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Netanjahu hat nach Wahl in Israel Chance auf weitere Amtszeit

epaselect epa09089943 Israeli Prime Minister and leader of the Likud party Benjamin Netanyahu gestures during a visit at the Mahane Yehuda Market as part of his elections campaign in Jerusalem, Israel ...
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu freut sich über den Sieg seiner Partei bei der Parlamentswahl. Bild: keystone

Netanjahu hat nach Wahl in Israel Chance auf weitere Amtszeit

23.03.2021, 22:22
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Am Wahltag gibt Benjamin Netanjahu noch einmal alles. Via Twitter kündigt der Ministerpräsident erneut Direktflüge zwischen Israel und Mekka in Saudi-Arabien an. Sein Kalkül dahinter ist klar: Der 71-Jährige will Regierungschef bleiben, da könnte er die Gunst arabischer Wähler oder Abgeordneter noch gut gebrauchen.

Am Dienstagabend zeigen dann aber die Prognosen, dass dies gar nicht nötig ist: Netanjahus rechtskonservative Likud-Partei geht als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl hervor – der vierten binnen zwei Jahren. Sie büsst demnach zwar Sitze in der Knesset ein. Das von Netanjahu angestrebte Bündnis rechter und religiöser Parteien kann aber dennoch eine knappe Mehrheit von 61 der 120 Abgeordneten erreichen.

Dafür wäre er angewiesen auf die Unterstützung einer umstrittenen ultrarechten Partei. Zugleich muss sich aber auch ein grosser Rivale auf seine Seite schlagen. Naftali Bennett und seine siedlerfreundliche Jamina-Partei könnten für ihn die Rolle des Königsmachers spielen. Allerdings könnte Bennett auch Mehrheitsbeschaffer des Anti-Netanjahu-Lagers werden. Dies halten Experten aber für eher unwahrscheinlich.

Der frühere Verteidigungsminister Bennett hatte im Wahlkampf als Ziel ausgegeben, Netanjahus Zeit als Regierungschef zu beenden. Allerdings hat er es auch nicht ausgeschlossen, in eine Koalition unter Netanjahu einzutreten. Was er aber hingegen ausgeschlossen hat, das ist der Eintritt in eine Koalition mit Jair Lapid, dem zweitplatzierten Oppositionsführer, an der Spitze.

Bennett sagte am Abend in einer ersten Reaktion: «Ich werde nur das tun, was für den Staat Israel gut ist.» Eine Regierungsbildung könnte sich lange hinziehen. Mit dem vorläufigen Endergebnis könnte sich das Bild noch deutlich verschieben. Es wird nicht vor Freitag erwartet.

Wegen der coronabedingten Umstände der Wahl dauert es diesmal damit länger. So soll die Auszählung der sogenannten doppelten Umschläge mit Stimmen von Soldaten, Diplomaten, Häftlingen und Corona-Kranken erst Mittwochabend beginnen. Einem Medienbericht zufolge wird sich deren Zahl, die bei der Wahl vor einem Jahr noch 330 000 betragen hatte, diesmal fast verdoppeln. Dies entspricht demnach etwa 15 der 120 Mandate.

Netanjahu ist seit 2009 durchgängig Ministerpräsident und der am längsten amtierende Regierungschef des Landes. Viele junge Israelis kennen keinen anderen. Im Wahlkampf wollte Netanjahu mit der Annäherung Israels an arabische Golfstaaten punkten. Darüber hinaus präsentierte er sich als Urheber der rasanten Impfkampagne in dem Land.

Viele haben jedoch die Versäumnisse der Regierung im Pandemieverlauf nicht vergessen: Die Infektionszahlen lagen teils deutlich über denen in Deutschland, die Bürger mussten sich mit langen Lockdown-Phasen arrangieren. Säkulare Israelis hielten ihm zudem zu grosse Rücksicht auf die Ultraorthodoxen vor. Strengreligiöse Parteien waren zuletzt wichtige Partner Netanjahus. So entbrannte ein Streit, der die israelische Gesellschaft auf eine harte Belastungsprobe stellte. Netanjahu steht aber auch wegen eines gegen ihn laufenden Korruptionsprozesses stark unter Druck. Eine Rechtsregierung könnte ihm bei dem Versuch helfen, eine Verurteilung zu verhindern.

Bei dieser Wahl ging es nicht wie sonst häufig in Israel um eine Entscheidung zwischen rechtem oder linkem Lager, sondern um die Frage, ob man für oder gegen Netanjahu ist.

Die Lage in Israel ist so vertrackt, weil die Parteienlandschaft stark zersplittert und interessengeleitet ist. Sowohl das rechte als auch das linke Lager setzen sich aus mehreren Parteien zusammen. An den Rändern gibt es weitere Abspaltungen wie etwa die Ultrarechten.

Auch wenn sie einem Lager angehören, sind manche Gruppierungen nicht bündniskompatibel. Neben programmatischen Differenzen geht dies auch auf persönliche Animositäten zurück. So gilt Netanjahus Beziehung zu anderen Hauptfiguren des rechten Lagers wie Bennett, Gideon Saar und Avigdor Lieberman als sehr schwierig.

Hinzu kommt eine niedrige Prozenthürde, die für den Einzug ins Parlament übersprungen werden muss. Sie liegt bei 3.25 Prozent, in Deutschland dagegen etwa bei 5. Die letzte Regierung setzte sich zusammen aus mehr als einem halben Dutzend Parteien und vereinzelten Knesset-Abgeordneten. Das Kabinett war entsprechend stark aufgebläht. Es bestand aus mehr als 30 Ministerinnen und Ministern. (sda/dpa)

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