Dino Lamberti lädt zum Gespräch im Hauptsitz seiner Fairplay Agency in Zürich, unweit des FIFA-Museums. Grosses Sitzungszimmer im Jugendstilbau, goldig-silbriger Töggelikasten, grosse Fotos vom FC Barcelona als Champions-League-Sieger und Italien als WM-Gewinner 2006. Kunstvolle Gemälde mit Pele und Diego Armando Maradona, in beide Bilder sind signierte T-Shirts der Stars integriert.
Kannten Sie Maradona persönlich?
Dino Lamberti: Nein, aber ich begegnete ihm, als er vor einigen Jahren in Neapel zu Besuch war. Wir waren im selben Hotel. Ich habe Verbindungen zum SSC Napoli, weil unser ehemaliger Klient Gökhan Inler vier Jahre da war. Maradona wurde im Hotel von Geschäftsleuten bedrängt, sie trieben Schabernack mit ihm, bis ich eingriff. Das T-Shirt habe ich zu einem früheren Zeitpunkt von seinem einstigen Berater Jorge Cysterpiller erhalten. Er war ein Freund von mir, ein guter Typ. Maradona war schlecht beraten, ihn zu verlassen. Der Abstieg des Stars begann mit der Trennung von Cysterpiller.
Sie bewegen sich in der grossen Fussballwelt. Corona nahm aber auch ihrem Business den Schwung.
Die Welt stand still im Frühling. Es gab praktisch keine Verhandlungen mehr, keine Transfers. Bis sich das Ganze erholt, dürfte es noch lange gehen. Die Vereine haben Respekt, bei vielen sind die Sponsoren weggefallen, TV-Gelder wurden gekürzt, Ticketeinnahmen fallen weg. Derzeit ist kein Klub interessiert, seinem Spieler bessere Konditionen zu geben. Unsere Provisionen sind teilweise um bis zu 50 Prozent gekürzt worden. Wir meldeten in jener Zeit ebenfalls Kurzarbeit an.
Kurzarbeit für Agenten? Darüber wird in der Öffentlichkeit gelacht.
Ist unser Ruf noch immer so schlecht? Viele Leute sehen nicht, was alles hinter unserer Arbeit steckt, wenn man sie seriös angeht. Wir beschäftigen Juristen in verschiedenen Ländern, Mentalcoaches, Ernährungsberater, Medienspezialisten. Wir bringen viel Verhandlungserfahrung mit, bei internationalen Transfers sind oft sechs, sieben Spezialisten involviert. Es geht um komplexe Vertragswerke. Wir tragen Verantwortung für Spieler und deren Familien. Mit schlechten Entscheidungen kannst du grossen Schaden anrichten.
Wie das?
Nehmen Sie Steuerfragen. Da gibt es schlecht beratene Spieler, die nach zehn Jahren Forderungen aus dem Ausland erhalten. Dann heisst es: Nachzahlen, Zinsen, Bussen. Das kann einen Spieler ruinieren. Oder: Es kommt vor, dass Vereine versuchen, sich in Klauseln die Möglichkeit zu geben, den Vertrag einseitig und vorzeitig zu kündigen. Das geht nicht. Entweder ist Vertrauen da oder nicht. Ein Trainer oder Spieler würde vielleicht unterschreiben, ohne zu hinterfragen.
Die FIFA will den Beratereinfluss limitieren. Zum Beispiel mit Obergrenzen von Beraterprovisionen.
Bei ganz grossen Transfers fliessen riesige Beträge. Wenn ein Berater seinen Anteil von zehn Prozent erhält, kann dies überrissen sein. Wenn dann noch ein Bruder des Stars sich als Berater ausgibt, um an die Provisionen zu kommen, irritiert das natürlich. Aber die FIFA darf nicht nur in die grossen Ligen schauen, sondern auch in die Schweiz, nach Belgien oder Österreich, wo die Transfersummen kleiner sind.
Weshalb?
Man vergleicht gerne mal den Fussballerberater mit dem Immobilienmakler; nur gibt es keine Immobilie für 60'000 Franken. Wenn sie hier mit 3 Prozent operieren müssen, werden sie gezwungen, möglichst viele Klienten zu akquirieren und «Massenhandel» zu betreiben. Da geht die Qualität der Betreuung verloren.
Wie gehen die Spieler mit der Coronakrise um?
Viele Spieler sind sich zu wenig bewusst, dass ihr Verein leidet. Wir müssen ihnen die Situation ihrer Arbeitgeber aufzeigen und erklären, weshalb sie derzeit demütig sein und eventuell auf bessere Verträge verzichten müssen. Die Coronazeit hat aber auch sein Gutes. Derzeit wird nicht gepröbelt, man arbeitet mit jenen, denen man vertraut. Da sieht es gut für uns aus.
Sie fordern von Spielern Demut?
Ja. Es gibt eine Tendenz, dass Spieler – und ihre Eltern – die Schuld immer bei anderen suchen und zum Beispiel schnell gegen ihren Klub wettern. Zu 99 Prozent aber liegt es am Spieler, wenn etwas nicht gut läuft. Es gibt Berater, die schnelles Vertrauen gewinnen wollen, indem sie ihren Spielern erzählen, was diese hören wollen. Ein guter Vermittler hält dem Spieler den Spiegel vor und redet Klartext. Wir erhalten oft erst im Nachhinein Komplimente für unsere Arbeit – wenn Spieler einsehen, dass wir Situationen richtig eingeschätzt haben. Wenn ein Spieler immer zu hören bekommt, was er hören will, bringt das nur kurzfristig etwas.
