Charakterlich instabil seien sie und viel zu unwissend, um wichtige politische Ämter zu übernehmen, schrieb James Madison, später der vierte Präsident der Vereinigten Staaten, einst über die Unter-35-Jährigen. Deshalb müsse man sie aktiv daran hindern, an die Macht zu kommen.
Madisons Anliegen setzte sich durch. Die amerikanische Verfassung hält bis heute fest, dass der amerikanische Präsident mindestens 35, amerikanische Senatoren mindestens 30 Jahre alt sein müssen. Darunter, glauben die Amerikaner, ist politische Weisheit schlicht nicht möglich.
Die Finnen sehen das ganz anders.
Am Dienstag hat das Parlament in Helsinki die 34-jährige Sozialdemokratin Sanna Marin zur Regierungschefin gewählt. Marin sass seit 2015 im Parlament und amtete seit Juni als Verkehrs- und Kommunikationsministerin.
Sie ist die jüngste Premierministerin der Welt. Ihr nordisches Heimatland regiert sie mit einer Koalition aus fünf Parteien. Alle werden von Frauen geführt, drei von Marins Regierungspartnerinnen sind ebenfalls noch keine 35 Jahre alt.
Marin ist als Mittdreissigerin im Regierungssessel keine Ausnahme mehr. Sebastian Kurz, heute 33, war gerade mal 31, als er 2017 zum österreichischen Bundeskanzler gewählt wurde. Sobald er sich mit den Grünen auf ein Kabinett geeinigt hat, dürfte er erneut Kanzler werden und Marin als jüngstes Regierungsoberhaupt der Welt ablösen.
In Kiew hält der 35-jähirge Oleksij Hontscharuk als Premierminister die politischen Fäden in der Hand. In Neuseeland regiert die 39-jährige Jacinda Ardern und macht mit ihrem rigorosen Vorgehen gegen Waffengewalt weltweit auf sich aufmerksam.
In den USA steht der 37-jährige Demokrat Pete Buttigieg laut jüngsten Umfragen an erster Stelle der Wählergunst im wichtigen Vorwahlstaat Iowa.
Und der Sieg des linken Duos Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans bei der Wahl der SPD-Parteispitze wird nicht zuletzt dem Einfluss des erst 30-jährigen Jungsozialisten Kevin Kühnert zugeschrieben, der die zweitgrösste Partei Deutschlands mit seinen Ideen prägt wie kaum ein zweiter im Land.
Den wachsenden Einfluss junger Menschen in der Weltpolitik führt der deutsche Politologe Stephan Marschall auf die mediale Realität des 21. Jahrhunderts zurück. Marschall sagte dem «Spiegel», es sei heute dank Social Media so einfach wie nie zuvor, Aufmerksamkeit zu generieren und in kurzer Zeit eine grosse Masse über seine Ideen und Vorstellungen zu informieren.
Trotzdem gelten in vielen Ländern bis heute teils schwer nachvollziehbare Altershürden für Machthaber. Während einem etwa in der Schweiz, in Grossbritannien oder in Finnland die Türen zu allen politischen Ämtern schon mit 18 offenstehen, muss zum Beispiel Chinas Präsident mindestens 45 und Italiens Präsident sogar mindestens 50 Jahre alt sein.
Die Idee, das Mindestalter für politische Amtsträger von der legalen Volljährigkeit abzukoppeln, stammt von den Römern. Im Jahr 180 vor Christus führte Rom die «Lex Villia Annalis» ein, die festhielt, dass hohe Beamte nicht nur zehn Jahre lang Militärdienst geleistet haben mussten, sondern eben auch mindestens 37 Jahre alt sein sollten.
Der finnischen Regierungschefin Sanna Marin können die alten Römer egal sein. Sie habe sich früher als Schülerin immer gewundert über die alten Politiker, die immer «so anders» gewirkt hätten als sie, sagte sie in einem Interview. Dass jetzt in Finnland eine 34-jährige Frau die politische Macht innehat, freute sogar die einstige US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. Sie gratulierte Marin via Twitter.
Und während die Finnen der Welt zeigen, dass man zum Regieren nicht alt sein muss, gehen in den USA die Debatten darüber los, ob man vielleicht zu alt sein kann, um an die Macht zu gelangen. Joe Biden, der laut nationalen Umfragen die Liste der demokratischen Herausforderer von Donald Trump noch immer anführt, ist 76 Jahre alt.
Dabei müsste Biden selbst eigentlich um die Regierungsqualitäten junger Menschen wissen. Als er 1973 für seinen Heimatstaat Delaware in den US-Senat eintrat, war er gerade mal 30 Jahre alt.
(aargauerzeitung.ch)
Endlich ein Land dass nicht von alten weissen Männern im evolutionären Zölibat regiert wird.
Zeit zum Auswandern, wenn nur nicht diese Sprache wäre.
Machten wir bereits im letzten Jahrtausend😉
Nein, im Ernst. Ruth Metzler darf in so einem Artikel echt erwähnt werden!