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Wie glaubhaft sind die Vorwürfe gegen Kavanaugh?

FILE - In this Sept. 6, 2018, file photo, President Donald Trump's Supreme Court nominee Brett Kavanaugh waits to testify before the Senate Judiciary Committee for the third day of his confirmati ...
Schwere Vorwürfe gegen Brett Kavanaugh: Er soll in jungen Jahren eine Frau massiv bedrängt haben.Bild: AP/AP

Warum die Vergewaltigungs-Vorwürfe gegen Kavanaugh glaubhaft sind – und was offen bleibt

Der mögliche Supreme-Court-Richter Brett Kavanaugh soll vor über drei Jahrzehnten eine Frau bedrängt haben. Ein Bericht der «Washington Post» untersucht den Wahrheitsgehalt der Vorwürfe.
19.09.2018, 07:1919.09.2018, 10:36
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Die kalifornische Professorin Christine Blasey Ford erhebt schwere Vorwürfe gegen Brett Kavanaugh. Der damals 17-Jährige soll an einer Party Anfang der 1980er Jahre versucht haben, die 15-Jährige zu vergewaltigen. Konservative Kreise allerdings stellen Blasey Fords Glaubwürdigkeit in Frage – gerade weil Kavanaugh kurz davor steht, als Richter am Obersten Gericht bestätigt zu werden.

Ist es möglich, sich an einen Vorfall zu erinnern, der 30 Jahre zurück liegt? Oder hat Blasey Ford – eine registrierte Demokratin – die Vorwürfe frei erfunden, um dem erzkonservativen Kavanaugh eins auszuwischen? Und falls nicht, warum veröffentlicht sie ihre Geschichte erst jetzt?  Die «Washington Post» hat dazu zwei ehemalige Staatsanwälte und eine Psychologin befragt.

Erinnerungslücken

Christine Blasey Ford hat angegeben, dass sie sich nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern könne. Dafür gibt es gemäss Linda Fairstein, ehemalige Staatsanwältin und Leiterin des Büros für Sexualstraftaten in Manhatten, eine Erklärung: Nebensächliche Erinnerungen gehen vergessen – nur das Trauma bleibt. «Diese Erfahrung war so erschütternd für sie, dass sie ihr Leben in Gefahr sah. Vielleicht gibt es 220 Dinge, die sie nicht mehr weiss, und dann eine spezifische Sache, die so traumatisch war.»

Die Psychologin Meltzer sagt, dass es nach so einer langen Zeit schwierig sei, sich an alle Einzelheiten zu erinnern. Wichtig sei aber, dass sie «zentrale Details dessen, was geschehen ist – wie das Wer, Was und Wo – klar und konsequent artikulieren kann». 

Aussagekräftige Details

Und an diese zentralen Einzelheiten scheint sich Blasey Ford erinnern zu können. «Ford erwähnte Details – wie die Poolparty, die enge Treppe, dass das Haus in Montgomery County war. Es gibt genug Fakten, an die sich jemand erinnern kann, wenn es seine Party oder sein Haus war», sagte Fairstein.

Glaubhaft seien die Vorwürfe aber auch, weil eine dritte Person erwähnt wird – Blasey Ford nannte ihn einen «wesentlichen Zeugen». Dabei handelt es sich um Kanavaughs ehemaligen Schulkameraden Mark Judge, der dazumal «sturzbetrunken» gewesen sein soll. Auch heute noch soll der Filmemacher und Autor ein Alkoholproblem haben und dieses in seinem Buch «Wasted: Tales of a Gen-X Drunk» beschrieben haben. «Das ist diese Art von betrunkenem Verhalten, welches (Ford) in jener Nacht beschrieben hat», sagt Fairstein.

Für Douglas Wigdor, ebenfalls ein ehemaliger US-Staatsanwalt, ist Judge von grosser Bedeutung: «(Ford) hat eine dritte Person miteinbezogen. Wenn du dir etwas ausdenken würdest, warum würdest du das tun?». Zudem fällt für Wigdor ins Gewicht, dass sich Blasey Ford freiwillig einem Lügendetektortest unterzog – auch wenn diese vor Gericht nicht zulässig seien. 

Langes Schweigen

Die Mehrheit aller Opfer von sexueller Gewalt verzögert die Offenlegung des Geschehen oftmals um Jahre. Viele fürchten Vergeltungsmassnahmen, dass man ihnen nicht glauben wird oder dass die eigene Familie wütend sein könnte. Zudem empfinden die Opfer Scham- und Schuldgefühle und sind gedemütigt, sagt Meltzer.

Jugendliche vertrauen sich nach einem sexuellen Übergriff seltener jemandem an als kleine Kinder, da sich Teenager in dieser Lebensphase eher um ihr Ansehen sorgen. Gemäss Meltzer werden die Opfer in manchen Fällen bedroht oder unter Druck gesetzt und somit zum Schweigen gebracht. Bei Blasey Ford soll das aber nicht der Fall gewesen sein.

Der Zeitpunkt

Melzer beschreibt die Offenlegung solcher prägenden Ereignisse als einen langwierigen Prozess, der nicht von heute auf morgen passiert. «Es ist möglich, dass ein Opfer irgendwann nicht mehr in der Lage ist, mit der emotionalen Last des Missbrauchs umzugehen», wird die Psychologin zitiert.

Blasey Ford enthüllte den versuchten Übergriff lange bevor Kavanaugh von Trump für den Obersten Gerichtshof ernannt wurde. Sie sprach erstmals 2012 mit ihrem Mann und Eheberater darüber. Davon zeugen die Notizen des Therapeuten, die von der «Washington Post» überprüft wurden.

Den Schritt in die Öffentlichkeit wagte sie aber erst später – anfänglich wollte sie anonym bleiben. Blasey Ford liess der demokratischen Senatorin Dianne Feinstein einen Brief mit ihrer Geschichte zukommen. Sie bat, die Angelegenheit vertraulich zu behandeln. Erst später entschied sie sich, namentlich in Erscheinung zu treten. 

Für Fairstein ist essentiell, dass Blasey Ford bereits 2012 mit der Aufarbeitung des Erlebten begann und dies anhand der Notizen des Therapeuten belegen kann. Somit sind die Anschuldigungen gegen Kavanaugh nicht neu.

Wie sich die Affäre weiter dreht, wird sich zeigen. Sowohl Blasey Ford als auch Brett Kavanaugh sind bereit, vor dem Justizausschuss auszusagen. (vom)

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