Das Minimalziel von sieben Medaillen hatte die Schweizer Delegation bereits am Donnerstag nach einem Drittel des Wettkampfpensums übertroffen. Übers Wochenende – kitschigerweise pünktlich zum Schweizer Nationalfeiertag vom Sonntag – setzten die Athletinnen und Athleten von Swiss Olympic noch einen drauf. Nach 9 von 16 Tagen hat die Schweiz bereits 12 Medaillen gewonnen.
Erfolgreicher hatte letztmals vor 69 Jahren in der finnischen Hauptstadt eine Schweizer Delegation abgeschlossen – damals gab es 14 Mal Edelmetall.
Auch bei der für den Medaillenspiegel massgebenden Anzahl Goldmedaillen steht die Schweiz im Vergleich zu früheren Spielen ausgezeichnet da. Dank Belinda Bencic im Tennis, Schützin Nina Christen und Mountainbikerin Jolanda Neff ertönte bei den Medaillenfeiern bereits dreimal der Schweizer Psalm. Nur 1996 in Atlanta feierte die Schweiz in der jüngeren Vergangenheit mehr Olympiasiege (4).
Den Löwenanteil der Erfolge verantworten die Frauen. Bereits bei früheren Spielen (2000 in Sydney, 2016 in Rio de Janeiro) steuerten die Athletinnen mehr Medaillen zum Ergebnis bei als die Männer, noch nie aber war ihre Dominanz «erdrückender» als in diesem Jahr. Vor Tokio gab es nur vier Schweizer Olympiasiegerinnen, nun hat dieser exklusive Zirkel fast doppelt so viele Mitglieder.
Was sind die Gründe, dass die Schweizerinnen in Tokio dermassen brillieren? Das Fördersystem im Schweizer Sport funktioniere auch für die Frauen, sagte der Schweizer Missionschef Ralph Stöckli am Samstag im Rahmen seiner Halbzeitbilanz. «Das gab es in der Vergangenheit in dieser Form nicht. Die Frauenförderung zahlt sich nun aus.» Gegenüber anderen Nationen habe sich die Schweiz hier einen kleinen Vorteil erspielt.
Tatsächlich profitieren zum Beispiel so viele Frauen wie noch nie von der Schweizer Armee, bei der unter anderen Nina Christen und das erfolgreiche Mountainbike-Trio Neff/Frei/Indergand angestellt sind oder zumindest als Sportsoldatinnen dienen. Bundesrätin und Sportministerin Viola Amherd ist die Förderung des Frauensports ein zentrales Anliegen. Sie drohte Sportverbänden, die sich nicht daran beteiligen, schon mit Kürzungen der Gelder.
Auch das IOC setzt auf Geschlechtergerechtigkeit. In den letzten Jahren nahm das IOC immer mehr Disziplinen für Frauen oder gemischte Teams ins Programm. In Tokio beträgt der Anteil der Athletinnen gegen 50 Prozent. Swiss Olympic nahm den Trend auf, setzte länderübergreifend vergleichsweise früh auf die Professionalisierung des Frauensports.
In Tokio zahlen es die Frauen mit Medaillen zurück – und mit anderen brillanten Leistungen. Ajla Del Ponte und Mujinga Kambundji sorgten vielleicht für die Sternstunde dieser Spiele, indem sie sich gemeinsam für den 100-m-Final in der Leichtathletik, in der Königsdisziplin in der aus internationaler Sicht wichtigsten Sportart, qualifizierten. Zwei Schweizerinnen im Feld der besten acht Sprinterinnen – ein Bild für die Schweizer Sportgeschichte.
Del Ponte, Kambundji und die herausragende Medaillenbilanz lassen frohlocken – und schon fast vergessen, dass der Schweizer Sport und die Leichtathletik in den letzten Tagen auch negative Schlagzeilen produzierten. Die Dopingfälle Kariem Hussein und Alex Wilson werfen Fragen auf und kein gutes Bild auf die Schweizer Delegation. Sie lassen die Euphorie relativieren und zeigen auf, wie schmal der Grat sein kann. (ram/sda)
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