Hatten Ihre Spieler mit Coronainfektionen zu kämpfen?
Mehrere waren infiziert, ja. Aber keiner hatte grössere Beschwerden. Ich selber hatte da am meisten zu beissen.
Wie das?
Ich war im März in Brasilien, und bin aufgrund des Lockdowns erst viel später als erwünscht und in einem rappelvollen Flieger über zig Stopps nach Zürich gelangt. Da werde ich mich angesteckt haben. Ich hatte Symptome, bekam kaum Luft, hatte Fieber. Und bis heute hat sich der Geschmacksinn nicht erholt.
Was beängstigend sein dürfte?
Das ist es, ja. Ich lief zumindest nie Gefahr, die Krankheit zu unterschätzen. Seltsamerweise habe ich zugenommen in letzter Zeit, trotz Geschmacksverlust. Das einzige, das ich schmecke, ist Schokolade, da esse ich halt etwas mehr davon (lacht).
In England fliessen weiter hohe TV-Gelder. Jener Markt dürfte weniger abgekühlt sein. Wie zeigt sich dies bei Ihrem Klienten Ezgjan Alioski in Leeds?
Auch die englischen Klubs sind vorsichtig geworden. Oft haben diese Vereine ihre TV-Einnahmen ja bereits verplant, verpfändet, als Sicherheit abgegeben. Es wird halt nicht immer nur mit dem gearbeitet, das man hat. Fehler werden meist im Erfolg gemacht, in der Euphorie. Aber ja: Alioski hätte definitiv bessere Aussichten auf einen besser dotierten Vertrag, wenn Corona nicht wäre. Aber nach der Pandemie dürfte sich die Lage normalisieren.
Berater stehen im Verdacht, ihre Spieler möglichst oft zu transferieren, damit Provisionen fliessen.
Nehmen wir Alioski: In Lugano hatte er immer wieder Angebote, die er gerne angenommen hätte. Ich bremste ihn – er bedankte sich im Nachhinein. Eine Karriere leidet unter zu vielen Wechseln. Das berücksichtigen wir. Ein Spieler baut sich ja ein Umfeld auf, das kann für die Zeit nach der Karriere interessant sein, um in einem Amt eines Klubs unterzukommen.
Auffallend ist, dass sich Berater auf Vereine spezialisiert haben. Ihre Trainer im Portfolio, Marcel Koller, Urs Fischer und Ciriaco Sforza, deuten auf eine Vernetzung mit dem FC Basel hin. Am Stammtisch sagt man: Da wird «geküchelt».
Das ist reiner Zufall. Urs Fischer kam erst zu uns, als seine Zeit in Basel zu Ende ging. Und Sforza passte schlicht zum Anforderungsprofil: Man suchte einen Trainer, der Junge weiter entwickelt. Wir gingen nicht auf Basel zu, es war umgekehrt.
Leute wie Marcel Koller, müsste man meinen, haben genügend Erfahrung, als dass sie noch beraten werden müssten.
Da läuft so vieles im Hintergrund, dass einer allein den ganzen Wirbel nicht bewältigen kann. Da geht es auch darum, den Trainer in medialen Fragen zu begleiten. Auch in Basel begleiteten wir ihn in den unruhigen Zeiten eng.
Erzählen Sie.
Wer mittendrin steckt, reagiert oft falsch, auch wenn er so intelligent ist wie Marcel. Doch er hat sich zu nichts hinreissen lassen, ist immer sachlich geblieben, auch bei journalistischen Angriffen. Es ging uns immer darum, für den FC Basel Lösungen zu finden, das wurde im Nachhinein von vielen goutiert. Derzeit nimmt Marcel eine Auszeit. Einige Angebote waren gut, auch eines als Nationaltrainer eines mittelgrossen Verbands. Aber es ist nichts dabei, wo wir sagten: Das müssen wir jetzt machen.
Urs Fischer ist derzeit euer Trainer-Aushängeschild. Er hat mit Union Berlin Erfolg.
Ich habe einen guten Draht nach Berlin, auch weil wir mehrere Spieler bei Hertha und Union hatten. Mein Bauchgefühl sagte mir: Das mit Urs und Union passt energetisch perfekt. Ich suchte das Gespräch mit Union. Auch wenn Urs sich vielleicht nach Basel etwas mehr als einen 2.-Bundesligaklub erwartet hätte. Nun ist es ja besser herausgekommen als gedacht. Wir haben ja mehrere solcher Überraschungserfolge begleitet: Koller als Meistertrainer in St.Gallen 2000. Inler als Meister in Leicester 2016. Das sind Highlights.
Was reizt sie nach über 20 Jahren im Haifischbecken weiterhin am Beruf?
Du bleibst selber jung, wenn du mit Jungen arbeitest. Man erlebt sehr viel Positives, wächst mit den Spielern. Das schönste, was mir passieren kann: Wenn ein Spieler am Ende nur noch fragt: «Wo muss ich unterschreiben?» Das zeigt das Vertrauen in uns. Im Nachhinein hat sich noch keiner beklagt.