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Interview

Kryptoexperte Wüst: «Bei einigen Projekten muss man sich schon fragen...»

Karl Wüst ist Doktorand der Computerwissenschaften an der ETH. Sein Spezialgebiet: Kryptowährungen. Im Interview mit watson erklärt er, weshalb er glaubt, dass mehrere Sieger aus dem Kryptokampf hervorgehen werden.
02.06.2018, 17:4102.06.2018, 18:57
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2017 war das Jahr des grossen Massenhypes für die Blockchain und viele Kryptowährungen. 2017 war auch das Jahr der vielen Versprechen.

Auf das Jahr des Hypes werden Jahre der Bewährung folgen. Welche Versprechen wird die vielgelobte neue Technologie einhalten können – und welche nicht? Wir haben mit Karl Wüst von der ETH – ein ausgewiesener Experte in Sachen Blockchain-Technologie – gesprochen und er hat uns verraten, was wir in den nächsten Jahren erwarten dürfen – und was eben nicht. 

Herr Wüst – sind Kryptowährungen und die Blockchain überschätzt?
Karl Wüst:
Das ist eine schwierige Frage und kann so allgemein nicht beantwortet werden. Als problematisch erachte ich, dass es einen blinden Hype gibt: Alle wollen ein Projekt mit einer Blockchain aufziehen – Hauptsache Blockchain. Die Herangehensweise sollte aber umgekehrt sein: Am Anfang steht eine Projektidee und die Blockchain oder Kryptowährungen könnten das ideale Hilfsmittel zur Umsetzung sein. Die Blockchain und Kryptos sind nur Werkzeuge, kein Selbstzweck.

Karl Wüst ist Doktorand in der System Security Group an der ETH Zürich. Seine Forschung befasst sich mit der Blockchaintechnologie und fokussiert auf Sicherheit und Anonymität.
Karl Wüst ist Doktorand in der System Security Group an der ETH Zürich. Seine Forschung befasst sich mit der Blockchaintechnologie und fokussiert auf Sicherheit und Anonymität.bild: karl Wüst

Können Sie uns dazu ein Beispiel geben?
Einige Supply-Chain-Projekte – zum Beispiel die Speicherung der Temperaturdaten in einer Kühlkette – benutzen ohne Grund eine Blockchain. Die grosse Stärke der Blockchain ist, dass Daten unveränderbar und für jeden einsehbar gespeichert werden können – und keinem Drittanbieter vertraut werden muss. Doch wer garantiert beim Beispiel der Kühlkette, dass die Daten auf der Blockchain der Wahrheit entsprechen? Dass die Sensoren zur Erfassung der Temperatur richtig funktionieren? Dass die Daten nach der Messung nicht manipuliert wurden? Dadurch muss dem Sensor und dessen Umgebung vertraut werden. Die Blockchain hilft dabei nicht, die Authentizität der Daten zu garantieren.

Das Problem ist, die Grenze zwischen der analogen und der digitalen Welt zu überbrücken?
Ja, diese Transformation ist schwierig. Es gibt aber auch positive Fallbeispiele. Immer wieder genannt wird die dezentrale Flugversicherung. Ob ein Flug stattgefunden hat oder nicht, ist ziemlich offensichtlich und einfach überprüfbar, solange man eine Vertrauenswürdige Quelle wie z.B. eine Airline hat, die diese Daten zur Verfügung stellt. Ein Smart-Contract kann dann die Auszahlung der Prämien vornehmen – wobei ein Restrisiko natürlich immer bleibt.

Trotzdem ist die Blockchain für digitale Produkte besser geeignet?
Und deshalb glaube ich, dass sich die Blockchain vor allem in der Finanzwelt durchsetzen wird.

Wer wird dabei das Rennen machen?
Rein technisch eignet sich Bitcoin nicht, alle Zahlungsmittel der Welt alleine zu ersetzen. Zwar kann man mit dem Lightning-Netzwerk die Durchflussrate erhöhen, aber es gibt noch sehr viele Probleme zu lösen. Ich persönlich glaube, dass wir in Zukunft mit ganz vielen verschiedenen Kryptowährungen und Atomic Swaps bezahlen werden ...

... und das alles mit einem immensen Stromverbrauch.
Der Stromverbrauch resultiert aus dem ineffizienten Proof-of-Work-Verfahren. Ich bin der Überzeugung, dass davon abgekommen werden muss. Ethereum zum Beispiel kündigt schon seit Jahren Proof of Stake an. Doch eine Implementation ist schwierig und man scheint sich Zeit für eine saubere Lösung zu nehmen. Das wiederum ist ein gutes Zeichen.

Was halten Sie grundsätzlich von der zweitgrössten Kryptowährung? Kann der vielbesungene Weltcomputer mit den Smart-Contracs von Ethereum realisiert werden?
Im Moment besteht bei Ethereum noch das Problem, dass jeder Verifizierer jeden Contract ausführen muss. Und das seriell. Daraus entsteht ein Flaschenhals, welcher das System limitiert. Deshalb glaube ich auch hier an eine Zukunft mit einer Koexistenz verschiedener Smart-Contract-basierten Blockchains.

Kommt es noch zum grossen Crash?
Das kann ich so nicht beurteilen. Das ist nicht meine Expertise. Natürlich wird abgezockt (Scams) und bei einigen Projekten muss man sich schon fragen, ob sie technisch überhaupt realisierbar sind. Andere wiederum sind reine Ideenfragmente ohne konkrete Umsetzungsansätze. Bei den grossen, Bitcoin, Ethereum und so weiter, glaube ich nicht an eine böse Überraschung.

Aber auch unter den Top-10 befinden sich Wackelkandidaten. IOTA wirkt undurchsichtig, Cardano ist noch nicht aus den Startblöcken gekommen – um nur zwei aus einer nicht abschliessenden Liste zu nennen.
Bei Cardano bin ich etwas zuversichtlicher. Das Projekt berücksichtigt wissenschaftliche Kriterien – mich als Wissenschaftler und als technisch interessierte Person dünken solche Ideen sinnvoll.

Bei IOTA bin ich mir hingegen nicht so sicher. Ich befürchte ein Gebastel. Im Whitepaper findet sich keine Security-Analysis und damit kein Argument, weshalb das System sicher sein sollte. Das verheisst nichts Gutes.

Empfehlen Sie in Ihrem privaten Umfeld Kryptoinvestments?
Nein. Ich hausiere nicht und überrede niemanden aktiv. Wenn jemand investieren will, dann muss er sich dem hohen Risiko bewusst sein und nur mit so viel Geld spekulieren, dass auch ein Totalverlust verkraftet werden kann.

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