Ein «Rundschau»-Reporter kaufte sich kurz vor der Novartis-Generalversammlung eine Aktie des Pharma-Unternehmens. Seine Stimme für die GV reichte er schriftlich ein, wie fast alle Aktionäre. Zusätzlich platzierte er aber einen GPS-Sender im Couvert und konnte so den Weg des Briefes nachverfolgen.
Das erstaunliche dabei: Der Brief ging nicht direkt an den unabhängigen Stimmrechtsvertreter wie es das vorgedruckte Couvert suggeriert, sondern landete direkt auf dem Novartis-Campus. Laut SRF wurde der Brief dann im Keller des Gebäudes Forum 1 geöffnet.
Der Verwaltungsrat hat so bereits im Vorfeld einen Informationsvorsprung und kann gezielt noch unentschlossene Wähler beeinflussen oder mobilisieren. Zudem ist das Stimmgeheimnis so bedroht, denn auf den Abstimmungsbögen ist der Name des Aktionärs gedruckt.
Der Rechtsanwalt Peter Andreas Zahn, der unabhängige Stimmrechtsvertreter der Novartis-Aktionäre, begründet die Praxis in der «Rundschau» mit dem zu grossen logistischen Aufwand. Eine Anwaltskanzlei habe nicht genügend Kapazität für die Auswertung.
Auch Novartis sieht in ihrem Vorgehen kein Problem. Die 30'000 Antworten-Couverts werden «von hierfür rekrutierten pensionierten Mitarbeitenden geöffnet und verarbeitet». Und weiter: «Dieses Vorgehen entspricht geltendem Recht und beeinträchtigt die Unabhängigkeit des unabhängigen Stimmrechtsvertreters nicht, weil die Auszählung unter seiner Aufsicht erfolgt.»
Allerdings kamen dann doch ein paar Zweifel bei Novartis auf: «Wir werden die Hinweise der ‹Rundschau› in eine mögliche Verbesserung der Prozesse einfliessen lassen.»
Thomas Minder, der parteilose Ständerat aus Schaffhausen und Vater der Abzocker-Initiative ist da anderer Meinung: «Das ist eine Schweinerei, das geht gar nicht.» Und weiter: «Nehmen wir eine Kampfwahl oder eine Wahl für den Verwaltungsrat, dann kann der Verwaltungsrat noch mobilisieren für seine Seite – das geht nicht.» Er bezweifelt, dass die Praxis von Novartis legal ist und will, dass das Stimmgeheimnis ins Gesetz geschrieben wird.
Monika Roth, Professorin für Wirtschaftsstrafrecht der Uni Luzern, bewertet das Vorgehen als «eine Umgehung der grundsätzlichen Regelung und des Sinns des unabhängigen Stimmrechtsvertreters. Das Wort ‹Unabhängigkeit› ist damit eigentlich schon erledigt.» Die Praxis könne eine Grundlage für die Anfechtung eines Generalversammlungsbeschlusses schaffen. Ebenfalls kritisiert sie, dass die Couverts von Novartis-Mitarbeitern bearbeitet werden: «Es findet gar keine Trennung der Informationen mehr statt. Aber darauf verlässt sich der Aktionär.» (jaw)
Die gesamte «Rundschau»-Beitrag wird heute Abend um 20:05 Uhr ausgestrahlt.
Ist einfach so. Leider.