Biel leidet nach wie vor ein wenig am YB-Syndrom. Die Bieler haben ja seit ihrem letzten Titel (1983) eine ähnliche Geschichte wie der Berner Kultklub: Abstieg, Wiederaufstieg und Einzug in eine neue Arena.
YB ist im letzten Frühjahr erstmals seit 1986 wieder Meister geworden. Bis zu diesem Triumph kamen nach jeder Niederlage die Dämonen des Zweifels und flüsterten: YB ist gut, aber nicht gut genug. YB ist noch kein Spitzenklub.
So ist es im Spätherbst 2018 bei Biel. Die Dämonen des Zweifels flüstern: Remember YB vor 2018! Biel ist gut, aber noch nicht gut genug. Biel ist noch kein Spitzenklub.
Solche Zweifel säen nicht nur boshafte Kritiker in Bern oben. Solche Zweifel nisten nach all den Jahren selbst bei in der Wolle gefärbten Bielern tief in der Hockey-Seele.
Ist also dieses 1:2 gegen Lausanne ein Grund zur Sorge? Nein. Biel hat gegen Lausanne grandioses, schwungvolles, variantenreiches, dynamisches Tempohockey zelebriert. Es hat im Bieler Hockeytempel gerockt. Das Resultat ist sozusagen bloss ein Schönheitsfehler.
Lausanne hatte zuvor 7 der letzten 8 Partien verloren. Aber die Mannschaft ist viel stabiler, als es diese Bilanz und die Tabellenlage vermuten liesse. Zwar offensiv nach wie vor nicht gut genug, um mit vier, fünf Toren vorwärts die Entscheidung zu erzwingen. Nur in zwei der letzten neun Partien sind mehr als zwei Tore gelungen. Aber Trainer Ville Peltonens taktische SCB-Kopie ist so gut organisiert, dass ein Sieg gegen jeden Gegner möglich ist, wenn der Torhüter nicht lottert.
Luca Boltshauser hat in Biel nicht gelottert. Und darüber hinaus war er schlau. In der Not hat er auch mal ungestraft absichtlich das Tor verschoben, um dem Bieler Angriffswirbel den Stecker zu ziehen. Anders als Sandro Zurkirchen ist er ein Goalie, der Siege «stehlen» kann.
Biel stürmte nach allen Regeln der offensiven Kunst. Direkte, präzise Pässe. Schnell ausgelöste Angriffe. Alle in Bewegung. Nie Stillstand. Perfektes, modernes, totales Lauf- und Tempo-Hockey.
Oder fast perfekt. Der kanadische Center Marc-Antoine Pouliot bringt es nach der Partie mit einer in seiner Heimat Quebec geläufigen Hockey-Redewendung auf den Punkt. Man sei vor dem gegnerischen Tor «zu wenig Hund» gewesen. Er meint damit nicht, dass die Stürmer auf den Hund gekommen sind. Sondern dass die Stürmer vor dem gegnerischen Tor zu wenig bissig und böse waren.
So ist es. Biel stürmte mit allen spielerischen Eigenschaften eines echten Spitzenteams. Aber noch nicht mit der Prise Bösartigkeit und Schlauheit in Schlüsselszenen, die aus einer guten Mannschaft ein Spitzenteam macht. Und die es in den Playoffs braucht.
Für die Bieler ist es einfacher, auswärts gegen ein spielstarkes Spitzenteam zu gewinnen, das vorwärts auf Sieg drängt, als auf eigenem Eis gegen einen Aussenseiter, der mit Zähnen und Klauen, Schlauheit und taktischer Intelligenz in erster Linie danach trachtet, nicht zu verlieren.
Heute folgt gleich das «Rückspiel» in Lausanne. Sind die Bieler zu einer Reaktion in der Lage? Sind sie heute in Lausanne vor dem gegnerischen Tor «mehr Hund»? Wenn ja, dann ist es ein Zeichen für Spitzenteam-Tauglichkeit.
Niederlagen in Spektakelspielen wie dieses 1:2 gegen Lausanne werden für Biel nur ein Problem, wenn die Dämonen des Zweifels geweckt werden: Biel spielt ohne Rückwärtsgang. Will heissen: Biel sucht die Entscheidung durch Dominanz, durch Tempo, durch konstruktives Spiel. Defensiv-Schach entspricht nicht der DNA dieser Mannschaft – und auch nicht der Hockey-Philosophie von Antti Törmänen.
Eigentlich ist Damien Brunner (32) der Mann für die Tore und entscheidenden Pässe in schwierigen Spielen wie soeben gegen Lausanne. Er ist mit 10 Punkten als Biels produktivster Schweizer Stürmer in diese Partie gegangen. Nach dem Spiel (und 17:39 Minuten Eiszeit) sind es immer noch 10 Punkte. Kein Tor, kein Assist und eine Minus-1-Bilanz. Sage mir, ob Damien Brunner trifft oder zweifelt, und ich sage dir, wie es um Biel steht.
Zweifel sind bei Biels, bei Antti Törmänens Philosophie wie Dämonen. Die Umsetzung der Laufmeter in Tore, das Verwerten von Torchancen ist bei einem so guten Team wie Biel nicht mehr eine Frage der Technik. Sondern eine Frage des bedingungslosen Selbstvertrauens. Wer auch nur leise zweifelt, trifft nicht ins Tor.
Wer zu viel zweifelt, der verzweifelt. Biel ist nur zweifelsfrei ein Spitzenteam.