Obiges Foto des verstörten syrischen Jungen nach einem Bombenangriff in Aleppo ging im letzten August um die Welt. Der fünfjährige Omran Daqneesh wurde zum Symbol für den Schrecken und das Leid des seit über sechs Jahren andauernden Kriegs in Syrien.
Auch ein von Aktivisten des «Aleppo Media Center» veröffentlichtes Video, das zeigt, wie die Verwundeten und Omran aus dem zerbombten Gebäude in den Krankenwagen gebracht werden, wurde seither über vier Millionen Mal auf Youtube angeschaut.
In arabischen und russischen Medien spielte das Bild von Omran dagegen so gut wie keine Rolle, arabische Zeitungen hielten sich bei der Verbreitung des Bildes sehr zurück. Nun, neun Monate danach, sieht das allerdings ganz anders aus.
Gesund und fröhlich, so zeigen neue Bilder den syrischen Jungen Omran heute. Auch Raf Sanchez, der Journalist, welcher das erste Bild in den Umlauf brachte, teilte ein Vorher-Nachher-Bild auf Twitter:
New photographs starting to emerge of Omran Daqneesh, the little boy who became a symbol of Aleppo's suffering. pic.twitter.com/a0NHhgubwS
— Raf Sanchez (@rafsanchez) 5. Juni 2017
In erster Linie werden die neuen Aufnahmen allerdings fleissig von Assad-Anhängern im Netz geteilt. Insbesondere auch staatstreue Medien in Syrien veröffentlichten das neue Bild und zitieren unter anderem aus einem Interview des Assad nahen TV-Senders «Al Mayadeen News» mit Omrans Vater.
Der Tenor ist stets derselbe: Erst eine Rebellenikone, ein Symbol für die Grausamkeiten des Assad-Regimes – jetzt selbst Anhänger Assads und ein Beispiel für Sicherheit und Stabilität in Syrien. Das «Spiel» mit den Aufnahmen zeigen, wie im Krieg gezielt Kinder inszeniert und für die eigenen Zwecke instrumentalisiert werden.
So verbreitete die Assad treue Aktivistin Sarah Abdallah einen Tweet, in dem sie den Rebellen vorwirft, den Jungen für Aufnahmen missbraucht zu haben:
Wow. Last year, the White Helmets said Assad bombed this boy. Turns out they lied. He is fine and his family supports the Syrian government. pic.twitter.com/BgSszmQAgw
— Sarah Abdallah (@sahouraxo) 5. Juni 2017
Sie schreibt: «Wow. Letztes Jahr sagten die Weisshelme, Assad habe Bomben auf diesen Jungen geworfen. Es zeigt sich, dass das eine Lüge war. Es geht ihm gut und seine Familie unterstützt die syrische Regierung.»
Auch der russische Propagandasender RT hat ein Interview mit Omrans Vater auf Youtube hochgeladen. Bekanntlich unterstützt Russland Assad im Syrienkrieg und hat somit ein Interesse, den syrischen Machthaber gut aussehen zulassen. Auch hier gilt es, die Aussagen des Vaters kritisch zu hinterfragen. Kritiker glauben, dass hinter den Äusserungen Einschüchterungen der Assad-Regierung und die Angst vor dem Ende in einem Foltergefängnis stehen:
Im Interview schlägt Mohammad Kheir Daqneesh in die gleiche Kerbe wie Aktivistin Sarah Abdallah: Die Aufnahmen seien von den Rebellen zu «Propagandazwecken» verwendet worden.
«Ich war damit beschäftigt, meine Familie zu retten, während (die Militanten) die Gelegenheit ergriffen und meine Familie (zu Propagandazwecken) gefilmt haben, als sie das Haus verliessen.»
«Bei Gott, wenn ich gewusst hätte, dass in den Medien über uns berichtet wird, hätte ich all die Organisationen aufgezeichnet, die zu mir gekommen sind. Ich habe Organisationen gesehen, die ich vorher noch nie gesehen habe. Ich hatte diese so genannte ‹Hilfe› noch nie angenommen und habe mich noch nie mit diesen Leuten beschäftigt.»
Wie viel Wahrheit hinter den Aussagen des Vaters stecken, lässt sich nur schwer beurteilen, gibt es im Bürgerkriegsland Syrien längst keine unabhängigen Medien mehr – man ist pro oder kontra Assad.
Was man mit Sicherheit aber weiss: Der heute sechsjährige Junge Omran ist unfreiwillig für beide Seiten zu einem Spielball des Konfliktes geworden. Einst war er Ikone der Rebellen, um die Gräueltaten Assads zu dokumentieren. Und heute versuchen Assads Anhänger diese Wirkung und Bedeutung zu ihren Zwecken umzudrehen. (aargauerzeitung.ch)
Mit Journalismus hat dies nichts zu tun - wohl aber mit journalistischer Willfährigkeit.
einfach nur armselig.