Im jahrelangen Streit um das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 haben sich Deutschland und die USA offenbar geeinigt. Mehrere US-Medien berichten von einem entsprechenden Abkommen, das sowohl die Vollendung der Gasleitung ermöglichen als auch wirtschaftliche und politische Garantien für die Ukraine beinhalten soll.
So wollen die beiden Länder Sanktionen gegen Russland ergreifen, falls die Gaspipeline von Moskau dazu verwendet werden sollte, der Ukraine oder anderen osteuropäischen Länder zu schaden. Weiterhin will sich Deutschland den Berichten zufolge dafür einsetzen, dass der bis 2024 laufende Transitvertrag des russischen Gazprom-Konzerns mit der Ukraine verlängert wird. Bundeskanzlerin Merkel (CDU) hatte das zur Voraussetzung für die Zustimmung zu Nord Stream 2 gemacht.
Vieles liessen die Berichte zunächst offen, etwa wie die Sanktionen oder anderweitige Massnahmen aussehen könnten, falls der russische Präsident Wladimir Putin die Pipeline – wie von der Ukraine, Polen und anderen Staaten befürchtet – doch als Druckmittel einsetzt. Auch ist unwahrscheinlich, dass die deutsch-amerikanische Vereinbarung ohne politischen Gegenwind bleibt. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um das bevorstehende Abkommen.
Das ist die Frage, die sich viele derzeit stellen. Joe Biden hatte die Pipeline einst als «einen fundamental schlechten Deal für Europa» bezeichnet. Im Präsidentschaftswahlkampf nannte er Russland die «aktuell grösste Bedrohung für Amerika». Seine Demokraten wurden nicht müde, Präsident Donald Trump für seinen aus ihrer Sicht zu nachsichtigen Umgang mit Moskau zu kritisieren.
Nach der Wahl bekräftigte die neue Regierung Biden diesen Kurs zunächst. Aussenminister Antony Blinken sagte Anfang März, man sei gegen Nord Stream 2 und werde es auch weiterhin sein. Doch in den folgenden Wochen deutete sich ein Umdenken an.
Offenbar in dem Bemühen, die nach der Ära Trump ramponierten transatlantischen Beziehungen zu reparieren, sah die US-Regierung von weiteren Sanktionen gegen Firmen ab, die an der Gasleitung beteiligt sind. Präsident Biden verteidigte die Entscheidung damit, dass die Pipeline nahezu fertig sei und die Beziehungen mit Europa Schaden nehmen könnten, sollten die USA ihren Widerstand aufrechterhalten.
Der Politikwissenschaftler und Ukraine-Experte Andreas Umland vom Stockholmer Zentrum für Osteuropa-Studien glaubt das nicht. Er findet zwar gut, dass Deutschland und die USA versprechen, Massnahmen zu ergreifen, wenn Russland die Pipeline für politische Zwecke missbraucht, und dass die Ukraine Unterstützung bei der Verlängerung ihrer Transitverträge erhalten soll. Doch schon in der Vergangenheit hätte man diese Hebel ansetzen können – und unterliess es dann doch.
«Bereits Nord Stream 1 diente dem Konzern Gazprom dazu, unabhängiger vom Transitland Ukraine zu werden, was in der Folge zu politischen Verwerfungen führte, an deren Ende 2014 der Krieg in der Ost-Ukraine stand.» In Kiew sei das Misstrauen deshalb gross, zumal dem Land wirtschaftlicher Schaden drohe, weil die Verflechtungen der ukrainischen und der russischen Wirtschaft schwächer würden.
Nach Meinung von Ukraine-Experte Umland: ganz klar Russland. «Energiepolitisch wird Moskau durch die Pipeline noch unabhängiger. Auch in Deutschland mögen einige Unternehmen und Bundesländer wirtschaftlich profitieren. Das hält sich aber in Grenzen.»
Denn aus Sicht des Politikwissenschaftlers ist das Projekt ökonomisch von zweifelhaftem Nutzen. Schon jetzt bestünden Infrastruktur-Überkapazitäten, so Umland, und mit Nord Stream 2 würden diese noch zunehmen. Deshalb sei die Pipeline eben vor allem politisch zu verstehen. «Strategisch bedeutet das Projekt natürlich einen Gewinn für Moskau.»
Der Politikwissenschaftler will auch ein Missverständnis ausräumen: Dass die USA von wirtschaftlichen Ambitionen angetrieben seien, um ihr Frackingas nach Europa zu verkaufen, und deshalb die Pipeline verhindern wollten. «Um amerikanisches Schiefergas geht es allenfalls am Rande. Denn die Auseinandersetzung um Nord Stream 2 dreht sich rein um die Transportwege. Russisches Gas wird so oder so nach Europa fliessen – auf dem einen wie auf dem anderen Wege.»
Es wird sicherlich ein lautes Echo geben. Denn die Front der Gegner von Nord Stream 2 ist breit. Da sind zum einen die osteuropäischen Länder, allen voran die Ukraine und Polen, die wirtschaftliche Schäden befürchten und sich um ihre Sicherheit sorgen. Da sind auch andere europäische Länder wie Frankreich, die das Projekt schon länger mit Widerwillen betrachten. Das Europaparlament forderte Ende Januar als Reaktion auf die Inhaftierung des Kremlgegners Alexej Nawalny den sofortigen Stopp des Pipeline-Baus.
Starken Widerstand dürfte auch US-Präsident Biden in seiner Heimat zu spüren bekommen. Dort lehnen viele Republikaner die Pipeline ab und fordern Sanktionen, genau wie einige Demokraten. Sie sind vereint in der Ansicht, dass Nord Stream 2 ein geopolitisches Projekt Russlands sei, das die Energiesicherheit Europas gefährde und der Ukraine schade.
«Bislang ist das Abkommen eine Rechnung, die ohne den Wirt gemacht wurde», meint Politikwissenschaftler Umland. «Die grössten Gegner des Projektes, die etwa im US-Kongress sitzen, in Osteuropa , im europäischen Parlament, die werden jetzt aktiv werden und sich zu Wort melden. Deshalb ist die Sache auch noch nicht im Sack.»
Verwendete Quellen:
Naja, es wird weniger an Durchleitungsgebühren für diese Länder abfallen, aber ansonsten wird sich da nichts gross ändern, wenn beide Länder weiterhin ihre abgenommene Menge auch bezahlen.
Russland wäre ja doof, wenn sie nicht ihr Gas weiterhin an Polen und auch die Ukraine liefern würden.
Es gab ja mal den Vorwurf seitens Russland, dass die Pipeline in der Ukraine "Gas verlieren" würde, was man an illegalen Anzapfungen fest machte. In wie weit das allerdings stimmte, weiss ich nicht.