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Tamedia lockt Mitarbeiter mit Abgangsentschädigungen.

ARCHIV - ZUM GEWINNEINBRUCH BEI TAMEDIA STELLEN WIR IHNEN DIESES ARCHIVBILD ZUR VERFUEGUNG. - Blick auf das Gebaeude der Mediengruppe Tamedia, aufgenommen am Donnerstag, 19. Januar 2017 in Zuerich. (K ...
Zu viele Mitarbeitende: Der Tamedia-Hauptsitz an der Zürcher Werdstrasse.Bild: KEYSTONE

Zu viel Personal – jetzt will Tamedia ihre Mitarbeiter mit Geld zum Abgang motivieren

Das grösste Medienhaus der Schweiz hat ein Problem: Weil es im Rahmen einer Reorganisation alle Bezahl-Zeitungen zu einer Mega-Redaktion zusammengelegt hat, gibt es zu viele Mitarbeiter. Weil zu Wenige freiwillig kündigen, bietet Tamedia jetzt Abgangsentschädigungen.
13.06.2018, 19:0214.06.2018, 10:39
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Das Verlagshaus Tamedia geht ungewohnte Wege, um die Anzahl Mitarbeiter zu reduzieren. Derzeit werden mit 10 bis 15 Mitarbeitern der Produktionsabteilung «Tamedia Editorial Services» – welche unter anderem für Layout, Korrektorat und Bildredaktion der Tamedia-Zeitungen zuständig ist – Gespräche über «interne Wechsel in neue Funktionen» und «Aufhebungsvereinbarungen mit einem finanziellen Beitrag» geführt. Sie werden in diesen Tagen darüber informiert. Diesen Sachverhalt bestätigt Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer auf Anfrage von watson. Auch in der Mantelredaktion der Tamedia-Zeitungen seien ähnliche Angebote zukünftig «in Einzelfällen nicht auszuschliessen».

Eine solche Aufhebungsvereinbarung sei ein freiwilliges Angebot, so Zimmer. Sie setzt sich aus einem finanziellen Beitrag und einer sofortigen Freistellung bereits während der Kündigungsfrist zusammen. Die Modalitäten orientierten sich an vergangenen Sozialplänen – «zuzüglich einer Prämie». Wie hoch der Beitrag ausfalle, hänge von der individuellen Situation der Betroffenen ab: «Wir können uns dazu nicht im Detail äussern.»

Ziel der Aufhebungsvereinbarungen: Dank einem finanziellen Zustupf sollen die Mitarbeitenden dazu gebracht werden, das Arbeitsverhältnis mit Tamedia im gegenseitigen Interesse aufzulösen. Hintergrund des Schrittes: Die Tamedia ist nach einer Reorganisation neu aufgestellt und hat in der derzeitigen Form zu viele Mitarbeitende. Nun sucht das Verlagshaus nach Wegen, den Personalbestand zu reduzieren.

Diese Reorganisation begann mit einem Paukenschlag für die Schweizer Medienlandschaft. Im vergangenen August präsentierte Tamedia das «Projekt 2020»: Per Anfang 2018 legte das grösste Verlagshaus des Landes sämtliche Bezahlzeitungen in der Deutschschweiz und der Romandie zu je einer Redaktion zusammen, die sämtliche überregionalen Inhalte herstellt. In der Deutschweiz etwa beziehen 12 Tages- und Wochenzeitungen wie «Bund», «Berner Zeitung», «Landbote», «Tages-Anzeiger» und «SonntagsZeitung» ihre Politik-, Wirtschafts-, Sport- und Kulturberichterstattung von der zentralen «Redaktion Tamedia».

«Kündigungen nicht ausgeschlossen»

Damals sagte Konzernchef Christoph Tonini: «Mit der Einführung der neuen Organisation sind keine Kündigungen verbunden.» Diese Aussage erstaunte. Tamedia ist bekannt für ein strenges Kostenmanagement. Und das Verlagshaus begründete das Projekt «Projekt 2020» mit dem erwarteten Rückgang der Einnahmen um 30 Prozent über die nächsten drei Jahre. Mit dem neuen Projekt sollten ausserdem Synergien geschaffen und die Prozesse in den Supportdiensten Layout, Produktion, Korrektorat, Infografik und Bild effizienter werden.

