Er ist weder Polizist noch Jurist, sondern Doktor in Slawistik, Geschichte und Philosophie. Dank seiner Ausbildung konnte er mit den Russen ohne Übersetzer verhandeln. Der 57-jährige Berner fiel in seiner 20-jährigen Dienstzeit für die Bundeskriminalpolizei nicht als Theoretiker auf. Er ist ein Praktiker. Sein Erfolgsgeheimnis: Er setzte sich über Grenzen hinweg, ohne aufzufallen.
Wenn die Schweiz auf dem Dienstweg nicht weiter kam, bot sie ihn auf. So wurde er von einem Staatsanwalt des Bundes in einem wichtigen Fall beauftragt, er solle «auf inoffizielle Weise» herausfinden, ob die Russen eine Akte noch schicken würden. Der Mann flog nach Moskau, traf sich mit dem stellvertretenden Generalstaatsanwalt und überbrachte die Informationen nach Bern. Der Staatsanwalt war zufrieden.
Das Problem: Der Staatsanwalt des Bundes war nicht sein direkter Vorgesetzter. Der Russlandspezialist war beim Bundesamt für Polizei Fedpol angestellt. Sein Chef hatte die Moskau-Reise aber nicht bewilligt mit der Begründung, es häuften sich Überstunden.
Dadurch liess sich der Mann nicht aufhalten, schliesslich hatte er den Auftrag, «auf inoffizielle Weise» vorzugehen. Das hiess für ihn, sich auch über administrative Hürden hinwegzusetzen. Um das Überstundenkonto nicht zu belasten, reiste er in seiner Freizeit.
Die Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden Fedpol und Bundesanwaltschaft ist in einer Vereinbarung geregelt: Der Staatsanwalt bestimmt, was zu machen sei, und die Polizei definiert wie. Der Russlandspezialist schuf sich sein eigenes Reich zwischen den Behörden. Keine wusste genau, was er machte.
Sie wollten es allerdings auch nicht wissen, solange die unkonventionellen Ermittlungsmethoden Erfolg hatten und nicht auffielen. Erst die unautorisierte Dienstreise ging der Bundespolizei zu weit und sie entliess ihn.
Im Rechtsstreit um seine Kündigung wirft sie ihm sogar vor, ein 20-Prozent-Pensum bei der Bundesanwaltschaft nicht als Nebenbeschäftigung deklariert zu haben. Die eine Behörde wusste also nicht, was die andere tat. Dabei sollten die Partnerbehörden eigentlich eng zusammenarbeiten, künftig sogar unter einem Dach.
Die Strafverfolgungsbehörden schickten einen Mitarbeiter auf eine Mission in eine rechtliche Grauzone, und liessen ihn fallen, als es brenzlig wurde. Sie verloren die Kontrolle, weil sie ihn an einer zu langen Leine führten.
Gemäss dem «Tages-Anzeiger» pflegte der Ermittler allerdings eine gefährliche Nähe zu zwielichtigen russischen Akteuren. Möglicherweise sei er sogar als Maulwurf für Russland tätig. Diese Sichtweise überschneidet sich mit jener der Bundesanwaltschaft, die ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf Amtsanmassung, Amtsmissbrauch, Verletzung des Amtsgeheimnisses und Sich-bestechen-Lassen führt.
So habe der Mann für die unautorisierte Reise seinen Diplomatenpass verwendet und sich Übernachtungen in Moskau von der russischen Generalstaatsanwaltschaft zahlen lassen.
Es ist eine vertrackte Situation. Die Bundesanwaltschaft hat das Verfahren eröffnet, weil die Bundespolizei ihren Mitarbeiter angezeigt hatte. Und nun ermittelt die Bundesanwaltschaft, ob sich der Mitarbeiter strafbar gemacht hat. Er selber sagt, er sei im Auftrag der Bundesanwaltschaft gereist.
Zuerst hätte Bundesanwalt Hansjörg Stadler das Verfahren führen sollen. Dieser arbeitete jedoch jahrelang mit dem Verdächtigten zusammen. Auf Geheiss des Bundesstrafgerichts musste Stadler in den Ausstand treten. Er erwecke den Anschein von Befangenheit. Inzwischen hat der Leitende Bundesanwalt Carlo Bulletti den Fall übernommen.
Er profitiert von kurzen Dienstwegen: Für Zeugenbefragungen kann er bei seinen Arbeitskollegen an die Tür klopfen. Dazu könnte auch sein Chef Michael Lauber gehören. Der Russlandermittler gibt an, er habe als Laubers Berater gearbeitet. Deshalb verlangte er einen ausserordentlichen Staatsanwalt. Doch das Bundesstrafgericht sieht keinen Grund, weshalb Bulletti auch nur den Anschein von Befangenheit erwecken könnte.