Flüchtlinge: Entscheid zu permanentem EU-Flüchtlings-Verteilschlüssel verschoben

Flüchtlinge: Entscheid zu permanentem EU-Flüchtlings-Verteilschlüssel verschoben

15.09.2015, 00:08

Die EU-Innenminister haben sich am Montag in Brüssel nicht grundsätzlich darauf geeinigt, 120'000 Flüchtlinge aus Italien, Griechenland und Ungarn auf andere EU-Staaten zu verteilen. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga war nach dem Treffen äusserst enttäuscht.

Sie sprach mit klaren Worten: «Ich habe seit Jahren einen Verteilschlüssel gefordert.» Wenn man vorwärts kommen möchte, dann brauche es einen solchen Schlüssel. Nur so sei eine solidarische echte Asylpolitik möglich. «Dublin muss weiterentwickelt werden», forderte sie.

Aber wenn man jahrelang nationale Interessen über eine gemeinsame Lösung stelle, «dann kann man nicht in ein paar Wochen erreichen, was man jahrelang versäumt hat», kritisierte sie. Sommaruga nahm ebenfalls am Ministertreffen teil, da sich die Schweiz über das Dublin-Abkommen teilweise an der EU-Asylpolitik beteiligt.

Es scheine, «Europa ist für einen Paradigmenwechsel noch nicht bereit», sagte Sommaruga weiter. Die Bundespräsidentin bedauerte die Vertagung der Entscheidungen. Auch über den permanenten Verteilschlüssel wurde demnach nicht diskutiert. Das nächste EU-Innenministertreffen findet am 8. und 9. Oktober in Luxemburg statt.

Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière und sein französischer Amtskollege Bernard Cazeneuve hatten gegen 19.30 Uhr verkündet, man habe sich grundsätzlich auf die Verteilung von 160'000 Flüchtlingen innerhalb der EU geeinigt - davon 120'000 zusätzlich aus Italien, Griechenland und Ungarn.

Einzelne Länder stellen sich quer

Während dieser Ankündigung war jedoch das Treffen noch im Gange. Ein Insider sagte, als man gesehen habe, dass man nicht alle Staaten auf die Aufnahme von Flüchtlingen habe verpflichten können, sei die Zustimmung unter den EU-Staaten weggebrochen, so dass keine Einigung mehr möglich gewesen sei. Je nach Quelle haben sich vier bis sechs Staaten dagegengestellt.

Hingegen gaben die EU-Innenminister grünes Licht bei der Verteilung von 40'000 Asylsuchenden aus Italien und Griechenland innerhalb der EU. Zuvor hatte bereits das EU-Parlament seine Zustimmung geben. Somit kann bald mit der Umverteilung begonnen werden.

Die EU-Staaten blieben jedoch hinter den von der EU-Kommission vorgeschlagenen 40'000 zurück. Ihnen gelang lediglich die Verteilung von 32'256 Asylsuchenden. Die verbleibende Zahl solle jedoch bis Jahresende erreicht werden, teilten die EU-Innenminister mit. Die Schweiz hat noch nicht bekannt geben, wie viele Flüchtlinge sie aufnehmen wird.

Für jeden aufgenommenen Flüchtling erhält der aufnehmende Staat 6000 Euro. Die Umverteilung soll innerhalb von zwei Jahren erfolgen für jene Flüchtlinge, die vom 15. August 2015 bis 16. September 2017 in den beiden Mittelmeerländern registriert werden oder worden sind. Der luxemburgische Migrationsminister Jean Asselborn, der das Ministertreffen leitete, bezeichnete dies als eine «wichtige politische Botschaft».

Einigung auf Schlepperbekämpfung

Gemäss Sommaruga einigten sich die EU-Innenminister zudem auf ein «paar Massnahmen» wie etwa die konsequente Rückführung von nicht Schutzbedürftigen oder die Schlepperbekämpfung. Darüber würde man aber schon lange diskutieren und diese Massnahmen reichten denn auch nicht aus, sagte sie.

De Maizière liess verlauten, es gebe eine Einigung bei den Balkanstaaten als so genannte sichere Herkunftsländer. Dies gelte nicht für die Türkei, welche die EU-Kommission ebenfalls vorgeschlagen hatte. «Über die Türkei wird man sicher weiter reden müssen», sagte er.

Deutsche Grenzkontrollen ein Thema

Die EU-Innenminister äusserten sich auch zur temporären Wiedereinführung von Grenzkontrollen durch Deutschland. Asselborn zeigte Verständnis für Deutschland. Die Kontrollen dürften aber nur «für sehr kurze Zeit» gelten, forderte er. Er warnte vor einem Domino-Effekt. Nach Deutschland hatte am Montag auch Österreich Grenzkontrollen zu Ungarn angekündigt.

Für die Schweiz ist die Wiedereinführung von Grenzkontrollen zur Zeit kein Thema. «Die Schweiz ist nicht in einer ausserordentlichen Situation», sagte Sommaruga. Sie selbst sei aber laufend in Kontakt mit den Nachbarstaaten. Am Sonntag habe sie auch mit de Maizière telefoniert.

Sommaruga geht davon aus, dass Deutschland Grenzkontrollen beschlossen habe, auch um mit Blick auf das Ministertreffen gewissen Druck auszuüben - «um alle Mitgliedsstaaten mit an Bord zu holen». (sda)

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