Christoph Tonini, Vorsitzender der Unternehmensleitung, links, und Pietro Supino, Praesident des Verwaltungsrats, rechts, anlaesslich der Bilanz-Medienkonferenz der Tamedia AG am Donnerstag, 12. Maerz ...
Tamedia-Konzernchef Christoph Tonini (vorne) mit Verwaltungsratspräsident Pietro Supino.Bild: KEYSTONE

Bereits im März 2018 – bei der Präsentation der Geschäftszahlen des Vorjahrs – tönte es anders. Mit der neuen Arbeitsweise sei zu viel Personal angestellt, sagte CEO Christoph Tonini. Man wolle zwar am Vorhaben festhalten, «die Reorganisation über die Fluktuation zu bewältigen». Diese liegt derzeit bei 4 Prozent pro Jahr. Falls es in den kommenden drei Jahren nicht mehr natürliche Abgänge gebe, sei «nicht auszuschliessen, dass es in Zukunft zu Kündigungen kommen wird».

Auch Mantelredaktion betroffen

Mit den jüngsten Gesprächen über Aufhebungsvereinbarungen bei den «Editorial Services» hält Tamedia laut Sprecher Christoph Zimmer am Ziel fest, die notwendigen Anpassungen soweit möglich über Fluktuation sowie interne Wechsel und ohne Kündigungen zu erreichen. Allerdings gehe das Unternehmen davon aus, dass das alleine nicht ausreichen wird: «Wir können deshalb Kündigungen in der Produktionsabteilung ‹Tamedia Editorial Services› nicht ausschliessen.»

Das kann man bei Tamedia offenbar auch für die Mantelredaktion nicht, wo es in Einzelfällen ebenfalls zu Gesprächen über Aufhebungsvereinbarungen kommen könnte. Allerdings schränkt Zimmer ein: «Wir rechnen derzeit nicht damit, dass es in der Redaktion Tamedia zu einer grösseren Anzahl Kündigungen kommen wird». Vielmehr gehe es um einen Umbau von Bereichen, die schrittweise weniger Mitarbeiter benötigen würden hin zu Bereichen, die ausgebaut würden, wie etwa beim Datenjournalismus. In den Titelredaktionen der Deutsch- und Westschweizer Tamedia-Blättern seien hingegen keine Kündigungen vorgesehen.

Neues Redaktionssystem

Für die verbleibenden Mitarbeiter der «Editorial Services» wie für die Journalisten steht bald eine grössere Umstellung in ihrem Arbeitsalltag bevor: Ab Juli 2018 und schrittweise bis März 2019 werden die Tageszeitungen der Tamedia neu aufs Redaktionssystem «Woodwing Enterprise» umgestellt. Damit müsse eine Seite, die mit den gleichen Texten, Bildern und Infografiken in mehreren Zeitungen erscheint, nur noch einmal produziert und gestaltet werden. Bisher musste das für die gleichen Inhalte in bis zu drei Redaktionssystemen gemacht werden.

Die geplanten Gespräche mit den bis zu 15 Mitarbeitern der Editorial Services stünden aber nicht in direktem Zusammenhang mit der Einführung des neuen Redaktionssystems, sagt Zimmer: «Aber die neue Redaktionsorganisation und die Harmonisierung der Prozesse und der Layouts führen dazu, dass wir in Zukunft  weniger einzelne Seiten produzieren müssen und deshalb weniger Mitarbeitende benötigen.»

«Basler Zeitung» geht an Tamedia

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«Basler Zeitung» geht an Tamedia
Christoph Blocher (links) und Pietro Supino, Verwaltungsratspräsident der Tamedia AG (rechts) sprechen an einer Medienkonferenz zur Übernahme der «Basler Zeitung» durch die Tamedia in Basel am Mittwoch, 18. April 2018. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
quelle: keystone / georgios kefalas
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15 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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G. Nötzli
13.06.2018 19:46registriert Juni 2015
Ganz einfach...

Ab einer gewissen Anzahl von Entlassungen, müssen diesen einen Sozialplan vorgelegt werden. Darum lieber die Leute schrittweise (freiwillig) wegbewegen, um anschliessend den Rest ohne Sozialplan zu entlassen.
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D(r)ummer
13.06.2018 19:49registriert Mai 2016
Irgendwann werden solche Manager durch die Strassen getrieben.

Was lehren die heute an den Unis?
Die Zukunft wird eher noch schwieriger.
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Roman Stanger
13.06.2018 21:02registriert Februar 2018
Ich würde mich gegen eine Abgangsentschädigung von 20'000 Fr. dazu verpflichten lassen, nie mehr als Kommentarschreiber auf Seiten von TA-Medien in Erscheinung zu treten. Deal?
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