Der Handyakku, der nach wenigen Monaten den Geist aufgibt, der Föhn, der sich nicht mehr reparieren lässt und deshalb ersetzt werden muss – die Klagen über die unerwünschten Nebenwirkungen der Konsumgesellschaft sind so alt wie die Konsumgesellschaft selber.
Immer wieder aber ertönen Vorwürfe, dass diese Wegwerfgesellschaft nicht einfach nur unserem Lebensstil geschuldet ist, sondern dass teilweise Unternehmen kräftig nachhelfen, indem sie die Lebensdauer von Produkten künstlich beschränken.
Die sogenannte «geplante Obsoleszenz» wurde spätestens Ende vergangenen Jahres einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, als ruchbar wurde, dass Apple mit einem Update ältere iPhone-Modell verlangsamt hatte, um zu verhindern, dass diese sich plötzlich ausschalten. Kritiker warfen dem Unternehmen daraufhin vor, Besitzer von älteren iPhons so zum Kauf eines neuen Modells zu verleiten. Apple entschuldigte sich zwar, bestritt aber den Vorwurf der geplanten Obsoleszenz.
Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung Konsumentenschutz, beschreibt geplante Obsoleszenz als «willentlich herbeigeführte vorzeitige Alterung» eines Produkts. Diese könne über verschiedene Massnahmen geschehen, zum Beispiel, indem gezielt ein schwacher Kondensator in einem Elektronikgerät verbaut werde, der früher oder später den Geist aufgebe. Stalder ist überzeugt: «Die geplante Obsoleszenz ist in der Schweiz längst eine Realität». Eine Umfrage des Konsumentenschutzes bei Schweizer Unternehmen habe dies bereits 2014 zutage gefördert. «Darin bestätigen diverse Experten, dass Produkte mit Absicht kurzlebig produziert werden.»
Für Jean-Marc Hensch, Geschäftsführer des Wirtschaftsverbands digitale Schweiz Swico, ist die Vorstellung, dass irgendein Hersteller sein Produkt absichtlich verschlechtere «absurd». Kein Unternehmen könne es sich leisten, ein fehlerhaftes Produkt auf den Markt zu werfen. Die geplante Obsoleszenz ist für Hensch vor allem eines: «Ein urbaner Mythos». Das Problem liege vielmehr im Bereich der Billigprodukte, ist Hensch überzeugt: «Billige Ware ist oftmals schlecht verbaut und muss deshalb ersetzt werden.» Der Kunde beeinflusse mit seiner Kaufentscheidung letztendlich, ob der Markt mit Billigprodukten geflutet werde.
Konsumentenschützerin Stalder widerspricht. «Das Problem der kurzen Lebensdauer findet sich nicht nur bei billigen, sondern auch bei teueren, angeblich hochwertigen Produkten. Der Konsument kann somit gar mehr Verantwortung übernehmen, dieses auf den ersten Blick glaubhaft wirkende Argument verwendet die Industrie natürlich gerne.»
Das Phänomen der geplanten Obsoleszenz beschäftigt auch die Politik. Die Grünen-Nationalrätin Adèle Thorens hat bereits 2012 den Bundesrat aufgefordert, Massnahmen aufzuzeigen, wie der geplanten Alterung von Produkten entgegengewirkt werden kann. Der daraufhin erstellte Bericht des Bundesrats sei damals allerdings «nichts als Papier gewesen», so Thorens.
Jetzt fordert ein Postulat der CVP-Nationalrätin Géraldine Marchand-Balet erneut, dass die Verwaltung die Rechtslage in der Schweiz überprüft und mit europäischen Standards vergleiche. Frankreich ist bereits vorgeprescht. Seit 2015 ist eingebauter Verschleiss in unserem Nachbarland strafbar. Ende Dezember letzten Jahres wurden deswegen Ermittlungen gegen den Druckerhersteller Epson eingeleitet. Dass ein solches Gesetz auch in der Schweiz eingeführt werden könnte, glaubt Thorens indes nicht: «Erstens wird sich die bürgerliche Mehrheit mit Händen und Füssen wehren, und zweitens wäre es ohnehin praktisch unmöglich, den Herstellern Vorsatz nachzuweisen.»
Es gebe allerdings andere, erfolgsversprechende Ansätze, zum Beispiel die Verbesserung der Reparierbarkeit: «Heutzutage ist es so, dass Kunden gekaufte Produkte oftmals nicht selber reparieren können, sei es, weil man das Gerät ohne Fachkenntnis nicht öffnen kann, sei es, weil die entsprechenden Ersatzteile nicht zum Verkauf angeboten werden.» Das müsse sich ändern.
Für Konsumentenschützerin Stalder ist klar, was passieren muss: «Die Hersteller müssen auf eine fünfjährige Garantie verpflichtet werden. Und sie müssten auf all ihren Produkten die vorgesehene Lebensdauer zwingend angeben – ohne diese Transparenz ist der Kunde in einer schwächeren Position.»
Hensch hingegen glaubt nicht, dass Regulierungen zielführend wären. «Die Leute wollen immer das Handy, das noch dünner und noch leichter ist, auch wenn man dann deswegen den Akku nicht mehr reparieren kann.» Auch eine Lebensdauervorschrift mache deshalb wenig Sinn. Ohnehin sei die Menge an Elektroschrott in der Schweiz stagnierend, der Aktionismus gewisser Politiker sei deshalb verfehlt, so Hensch.
Auch Konsumentenschützerin Stalder ist skeptisch, dass sich die Politik bald vorwärtsbewegt, wenn auch aus anderen Gründen: «Die Schweiz hat ihre Vorreiterrolle in guter Konsumentenpraxis leider längst verloren, im Parlament werden Vorstösse regelmässig durch Wirtschaftsvertreter abgeschmettert. Am Ende muss doch wieder das europäische Umland vorwärts machen.» Dann nämlich bleibe der Schweiz nichts anderes übrig als nachzuziehen.