Für Wladimir Putin läuft es denkbar schlecht in seinem Krieg gegen die Ukraine. Am Donnerstag sank die «Moskwa», sein wichtigstes Kriegsschiff im Schwarzen Meer, mutmasslich als Folge eines ukrainischen Angriffs. Die Ukrainer haben den Viktor Medwedtschuk, den Vater seines Gottenkindes, gefangen genommen. Und der amerikanische Auslandgeheimdienst CIA warnt davor, dass Putin bald zu «taktischen Atomwaffen» greifen könnte, weil er bald keinen anderen Ausweg mehr sehe.
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Gegenüber dem heimischen Publikum aber zeichnet der Kreml-Herrscher ein ganz anderes Bild der «Realität» in der Ukraine. Das zeigt ein neues offizielles Dokument mit Vorschriften dazu, wie staatliche Behörden ihren Mitarbeitenden die Geschehnisse in der Ukraine erklären sollen. «Die Operation verläuft nach Plan. Unsere Armee eilt von Sieg zu Sieg und beweist dabei das Heldentum der Soldaten und eine humane Haltung gegenüber der Zivilbevölkerung. Nur höfliche Profis kämpfen», steht in dem 15-seitigen Schreiben, das die russische Journalistin Natalja Sindejewa auf «Telegram» veröffentlicht hat.
Das amtliche Schriftstück gewährt einen seltenen Einblick in die verstörende Parallelwelt, die Putin und seine Kumpanen aus einem gefährlichen Lügengerüst zusammengezimmert haben. Und es zeigt, mit welch kruden Verschwörungstheorien das Regime in Moskau um sich wirft, um den Angriffskrieg auf die Ukraine zu rechtfertigen.
Die Ukraine sei eine von Amerika kontrollierte Plattform, von der aus Russland mit Bio-Waffen zerstört werden soll, heisst es in dem Dokument. In spezialisierten Labors würde an Krankheitserregern «mit selektiver ethnischer Wirkung» herumexperimentiert, behaupten die Verfasser. Die USA entwickle in der Ukraine Bio-Waffen, die nur «Menschen slawischer Nationalität» schaden könnten.
Dazu kämen die «Provokationen durch die Nazis in den Atomanlagen», die beweisen würden, dass das «Kiewer Regime» bereit sei, «Massenvernichtungswaffen einzusetzen».
Als Beweis für die Schauermärchen dient den Verfassern die Tatsache, dass die Ukraine kürzlich die Einfuhr russischer Bücher ins Land verboten habe. Dieselbe Isolationstaktik hätten auch schon die Nazis in Deutschland angewendet.
Russland habe intervenieren müssen, um den «Völkermord im Donbass» und zu stoppen, steht in dem Schriftstück. Denn: «Ausser Russland gibt es niemanden, der diese Menschen schützt.» Dasselbe gelte für die Stadt Mariupol, wo Russland «eine beispiellose humanitäre Aktion durchführe». Putin, der «Mann, der den Mut hat, sich für uns alle einzusetzen», habe versucht, mit dem Westen zu verhandeln. «Aber als Antwort auf jedes Angebot wurde Russland in einen Schraubstock gezwängt.»
Solche amtlichen Pamphlete, mit denen die russische Gesellschaft auf den Kreml-Kurs eingeschworen werden soll, haben in Russland fast schon Tradition. Erst vor Kurzem erhielten die Schulen im Land ein Handbuch zugeschickt mit detaillierten Vorschriften, wie Lehrpersonen «über die Ereignisse in der Ukraine» berichten sollten. Der Krieg wird darin zu einer «Friedenssicherungsmission» verdreht, um das Regime in Kiew «zu entmilitarisieren und entnazifizieren». Allen 9.– bis 11.-Klässlern soll man die Dringlichkeit des russischen Einmarsches klarmachen:
Kritische Stimmen, die gegen die Propaganda aus dem Kreml ankämpfen, finden in Russland kaum noch eine Plattform. Twitter, Facebook und Instagram sind gesperrt, gegen oppositionelle Medien geht Moskau hart vor.
Die Kriegsrealität in der Ukraine aber hält sich nicht an das verquere Drehbuch des Kreml. Am Karfreitag gaben die ukrainischen Behörden bekannt, dass in den ersten 50 Kriegstagen mehr als 20'000 russische Soldaten getötet worden seien. «Helden» und «höfliche Profis» waren kaum darunter. (aargauerzeitung.ch)
Gutnacht.