Wir Journalisten sind manchmal ja schon sehr clever. Wir wissen zum Beispiel immer schon vor einer Partie, wie sie ausgehen wird. Und wussten es dann im Nachhinein erst recht schon immer, wenn sie doch anders geendet hat. Wir sind auch stets vorbereitet. So gut, dass eine Story schon so weit parat ist, dass in der Redaktion nur noch auf «Enter» gedrückt werden muss und schon ist sie verbreitet.
Nach Stanislas Wawrinkas Einzug in den Final der Australian Open und dem bevorstehenden Halbfinal zwischen Roger Federer und Rafael Nadal wurde zwischen Genfer- und Bodensee fleissig telefoniert, recherchiert und getippt. Alles für den Kübel! Denn Federer hatte gegen Nadal keine Chance, nix da mit #Swissfinal in Melbourne.
Alles für den Kübel? Denkste! Wir zeigen Ihnen exklusiv, wie verschiedene Medien über das sporthistorische Ereignis berichtet hätten.
Wir haben ja eh schon grosse Buchstaben, was uns insbesondere bei der Brillen tragenden AHV-Fraktion Pluspunkte einträgt (super, wenn die Zielgruppe junge, tätowierte Städterinnen sind). Beim historischen Ereignis des reinen Schweizer Finals in Australien hätten wir unsere Designer angewiesen, die Titelschrift noch grösser zu machen. Man hätte dann auf dem Handy einen Buchstaben pro Bildschirm gesehen und sich den Daumen abgerubbelt beim Lesen der Schlagzeile «Zwei Schweizer in einem Grand-Slam-Final – das gab es noch nie!»
Steffi Buchli hatte schon dem hausinternen Möbelpackdienst angerufen: «Du Rrrrruedi, mirrrr müend soforrrrrt öisi Sässel vo dä Sporrrrtlounge uf Austrrrrralie brrrrringe!» Als sie mitbekam, dass aus dem Finale Wawrinka gegen Federer nichts wird, suchte sie Trost bei Rainer Maria Salzgeber. Der Walliser war wie immer lässig drauf. Kunststück: Gilbert Gress hatte ihm gerade zum 238. Mal Geschichten aus Strassburg erzählt.
Auch die Kollegen hätten ihr Textbearbeitungsprogramm gehackt, um eine noch grössere Schrift zu erhalten, als es die Programmierer vorgesehen hatten. 150 Punkte? Pfff, das reicht doch niemals, um ein riesiges «JAAAAAAAAAAAAAAAAAA!» auf die Titelseite zu drucken! Ausserdem hätte der Blick-Käfer ein lustiges Wortspiel vorgetragen: «AUStralien kommt der Kübel zu uns.»
* Stellen Sie sich diese Schrift etwa 17x grösser vor
Hat das Pech, dass es erst am Montag wieder verteilt wird. Online wird dafür grosses Geschütz aufgefahren. Besonders eine Umfrage erfreut sich grösster Beliebtheit: So geben 58 Prozent der Männer zwischen 20 und 30 Jahren an, dass sie genau so unter Akne litten wie Stanislas Wawrinka. Sagenhafte 100 Prozent sind davon überzeugt, dass nun mit Sicherheit ein Schweizer die Australian Open gewinnt. «So einig waren sich unsere Leser noch nie!», wird in der Überschrift gejubelt.
Aus zuverlässiger Quelle wissen wir, dass eine Liste erstellt worden wäre: «Die geilsten reinen Schweizer Finals an Grand-Slam-Turnieren.» Weil die Liste etwas gar kurz ausgefallen wäre, wurden die Plätze 2 bis 11 mit Katzen-GIFs aufgefüllt. Jöö ist schliesslich nie ein Fail, LOL.
Auf der Titelseite wäre morgen kurz vermeldet worden, dass in Australien zwei Schweizer Tennisspieler für Aufsehen sorgen. Die Wichtigkeit des Anlasses wurde aber im Gegensatz zu allen anderen Medien richtig beurteilt: Die grosse Titelstory sind die Lokalwahlen in Kraswanistan. Die Sportredaktion wählt als Schlagzeile bloss ein Wort: «Unique». Schliesslich liest der geneigte NZZ-Konsument gerne etwas französisch.
Das Motto «Wenn alle etwas gut finden, dann finden wir es aus Prinzip schlecht» wird konsequent umgesetzt. «Schweizer Final?», stänkert das Blatt fragend. «Der eine stammt aus Osteuropa, die Mutter des anderen aus Afrika.»
Zwei Sportler dominieren auch hier die Titelseite: Die Neuverpflichtungen des FC Aarau. «Mit Goalie Lars Unnerstall hat der FCA einen Glücksgriff getätigt», jubelt der Vereins-Chronist. «Und der lettische Innenverteidiger Nauris Bulvitis ist mit erst 26 Jahren ein echter Perspektivspieler. Damit ist der Verein endlich wieder unabsteigbar.»
«Wir sind Tennis!/Nous sommes tennis!» tönt es aus der zweisprachigen Stadt. Die Bieler feiern primär nicht die beiden Spieler, sondern sich selber als Nabel des Schweizer Tennissports. Schliesslich hat Roger Federer früher mal dort trainiert, es gibt eine «Roger-Federer-Allee» und Wawrinka ist ein Welscher.
«Gott sei Dank ist es nicht zu einem Schweizer Finale gekommen. Sonst wäre noch mehr kostbares Ackerland in sinnlose Tennisplätze umgewandelt worden. Gewisse Kreise glauben noch immer, dass mit Sport mehr Geld verdient werden kann als mit ehrlicher Bauernarbeit.»