren einem Herzversagen erlag. Noch am Donnerstagabend hatte in Totalán eine Nachtwache für die Familie stattgefunden, Julens Eltern José und Vicky konnten dabei die Tränen nicht zurückhalten.

«Nichts wurde dem Zufall überlassen. Eine vergleichbare Aktion hat es noch nie gegeben.»
Präsident des Feuerwehrverbandes

Während sich die Bergarbeiter durch den harten Felsen bis zu Julen durchkämpften, war der Kleine derweil in Kneipen, Cafés und Büros Gesprächsthema Nummer eins. Dabei wurden oft Zweifel an der Arbeit und den Einschätzungen der Retter und der Behörden laut. «Und wenn der Kleine nicht im Loch ist? Man hat ihn dort unten doch nie gesehen», fragte zum Beispiel der Rentner Manuel (85) noch wenige Stunden vor der Bergung des Kindes in einer Madrider Kneipe in die Runde. Ein anderer warf ein: «Und findet ihr nicht, dass man für die Rettungslöcher zu lange gebraucht hat?»

Die an der Suche beteiligten Experten und Politiker hatten aber stets alle Zweifel und jede Kritik zurückgewiesen. Und schlechte, zu langsame Arbeit? «Nichts wurde dem Zufall überlassen. Eine vergleichbare Aktion hat es noch nie gegeben», sagte der Präsident des Feuerwehrverbandes von Málaga, Francisco Delgado Bonilla. Man habe «eine sehr anspruchsvolle Arbeit, für die man eigentlich Monate braucht, in Tagen geschafft». (sda/dpa)

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23 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Scaros_2
26.01.2019 09:42registriert Juni 2015
Jaja, die Stammtischpolterer. Alles hinterfragen, keine Ahnung von der Materie aber alles besser wissen oder wissen zu glauben.

Ich verachte solche Menschen wirklich. Ich glaube Rettungskräfte und all jene die dort gearbeitet haben, haben das nicht aus Spass gemacht sondern weil sie ein Ziel verfolgt haben. Keine schindet bei sowas Zeit. Das wäre in der heutigen Medien ein Super-Gau wenn es offensichtlich wäre, das niemand interesse daran hat das Kind zu retten.
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Joe Smith
26.01.2019 10:44registriert November 2017
Im Artikel fehlt ein Hinweis darauf, dass die zunehmende Wasserknappheit in Südspanien nicht einfach nur eine Folge der Klimaveränderung, sondern auch eine Folge der intensiven Landwirtschaft ist. Darauf weisen Umweltschützer schon seit über 30 Jahren hin.
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Bandit One
26.01.2019 10:32registriert Januar 2019
Im Nachhinein ist man schlauer. Über die Retter, die bestimmt ihr allerbestes getan haben, zu wettern hilft jetzt niemandem, speziell aus der Ferne zu urteilen ist immer einfach. Ausserdem - so traurig das sein mag - hätte auch eine sofortige und / oder schnellere Hilfe wohl kein anderes Ergebnis gebracht, da der arme Junge wohl beim Sturz bereits ums Leben kam.
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