Eine der grossen Seifenopern unseres Hockeys ist am Donnerstagabend kurz nach 22:00 Uhr mit einer dürren Medienmitteilung um eine Episode reicher geworden. Der EHC Olten hat folgende Neuigkeit vermeldet:
Vertragsauflösung: Marco Truttmann verlässt den EHC Olten per sofort.https://t.co/WhjJC693RW
— EHC Olten (@EHCOlten) October 31, 2019
Warum ist es jetzt so schnell gegangen? Nun, die ganze wunderbare Geschichte ist den Oltnern unheimlich geworden. Da der «Fall Truttmann» inzwischen in der Öffentlichkeit ausgebreitet worden ist, war ein ruhiges Schaffen nicht mehr möglich. Der EHC Olten ist denn doch in erster Linie ein Sportunternehmen und nicht eine in der mittelländischen Unterhaltungs-Industrie tätige Aktiengesellschaft.
Die sofortige Trennung vom eigenwilligen Innerschweizer kostet zwar Geld, dafür kehrt nun Ruhe ein. Wobei: sportlich muss schon noch etwas gehen. Soeben haben die Oltner zu Hause gegen die Ticino Rockets erst im Penaltyschiessen gewonnen.
SIEG IM PENALTYSCHIESSEN!
— EHC Olten (@EHCOlten) October 31, 2019
EHC Olten 2:1 Ticino Rockets
Tor für Olten: 1:0 Schwarzenbach
Kleinholz Olten: 2301 Zuschauer
Foto: @freshfocus pic.twitter.com/B3JRdILzts
Aber die Seifenoper geht natürlich weiter. Aber sie wird ab sofort nicht mehr auf der Oltner Hockey-Heimatbühne gespielt.
Ein schlauer Skorer, topfit, leidenschaftlich und hoch motiviert auf Rehabilitation bedacht, mit famosen Statistiken und günstig im Preis ist zu haben. In der zweithöchsten Liga hat Marco Truttmann in 450 Partien sage und schreibe 503 Punkte gebucht und auch in der höchsten Liga ist seine Vergangenheit mit 98 Punkten aus 206 Spielen respektabel.
Wer hat den Mut, dem eigenwilligen, sanften taktischen Rock’n’Roller noch einmal eine Chance zu geben?
Sein Traum ist ein Wechsel zu Kloten. Zum ambitionierten Aufstiegskandidaten. Dort war er im Laufe seiner Tour de Suisse, die ihn von Zug aus seit Beginn dieses Jahrhunderts schon nach Seewen, Ajoie, zu Thurgau, nach Weinfelden, Biel, Frauenfeld, Rapperswil-Jona, Biel und Olten geführt hat, noch nie.
Also auf zu einem letzten Karriere-Halleluja nach Kloten. Dieser Traum kann in Erfüllung gehen, weil es in Olten unerwartet schnell zu einer Trennung ohne sportliche Einschränkung gekommen ist. Marco Truttmann darf nun doch wechseln, wohin er will. Einzige Einschränkung: während der Qualifikation darf er nicht gegen Olten antreten. In den Playoffs dann aber schon. Die Oltner haben also zähneknirschend auf eine «Sperrklausel» für die Swiss League verzichtet.
Klotens Sportchef Felix Hollenstein muss nun mit seinem pädagogisch höchst begabten Trainer Par Hanberg (letzte Saison Meister mit Langenthal) beraten, ob das «Experiment Truttmann» gewagt werden soll.
Die Versuchung dürfte nicht gering sein: Marco Truttmann kann nämlich Aufstieg. Er ist mit Biel in die höchste Liga aufgestiegen (2008) und er hat damals bei der Rückkehr in die NLA in die Playoff- und Liga-Qualifikationspartien die gegnerischen Verteidigungen mit 19 Punkten in 20 Partien gerockt. Und er schaffte auch mit Thurgau die Promotion in die zweithöchste Liga (2006). Mit einer Mannschaft, die mit Marco Truttmann, René Stüssi und Phillipp Lüber eine offensive Rockband war und mit einem Torverhältnis von 152:43 aus unbesiegt durch die Qualifikation der 1. Liga brauste.
Aber eben: das ist mehr als 10 Jahre her. Was, wenn die Sportchefs der Swiss League diese seltene Rolex auf dem Transferwühltisch wegen möglichen Nebenwirkungen und Risiken verschmähen? Dann heisst die Realität Amateurhockey (MySports League).
Zwei interessante Teams stehen vorerst im Vordergrund: die auf den letzten beiden Plätzen klassierten Krisenklubs Seewen und Hockey Huttwil. Beide brauchen dringend offensive Aufrüstung, beide können auch etwas «Gillet-Münz» herausrücken. Huttwils Präsident Heinz Krähenbühl hat sein Interesse bereits deponiert. Aber vielleicht meldet sich auch noch der Sportchef eines Spitzenteams.
Die Chancen stehen also gut, dass diese Seifenoper noch nicht zu Ende ist. Es kann ja nicht sein, dass Marco Truttmanns Karriere mit der Scheidung vom EHC Olten schon zu Ende geht. Er hat, wenn er denn will, noch zwei, drei gute Hockey-Jahre vor sich.
Weiterhin gilt: affaire à suivre.
Was er jedoch nicht war, zumindest seit der Vertragsverlängerung, ist leidenschaftlich. Klar, es ist nicht einfach mit Verletzungen. Wenn man jedoch sieht, wie der teuerste Spieler des Vereins, vielleicht sogar der Liga, teilweise völlig lustlos auf dem Eis herumkurvt muss man sich schon fragen ob er das Geld wert ist.