Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) hat seit September 2017 neue Möglichkeiten zur Überwachung. Diese hat er bereits rege genutzt: In den ersten vier Monaten führte er 40 genehmigungspflichtige Massnahmen durch. Unter Massnahmen versteht der NDB:
Wie der Nachrichtendienst in den konkreten Fällen Informationen beschaffte, gab er in dem am Montag veröffentlichten Lagebericht 2018 (pdf/7mb) nicht bekannt. Auch die Anzahl und die Identität der Zielpersonen bleiben geheim.
Die Überwachungsmassnahmen wurden im Rahmen von vier Operationen durchgeführt. Zwei davon betrafen Terrorismus, zwei verbotenen Nachrichtendienst. Bei der Erarbeitung der neuen Rechtsgrundlagen ging der Bundesrat davon aus, dass der Nachrichtendienst in rund zehn Fällen pro Jahr von seinen neuen Möglichkeiten Gebrauch machen könnten. Die Anzahl Operationen bewege sich im erwarteten Rahmen, sagte Ständerat Claude Janiak (SP/BL), Präsident der für den Geheimdienst zuständigen Geschäftsprüfungsdelegation, gegenüber Radio SRF.
Die Zahl der durchgeführten Massnahmen zur Informationsbeschaffung liegt höher, weil der Nachrichtendienst bei jeder Operation auf verschiedene Mittel zurückgreifen kann. Wenn zwei Handynummern überwacht werden, zählt das beispielsweise als zwei Massnahmen. Das gleiche gilt, wenn bei einer Person ein Ortungsgerät eingesetzt und das Handy überwacht wird.
Jede genehmigungspflichtige Beschaffungsmassnahme muss vom Bundesverwaltungsgericht genehmigt und von Verteidigungsminister Guy Parmelin freigegeben werden. Dieser muss sich vorab Justizministerin Simonetta Sommaruga und Aussenminister Ignazio Cassis absprechen. Ob die Genehmigungsbehörden Anträge verweigert haben, gab der NDB nicht bekannt.
Neu kann der Nachrichtendienst auch Kabelaufklärung betreiben. Dabei werden Daten aus der Internetkommunikation ausgewertet, um Informationen über das Ausland zu beschaffen. Von dieser Möglichkeit hat der NDB bis Ende Jahr keinen Gebrauch gemacht. Die technischen Fähigkeiten befänden sich noch im Aufbau, heisst es im Bericht.
Die durchgeführten Operationen zeigten, dass die neuen Instrumente nur auf die schwersten Bedrohungslagen angewendet würden, schreibt Parmelin im Vorwort. Seiner Ansicht nach zeigt die Bedrohungslage aber, dass der Nachrichtendienst die neuen Mittel mehr den je benötige.
Dieser geht von einer erhöhten Bedrohung aus. Immer wieder gibt es Hinweise, die auf Ideen, Absichten oder Vorbereitungshandlungen für einen Anschlag mit Bezug auf die Schweiz hindeuten, wie es im Bericht heisst. Mehrere Personen wurden deswegen verhaftet, einzelne verurteilt. Die grösste Bedrohung geht dabei immer noch vom «Islamischen Staat» aus.
Aktuell zählt der NDB rund 90 Risikopersonen. Es handelt sich um Personen, die ein erhöhtes Risiko für die Sicherheit der Schweiz darstellen. Das sind nicht nur Dschihadisten, sondern auch Personen, die den Terrorismus unterstützen und dazu ermutigen. Der NDB meldet diese laufend dem Bundesamt für Polizei und der Bundesanwaltschaft. Die Zahl der dschihadistisch motivierten Reisenden liegt unverändert bei 93.
Im Rahmen der Terrorismusprävention überwacht der NDB auch einschlägige, von Dschihadisten genutzte Internetseiten, soziale Medien und Foren. Seit 2012 identifizierte er so 585 Nutzer, die in oder aus der Schweiz im Internet dschihadistisches Gedankengut verbreitet oder sich mit Gleichgesinnten vernetzten.
Eine Verschärfung stellte der Nachrichtendienst beim Linksextremismus fest. Die Zahl der gewaltsamen Vorfälle stieg von 60 auf 100. Es handelt sich um Angriffe auf Sicherheitskräfte, neu aber auch zunehmend Brandanschläge. Dagegen wurde nur ein rechtsextrem motivierter gewaltsamer Vorfall verzeichnet.
Eine weitere Bedrohung bleibt der verbotene Nachrichtendienst. Spionage sei ein allgegenwärtiges Phänomen, schreibt der NDB im Lagebericht. Demnach spionieren rund ein Dutzend Staaten ihre Landsleute in der Schweiz aus. Immer mehr kommt dabei auch Cyberspionage zum Einsatz.
Solche Mittel werden auch eingesetzt, um politische, ideologische und wirtschaftliche Interessen durchzusetzen. Im Fokus des NDB sind dabei russische Hackergruppierungen. Vermehrt greifen nun auch chinesische Hackergruppierungen mit mutmasslichen Verbindungen zu den Sicherheitsbehörden Schweizer Exportunternehmen und internationale Organisationen an. (sda)